Hans-Joachim Of

Nach über 40 Jahren Betrieb wurden die symbolträchtigen - für manche Menschen lieb gewonnenen - Kühltürme des AKW Philippsburg am Donnerstag, 14. Mai, unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesprengt. Wegen der Corona-Krise hat der Kraftwerksbetreiber EnBW den genauen Zeitpunkt des Schauspiels, das voraussichtlich Zehntausende von Zuschauern angezogen hätte, geheim gehalten und das Gelände rund um die Rheinschanzinsel zuvor großräumig abgesperrt.

Ein letzter Blick auf "Max und Moritz"

"Wir haben Jahrzehnte mit dem Kraftwerk vor unserer Haustüre gelebt, und jetzt gönnt man uns nicht einmal dieses Spektakel", hat eine enttäuschte Besuchergruppe aus der Region wenige Tage vor der Sprengung der beiden Kühltürme in Philippsburg verkündet.

Sprengung Kühltürme Philippsburg
Bild: Hans-Joachim Of

Innerhalb weniger Sekunden war dann das - bereits wochenlang in der Region diskutierte - monumentale Ereignis auch schon wieder vorbei. Ein akustisches Signal hat den Zeitpunkt der Sprengung - genau 6.05 Uhr am Morgen - markiert, Donnergrollen und Staubwolke folgten. Dann war Ruhe.

Video: EnBW Kernkraft GmbH

Trotz der frühen - und eigentlich geheimen - Uhrzeit gibt es zahlreiche Menschen, die das Spektakel aus der Ferne beobachten und ihre Eindrücke im Netz kundtun. Die Meinungen schwanken dabei zwischen Nostalgie und Feierstimmung. Bereits Tage zuvor waren zahlreiche Hobbyfotografen und "Kühlturmgucker" nach Philippsburg aufgebrochen, um "ein letztes Mal" ein Bild oder Selfie zu schießen oder einfach einen Blick auf die Zwillinge - junge Besucher nannten sie sogar "Max und Moritz" - zu werfen.

Zahlreiche Fototouristen vor Ort

"Ein bisschen traurig bin ich schon", sagt Tanja Schweikert aus Waghäusel via Facebook. Für die begeisterte Motorradfahrerin waren die 152 Meter hohen Türme bei den Touren immer wieder Orientierungspunkte aus der Ferne. "Tschüss Wolkenmacher, nun liegst du in Schutt und Asche und wir finden nicht mehr nach Hause", meint sie lachend.

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Klara Albrecht aus Philippsburg hat von ihren "Lieblingen" im Laufe der Jahre über 1.000 Bilder geknipst und ist natürlich auch bei der Abschiedstour als Fototouristin vor Ort - auch wenn ihr ein Schnappschuss bei der Explosion nicht vergönnt war.

Volker Konrad war zwei Tage zuvor sogar an seinem Geburtstag mit dem Motorroller aus dem rund 25 Minuten entfernten Östringen angereist - "für ein Abschiedsbild", wie er ka-news.de erzählt. Der 58-Jährige, der bei der Stadt beschäftigt ist, findet die Sprengung selbst überflüssig und bedauerlich. "Die Energiewende wurde bei uns viel zu schnell und ohne Not angegangen".

Sprengung der Kuehltuerme des Kernkraftwerk Philippsburg (KKP) / Blasting of the cooling towers of the Philippsburg nuclear
Bild: EnBW

"Ein wirtschaftliches Verbrechen"

Karsten Kraus aus Plankstadt arbeitet beim dm-Verteilerzentrum in Waghäusel und will den Moment "kurz vor Ultimo" mit seinem Handy festhalten. "Ich sah die Türme jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit, nun fehlen sie im Erscheinungsbild Philippsburgs". Man hätte das Kraftwerk noch länger betreiben können, denn nun komme der Atomstrom aus Frankreich, argumentiert er.

Sprengung der Kuehltuerme des Kernkraftwerk Philippsburg (KKP) / Blasting of the cooling towers of the Philippsburg nuclear
Bild: Hans-Joachim Of

Karl-Heinz Killian aus Philippsburg ist sogar richtig wütend, nachdem er am Mittwoch mit dem Fahrrad noch eine "letzte Kühlturmrunde" gedreht hat. Der gelernte Industriekaufmann ist nach eigenem Bekunden ein strikter Gegner des Abriss-Spektakels sowie des Atomausstiegs während der Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Ein wirtschaftliches Verbrechen", so sein Kommentar.

"Die Türme werden mir fehlen"

Während einige wenige Menschen vor Ort oder in den sozialen Medien "Mir egal" oder "Gut so" posten, ist Sabine Schreier, Malerin aus Leidenschaft, traurig über das Verschwinden der Kolosse aus Stahlbeton: "Seit meiner Kindheit gehörten sie zum Landschaftsbild und ich genoss den weiten Blick in die Rheinebene. Zu jeder Tages- und Jahreszeit, in jedem Licht. Die Türme werden mir fehlen."

Sprengung der Kuehltuerme des Kernkraftwerk Philippsburg (KKP) / Blasting of the cooling towers of the Philippsburg nuclear
Bild: EnBW

Auch Josef aus dem österreichischen Kärnten, der in Karlsruhe arbeitet, hat den Fotoapparat gezückt, wollte unter der Woche nochmals einen Blick auf die Skyline werfen. "Was ich von der Sprengung halte? Schwachsinn", meinte er gegenüber ka-news.de und schiebt nach: "Deutschland hatte die beste Technologie und die sichersten Kraftwerke. Jetzt macht man sich von ausländischen Energieträgern abgängig."

Video: Carmele/TMC-Fotografie

"Fragen Sie mich nicht, was ich davon halte, sonst bekomme ich Magenschmerzen"

Nachdem wenige Stunden nach der Sprengung das Gelände rund um den Kraftwerkszaun schon wieder zugänglich ist, begutachten zwei Männer aus Ludwigshafen den "Schrotthaufen aus Stahlbeton". "Fragen Sie mich nicht, was ich davon halte, sonst bekomme ich Magenschmerzen", sagt einer der beiden und lässt ebenfalls keinen Zweifel daran, dass er diese Maßnahme nicht gut findet.

Sprengung der Kuehltuerme des Kernkraftwerk Philippsburg (KKP) / Blasting of the cooling towers of the Philippsburg nuclear
Bild: Hans-Joachim Of

Mit dem Blick auf die regionale Wirtschaft kann die Sprengung auch eine Frau aus dem Philippsburger Stadtteil Huttenheim nicht gutheißen: "Erst verschwindet 2007 die Bundeswehr aus Philippsburg, dann der Reifenhersteller Goodyear und jetzt das auch noch das Kraftwerk - gute Nacht!"

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