Unmengen von vielfältig wandelbarer Energie, sauber und CO2-neutral - und als Ressource dafür wird nichts anderes benötigt als Wasser. Das ist der Grundgedanke der Brennstoffzelle, die elektrischen Strom aus Wasserstoff speist. Klingt wie die optimale Lösung für viele Klima- und Energieprobleme.
Wasserstoff-Experte contra kritischer Leser
Grund genug, dass Experten wie Thomas Jordan vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schon seit Jahren daran arbeiten, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen.

Doch ist sie vielleicht zu schön, um wahr zu sein? Kritiker wie ka-Reporter Andreas Rapp sehen vor allem bei Autos keine Zukunft für den Wasserstoffantrieb.
"Das hat verschiedene Gründe, die vor allem aus der Verfügbarkeit von Wasserstoff, seinen ungünstigen Transportmöglichkeiten, seinen Nachteilen gegenüber Strom und Wirkungsgrad den Problemen beim Tanken zusammenhängen", sagt er im Gespräch mit ka-news.de.
"Wasserstoff gehört nicht ins Auto"
"Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich keineswegs ein Experte dafür bin", sagt Rapp. "Ebenso wenig möchte ich Herrn Jordans Expertise in Zweifel ziehen. Dennoch halte ich Herrn Jordans Antworten in Ihrem vorhergehenden Artikel für unzureichend. Als interessierter Laie beschäftige ich mich seit 2016 mit der Thematik des Wasserstoffantriebs. Von vielen Experten wird er nicht als zukunftsfähige Energiequelle gesehen."
Das hänge vor allem mit seiner eher geringen Verfügbarkeit zusammen. Ironischerweise ließe sich Wasserstoff trotz seiner theoretisch weltweiten Verfügbarkeit nicht in ausreichenden Mengen in Deutschland produzieren.
"Wasserstoff kann für Mobilität genutzt werden"
Laut dem Bundesamt für Bildung und Forschung, auf das sich auch Rapp bezieht, plane die Bundesregierung "bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens zehn Gigawatt aufzubauen, die auf umweltverträglichen Wasserstoff basieren." Jeder darüber hinausgehende Bedarf solle durch Importe gedeckt werden. Dies sei natürlich ein begrenztes Kontingent. Bleibt dabei überhaupt genug Energie für Mobilität?
Das sei laut dem Professor unter anderem eine wirtschaftliche Frage. "Hier würde ich dem Markt vertrauen", so Jordan als ihn ka-news.de mit den Argumenten Rapps konfrontiert.
Importe aus Australien und Afrika möglich
"Der Einsatz von grünem Wasserstoff verlangt wettbewerbsfähige Kosten mit grauem, also durch CO2-Emissionen einhergehenden Wasserstoff. Ist ein ähnliches Kostenniveau erreicht, lassen sich auch kleinere Mengen für die Mobilität nutzen."
Bei einem stabilen Wirtschaftsmodell könne man, wie auch vom Bundesamt für Umwelt beabsichtigt, "aus Süd- und Westafrika sowie aus Australien importieren." Nun bleibt natürlich die Frage, ob der Transport nach Europa nicht mit einem CO2-Ausstoß verbunden ist, der den grünen Gedanken des Hydrogens ad absurdum führt.
Wasserstoff könnte den eigenen Transport umweltfreundlich machen
"Nicht zwangsläufig", meint Jordan dazu. "Länder wie diese haben bessere Sonnen- und Windverhältnisse als Deutschland. Dies schlägt sich in geringeren Kosten bei der Wasserstoffproduktion nieder", erklärt er weiterhin.

"Ein Transport in Pipelines und in Schiffen ist durchaus kostengünstig, aber die notwendigen Leistungen sollten natürlich aus den grünen Energieformen, das heißt: Aus dem Wasserstoff gespeist werden. So können die Verdichter der Transferpipelines oder auch Schiffsantriebe mit Wasserstoff laufen", so Jordan.
"Keine Energieerzeugung ist frei von Klimagasen"
"Dennoch sollte die Energieabhängigkeit Deutschlands, oder besser Europas, reduziert werden und so viel Strom und Wasserstoff lokal generiert werden", sagt er. Das Zusammenspiel der wirtschaftlichen mit den logistischen Faktoren könne so die Versorgung sichern und die Umweltbelastung gering halten.
Gering halten sei hierbei allerdings die höchste aller Ambitionen. "Keine der Energieformen – auch die nominell grünen - sind wirklich frei von Nebenwirkungen und Freisetzungen von Klimagasen", erklärt der Wissenschaftler. "Insbesondere bei Betrachtung des ganzheitlichen Lebenszyklus. Auch der Windstrom oder die PV haben hier ihren spezifischen Fußabdruck."
Hält das Stromnetz genügend E-Autos aus?
Zumindest theoretisch ließe sich laut Jordan also klären, wo der Wasserstoff auch für Autos herkommen könnte? Könnte ein Wasserstofffahrzeug also wirklich die bessere Alternative zum E-Auto sein? Immerhin muss auch der Strom für die E-Vehikel aus sicherer Quelle kommen. Und Jordan brachte bereits zum Ausdruck, dass das bestehende deutsche Stromnetz mit einer flächendeckenden Anzahl an E-Autos überlastet wäre. Eine weitere Aussage, der ka-Reporter Rapp kritisch gegenübersteht.
"Deutschland hat in etwa einen jährlichen Stromverbrauch von 600 Terawattstunden", sagt er. "Würden nun alle Kraftfahrzeuge durch E-Autos ersetzt werden, würde eine Zusatzbelastung von etwa 100 zusätzlichen Terawattstunden entstehen. Also knapp 16,6 Prozent." Diese Angaben werden vom Bundesumweltamt bestätigt.
"Wenn man die Kapazitäten des Stromnetzes nun jedes Jahr um ein bis zwei Prozent anpassen würde, wäre man der Mehrbelastung in zehn Jahren beigekommen. Zumal dabei die Reduzierung von Autos, die für den Klimaschutz und die Verkehrswende dringend notwendig ist, noch nicht mit einberechnet hat", sagt Rapp. "Ich kann Herrn Jordans Argumentation an dieser Stelle nicht nachvollziehen."
Eine völlig neue Belastung für private Stromnetze
Jordan selbst verteidige diese Aussage und gibt an, dass es leider nicht so einfach sei: "Zunächst einmal werden von den angesprochenen 600 Terawattstunden 75 Prozent für die Industrie aufgewendet. Nur 25 Prozent - also zirka 150 Terawattstunden - fließen in den privaten Bereich."
Zusätzliche 100 Terawattstunden für neue E-Autos, selbst, wenn viele Fahrzeuge firmen- oder staatseigen sind, würden also dazu führen, dass privat zugängliche Stromnetze einer völlig neuen Belastung ausgesetzt wären. Weiterhin müsse man ein Stromnetz immer darauf auslegen, dass es die größtmögliche Belastung aushält, selbst wenn dieser Fall nicht sehr wahrscheinlich ist.

"Die kritische Größe für das Netz ist zunächst die notwendige Maximal-Leistung und nicht die über das Jahr integriert übertragene Energie. Und diese muss grün, also präferiert durch Wasser- und Windkraft generiert werden, um die klimaschützende Intention umzusetzen", sagt Jordan.
"Wir bräuchten den 50-Fachen Bestand an umweltfreundlichen Generatoren"
"Geht man vom pessimistischen Fall aus, dass der Individualverkehr nicht reduziert wird, kann man mit 60 Millionen neuen Fahrzeugen rechnen, die im Durchschnitt 50 Kilowattstunden pro Ladung benötigen.
Die Ladeleistung läge also bei insgesamt 3.000 Gigawattstunden. Die derzeit installierten Windräder und Photovoltaikanlagen liefern in ihrer Gesamtheit jeweils zirka 60 Gigawattstunden dafür. Man müsste den derzeitigen Bestand also um das 50-Fache ausbauen."
Selbst wenn man den Autoverkehr um die Hälfte reduzieren würde, wäre man immer noch beim 25-fachen Bedarf. "Dabei ist für den Windstrom nachteilig, dass er im Wesentlichen aus dem ertragreichen Norden nach Süden übertragen werden muss. Das geht ohne einen massiven Netzausbau nicht – oder eben durch Zwischenspeichern in Wasserstoff und Transport von Wasserstoff in den Süden. Letzteres bedeutet einen Netzausbau für Gas", so der Professor.
"Private Photovoltaikanlagen könnten die E-Autos versorgen"
Solarkraft hingegen könne die E-Mobilität zumindest teilweise tragen, ohne das Stromnetz zu belasten: "Im privaten Bereich wäre das zumindest bei Eigenheimbesitzern der Fall. Wenn dort der Batterie-Pkw bei Sonnenschein an der heimischen Anlage hängt, braucht man tatsächlich keinen Netzausbau. Je Pkw werden hier jedoch Investitionen von mindestens 4.000 Euro fällig. Mit Speicher sogar 10.000 Euro", so Jordan.

Möchte man bei zwei Autos pro Haushalt umweltfreundlich laden können - und das rund um die Uhr - würden also gerne und gut 20.000 Euro fällig. "Da überlegt man sich doch, ob man das Auto nicht lieber ans öffentliche Netz hängt. Womit wir wieder bei dessen Belastung wären", so Jordan. Zusätzlich sei das öffentliche Netz nur so lange umweltfreundlich, wie der grüne Strom auch fließt. Alles darüber hinaus könnte man aber in Wasserstoff speichern.
Wird ein Wasserstoffauto durch den Tankvorgang ineffizient?
Doch selbst dieser Speicherungsprozess berge Probleme, wie ka-Reporter Rapp anmerkt. Gerade für Autos sei der Tankvorgang eher schwierig.
"Um nicht zu entflammen muss Wasserstoff vor seiner Tankfüllung unter 700 bar Druck komprimiert und vorgekühlt werden. Das alles verbraucht sehr viel Energie, die man aber direkt in ein E-Auto einspeisen und nutzen könnte. Wasserstoff ist auch aus diesem Grund viel zu ineffizient für die Mobilität", so Rapp.

KIT-Professor Jordan stimmt dieser Aussage teilweise zu: "Die Notwendigkeit der Vorkühlung der 700 bar Betankung erfordert in der Tat einen beträchtlichen Energieaufwand", erklärt er.
"Allerdings gilt das nur bei gasförmig getanktem Wasserstoff. Die Verflüssigung des Hydrogens ist mit weniger Energieaufwand verbunden und eignet sich damit auch sehr viel besser zur Betankung und zum Transport über lange Strecken." Wie viel Energie genau eingespart wird, stellt Jordan allerdings nicht klar.
Grundsätzlich sei Wasserstoff also langfristig ein notwendiger Schritt, auch wenn viele Probleme, die Kritiker wie Rapp ansprechen, derzeit noch nicht gelöst sind.
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!