Man muss nicht unbedingt direkt aus der Umgebung stammen, um die beiden weißen Kolosse aus Stahlbeton, die weithin sichtbar über die Baumspitzen der Gegend rund um Philippsburg lugten, zu (er)kennen: Die Kühltürme des AKW Philippsburg prägten rund vierzig Jahre lang das Landschaftsbild im nördlichen Landkreis Karlsruhe.
Zum Jahreswechsel gingen im AKW die Lichter aus
Unermüdlich pafften sie üppige, weiße Wasserdampfwölkchen in den Himmel und waren so für viele Menschen - einheimisch wie fremd - jahrzehntelang sichere Orientierungspunkte schon aus weiter Ferne.

Zum Jahreswechsel 2019/2020 allerdings erloschen die "Wolkenmacher" für immer: Das Kernkraftwerk auf der Rheinschanzinsel bei Philippsburg, das über vierzig Jahre lang dafür sorgte, dass in - rein rechnerisch - mehr als vier Millionen Haushalten der Region Strom aus den Steckdosen kommt, wurde mit der Stilllegung des Reaktorblocks "KKP2" abgeschaltet.
Über 570 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt
In Betrieb ging der Reaktor im Jahr 1984. Sein "Bruder", der 1979 in Betrieb genommene "KKP1", produziert bereits seit 2011 keinen Strom mehr, wird seit 2017 zurückgebaut. Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 schaltete der Betreiber, der Energiekonzern EnBW, den Block ab. Insgesamt haben die beiden Anlagen laut EnBW über 570 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt.

Seit Beginn des Jahres wird das rund 30 Kilometer von Karlsruhe entfernt liegende AKW Philippsburg nun zurückgebaut. Allein für KKP 2 entstehen dabei rund 783.000 Tonnen Abbaumasse, die zu 97 Prozent als unbedenklich gilt. In drei bis vier Jahren sollen auch die dann abgekühlten Brennelemente in Castor-Behältern in einem Zwischenlager auf dem Gelände ihr vorläufiges Zuhause finden.
Die Kühltürme verabschiedeten sich mit großem Knall
Das Ende der beiden je 152 Meter hohen und 32.500 Tonnen schweren Landmarken - die Kühltürme - wurde am 14. Mai besiegelt: Mit zwei lauten Knalls und gefolgt von einer großen Staubwolke wurden sie an einem Donnerstagmorgen gegen 6.05 Uhr innerhalb weniger Sekunden dem Erdboden gleich gemacht - aufgrund der Corona-Pandemie mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen und zuvor geheimem Zeitpunkt.
Mehrere hundert Kilo Sprengstoff, verteilt in rund 2.200 Bohrlöcher sowie zuvor eingebrachte Fallschlitze haben dabei dafür gesorgt, dass die Türme nicht wie etwa ein Baum zur Seite, sondern in sich zusammenfallen. "Die gesamte Sprengung ist nach Plan verlaufen", zieht die EnBW rund einen Monat nach der Sprengung ein Resümee.
Das Gelände, auf dem die Kühltürme standen, wird nun für seine zukünftige Bestimmung vorbereitet: Auf der Fläche wird ein Gleichstrom-Umspannwerk (Konverter) entstehen, welcher regenerativ erzeugten Strom aus dem Norden Deutschlands für die Netzeinspeisung umwandelt.
Ein Stück Kühlturm für Zuhause
Der Hochbaubeginn ist für das dritte Quartal 2020 geplant, die vollständige Baufeldübergabe der EnBW an die Transnet BW für Ende des Jahres. Zehn bis 15 Jahre und geschätzte Kosten von 7,5 Milliarden Euro später sollen Industrieanlagen und Reaktoren einer grünen Wiese Platz machen, auf der nur noch der Konverter steht.

Wer die Sprengung der Kühltürme verpasst oder etwas wehmütig über das Ende der Wahrzeichen der Region ist, muss nicht traurig sein: Bürger sollen sich in Zukunft ein jeweils etwa handtellergroßes Bruchstück der Stahlbeton-Kolosse für zu Hause sichern können.

Wann und wie man sich sein persönliches Stück Kühlturm abholen kann, will die EnBW - nach Klärung der "damit verbundenen abfallrechtlichen Fragen" - noch bekannt geben.
Mehr Bilder in der Galerie:
Die Aufnahmen unseres Fotografen Tim Carmele stammen aus November 2019 sowie April und Mai 2020.
Karlsruhe von oben: Luftige Ausblicke auf die Bundesanwaltschaft
Karlsruhe von oben: Hauptbahnhof und Güterbahnhof
Karlsruhe von oben: Rheinhafen und Knielingen
Karlsruhe von oben: Rheinbrücke
Karlsruhe von oben: Mühlburger Tor
Karlsruhe von oben: Karlsruher Schloss
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