"Früher hatten wir Partys mit 1.200 Gästen", sagt der Betreiber des Nachtwerks Karlsruhe, Gerhard Fink, im Gespräch mit ka-news.de. Heute könne man froh sein, wenn 500 bis 800 Personen an einem Freitagabend den Weg in den Club finden. "Das hätte es früher nie gegeben", so Fink kopfschüttelnd. Auf diese neue Realität müsse man sich als Clubbetreiber aber wohl einstellen.

"Wir leben Musik" - seit über 30 Jahren im Clubgeschäft
Fink arbeitet und betreibt seit über 30 Jahren Nachtclubs. Seit 2005 führt er das Nachtwerk in Grünwinkel. Die Entwicklungen in seiner Branche stellt ihn heute vor neue Herausforderungen: "Das 'Clubsterben' ist bundesweit zum Problem geworden". Kaum einer seiner Kollegen habe nicht dieselben Probleme.

Corona und seine Spätfolgen
Fink blickt auf mehrere Jahrzehnte in der Clubszene zurück. Sein Resümee fällt düster aus, und das nicht erst seit Corona: "Corona hat viele Clubs kaputt gemacht, aber wir hatten es schon davor sehr schwer." Er ist der Überzeugung, dass Clubs durch die Pandemie eine ganze Generation an Partygängern verloren habe.

"Die Corona-Generation hat nie gelernt, feiern zu gehen", sagt Fink. Die sozialen Treffpunkte der jungen Leute seien nicht mehr Clubs, sondern soziale Medien und Chaträume. Diese Einschätzung teilt auch sein langjähriger DJ Peter Sailer: "Bei denen haben sich keine Netzwerke gebildet, mit denen sie am Wochenende ausgehen." Das sehe er auch bei seinem Sohn: "Der ist 20 und hat kein Interesse daran, feiern zu gehen, auch wenn ich ihn auf jede Gästeliste bringen könnte."

Doch woran liegt das? Nur an den sozialen Netzwerken? Die gab es ja auch schon vor Corona. Fink hat darüber auch mit seinen Gästen gesprochen: "Viele haben keine Energie mehr", erklärt er. Ihnen wird die Clubsituation zu viel: "Nach der Isolation wollen viele nicht mehr unter Menschen gehen."
Sparen statt feiern?
Aber auch finanzielle Unsicherheiten spielen eine Rolle. "Viele Gäste schauen deutlich genauer aufs Geld", sagt der DJ. Das müsse nicht einmal zwingend daran liegen, dass sie weniger zur Verfügung hätten. "Sie sind vorsichtiger geworden." Viele machten sich Sorgen um die Zukunft und geben weniger Geld beim Feiern aus.

Negative Nachrichten aus aller Welt würden vielen die Lust am Feiern verderben: "Wenn man so hört, was 'drüben überm Teich' politisch abgeht, bekommen es viele mit der Angst zu tun", erklärt Fink. Dass seine Gäste den Gürtel aus Vorsicht enger schnallen, kann er nachvollziehen.
Zu viele Köche verderben den Brei
Doch auch die Konkurrenz macht Clubs wie dem Nachtwerk zu schaffen. "Früher konnte man nur in Clubs und Diskos bis in die Puppen feiern. Heute darf jede Bar bis fünf Uhr morgens offen haben", sagt Fink. So hätten Clubs ihr Alleinstellungsmerkmal verloren. "Die Gäste fragen sich in der Bar nicht mehr: 'Wo gehen wir danach noch hin?', sondern bleiben einfach sitzen", so der Clubbetreiber.

Das Geschäftsmodell "tagsüber Café, abends Bar, nachts Club" sei ein Problem für klassische Clubs und Diskos. "Wir können das nicht anbieten, und uns bleiben dann Gäste weg." Doch dieser Trend sei wohl auf lokaler Ebene nicht mehr umzukehren, resümiert Fink.
Musik wird immer mehr zur Konsumware
Auch der Bezug zur Musik habe sich laut Sailer verändert: "Gerhard und ich sind noch vom alten Schlag. Wir brennen für Musik, doch diese Einstellung wird immer seltener." Nach ihrer Einschätzung hat sich Musik vermehrt hin zu einer Ware entwickelt, die sehr passiv konsumiert wird.

"Musik ist überall und dauernd verfügbar, meistens gratis", so der DJ. Das sei einerseits schön, weil jeder Zugang dazu hat, führe aber auch dazu, dass kaum noch jemand nur wegen der Musik in die Clubs geht. "Früher wurde ich regelmäßig gefragt: 'Von wem ist der Song?', heute kommt das kaum noch vor."
Feiermüde Stammgäste und ernste Studenten
Doch nicht nur der Bezug zur Musik hat sich verändert. Auch die Ansprüche und Gewohnheiten sind heute völlig andere: "Früher waren die Stammgäste jeden Abend hier und haben gefeiert", erzählt Fink. Heute sei das kaum noch vorstellbar: "Wenn die Leute feiern waren, müssen sie sich erst mal erholen." Wöchentliche Partys rechnen sich laut dem Betreiber kaum noch. "Die Karlsruher haben das Feiern verlernt", scherzt Fink. Seine bestbesuchten Events finden nur noch monatlich statt.

Sollte ein Club in einer Studentenstadt wie Karlsruhe nicht jedes Wochenende rappelvoll sein? Fink hat andere Erfahrungen gemacht: "Ich hatte auch schon Clubs im Raum Mannheim und muss ehrlich zugeben: Die Karlsruher Studenten feiern nicht so gerne und oft wie ihre Kommilitonen aus anderen Städten."

Diese Erfahrung hat auch Sailer gemacht: "Vielleicht liegt das ja daran, dass die Karlsruher alle so schwere Naturwissenschaften studieren", scherzt er. Gerade die Studenten vom KIT seien häufig ernster als die Geisteswissenschaftler anderer Unistädte.
BDSM- und LGBTQ-Events: "Man muss sein Publikum finden"
Doch warum dann überhaupt einen Club betreiben? "Wir leben Musik", erklärt Peter Sailer. Er ist DJ, legt seit vielen Jahren im Nachtwerk auf und hat seinen Chef schon durch einige schwere Zeiten begleitet. "Wir sind, was das angeht, noch vom alten Schlag", schmunzeln die zwei Karlsruher Club-Urgesteine.
"Man muss heute sein Publikum finden", sagt Fink. Das Nachtwerk hat sich mit BDSM-Partys und LGBTQ-Events eine neue Zielgruppe erschlossen: "Diese Partys gehören mittlerweile zu unseren größten und beliebtesten Events."

Feiertiere oder Stubenhocker? - Welcher Typ sind Sie?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung in die Kommentare, oder nehmen Sie an unserer Umfrage teil.
Die ka-news.de Redaktion hat zudem weitere Karlsruher Clubs angefragt. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung jedoch keine weiteren Rückmeldungen erhalten.