In dieser Nacht sind zahlreiche Dienste und Organisationen, beispielsweise das Feuerlöschkommando und der Entgiftungsdienst, unterwegs, um die Fächerstadt zu retten. Auch die verschiedenen Organisationen der Polizei, des SHD (Sicherheitsdienst) und des Luftschutzes mit den NS-Stoßtrupps werden zur Hilfeleistung aufgeboten. Und gleichzeitig versuchen die Soldaten an den Flakkanonen die Bomber abzuschießen.

Aber mit den Hunderten der entstehenden Brände werden die Dienste schnell überfordert. Es ist jedoch die Zivilbevölkerung selbst, die letztendlich die nötige Unterstützung im Kampf gegen die Brände liefert, denn die Leute bilden spontane Eimerketten und Löschmannschaften zur Rettung der Häuser in ihren Wohnvierteln.

Denkmal für die Karlsruher Fliegeropfer auf dem Hauptfriedhof
Denkmal für die Karlsruher Fliegeropfer auf dem Hauptfriedhof | Bild: Katherine Quinlan-Flatter

Männer, Frauen und junge Leute bemühen sich, Brandbomben zu bekämpfen und sie so schnell wie möglich unschädlich zu machen. Trotzdem verlieren in dieser Nacht 52 Karlsruher ihr Leben, berichtet die Badische Presse am nächsten Tag.

Aufnahme in das "Führer-Sofortprogramm"

Die Zahl der Obdachlosen ist natürlich viel höher. Wenige Monate nach der ersten Bombardierung von Berlin durch die Royal Air Force am 25. August 1940 wird das “Führer-Sofortprogramm“ oder “Luftschutz-Sofortprogramm“ umgesetzt. Im Rahmen dieses Programms, das auf dem Führerbefehl vom 10. Oktober 1940 basiert, werden Luftschutzbunker im ganzen Deutschen Reich geplant und gebaut.

Es ist das größte zweckgebundene Programm der deutschen Geschichte und sieht vor, dass alle deutsche Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und strategisch wichtigen Anlagen mit genügend Luftschutzbunkern für die Bevölkerung ausgerüstet werden.

Feuerwehrleute mitten in den Trümmern der zerbombten Musikschule
Feuerwehrleute mitten in den Trümmern der zerbombten Musikschule | Bild: Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 412/34

Weil Karlsruhe schon im Ersten Weltkrieg heftig bombardiert wurde, wird die Fächerstadt in das Programm aufgenommen. “War es das Ziel des Feindes, die Moral der Karlsruher Bevölkerung zu treffen, so kann am Morgen nach dem Terrorangriff festgestellt werden, dass die Stunde der Gefahr auch in Karlsruhe die Reihe der Volksgemeinschaft nur noch enger geschlossen hat“, schreibt die Badische Presse am nächsten Morgen. Aber die Moral der Karlsruher Bevölkerung zu brechen, ist genau eines der Hauptziele der Alliierten.

Karlsruhe ist wichtiges Transportzentrum

Die Weisung des britischen Bomber Commands vom 14. Februar 1942 ist klar: “Das Hauptziel der Unternehmung besteht darin, die Moral der gegnerischen Zivilbevölkerung und insbesondere der Industriearbeiter zu brechen“. In einer Geheimsitzung am 23. April 1942 in England stellt Premierminister Churchill eine Liste mit 140 deutschen Städten auf, die die Royal Air Force systematisch zerstören soll. Karlsruhe steht an, 18. Stelle.

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Später wird die Liste modifiziert und enthält nur noch 25 Hauptziele, unter denen sich Karlsruhe auch wieder befindet. Für jede dieser deutschen Städte führt das alliierte Bomber Command einen sogenannten “Bomber’s Baedeker“ – ein Handbuch, das die wirtschaftliche Bedeutung der jeweiligen Stadt beschreibt. Die Gauhauptstadt Karlsruhe ist wichtig als Verkehrsknotenpunkt mit Rheinhafen und Rangierbahnhof – außerdem hat die Stadt eine Munitionsfabrik, im Gebäude des heutigen ZKMs. Der Baedeker betont auch Karlsruhes Wichtigkeit als Transportzentrum.

Relief auf der Seite des Bunkers in Rüppurr
Relief auf der Seite des Bunkers in Rüppurr | Bild: Katherine Quinlan-Flatter

Auf der Strecke über die Fächerstadt wird Kohle vom Ruhrgebiet nach Italien transportiert und der Hafen verfügt über moderne Anlagen für das Laden von Kohle. Jedoch sind diese Orte nicht in erster Linie zu bombardieren. Die Zielpunkte sind die Wohnviertel. Um die Bevölkerung in den Wohnvierteln zu schützen, werden ab August 1941 elf Luftschutzbunker in Karlsruhe gebaut. Sieben von diesen Bunkern kann man heute noch sehen und besuchen: in Dammerstock, Daxlanden, Rüppurr, Kaiserallee, Haselweg und Zeppelinstraße in Grünwinkel, und in der Erzberger Straße.

Scheinanlagen sollen ablenken

Drei Scheinanlagen mit südamerikanischen Namen werden von der Luftwaffe 1940 in den Wäldern um Karlsruhe eingerichtet, um den Alliierten falsche Ziele vorzutäuschen und sicherzustellen, dass die Bomben nicht auf die Stadt fallen: Venezuela, Columbia und Panama.

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Bis September 1942, als sich der Radar stark verbessert, funktioniert dieser Plan nicht schlecht. Aber in dieser Nacht des 2. September funktioniert der Plan leider nicht mehr. Und man bekommt das Gefühl, dass die gesamte Bevölkerung unterwegs ist, um Karlsruhe zu retten. Der Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD) ist ein Bereich des Luftschutzes (LS), der 1940 für den Einsatz nach Luftangriffen aufgebaut wird. Die Fachdienste der SHD sind in dieser Nacht unterwegs, um Brände zu löschen, Verletzten zu helfen und Menschen aus den Trümmern zu bergen.

Alle Truppen und Polizisten sind in der Brandnacht im Einsatz

Die Ordnungspolizei ist für den SHD zuständig, dessen Aufgaben vom Feuerlöschdienst zum Sanitätsdienst, Instandsetzungs-, Entgiftungs-, Veterinär- und Aufklärungsdienst reichen. Die Anzahl der Einheiten hängt von der Größe der angegriffenen Stadt, sowie von der Industrie, der öffentlichen Verwaltung und der strategischen Bedeutung der Stadt ab.

Je nach Größe des Angriffs, können auch zusätzliche Dienste in Anspruch genommen werden, beispielsweise die Hitler-Jugend, die sogenannte Selbstschutz- und erweiterter Selbstschutzdienste – Letztere in der Regel Gruppen, die sich um Gebäude wie Theater, Restaurants, Kirchen und Schulen kümmern. Zudem können Truppen aus der sogenannten “15-Kilometer-Zone“ abgerufen werden, einem 15-Kilometerbereich rund um Karlsruhe herum. Alle diese Dienste sind in der Brandnacht unterwegs. Was aus Berichten ganz klar hervorgeht, ist, dass das Ganze extrem gut und effizient organisiert ist.

Blick von Gasthaus "Zu den drei Linden" in der Rheinstraße
Blick von Gasthaus "Zu den drei Linden" in der Rheinstraße | Bild: Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 412/90

“Die Haltung der Karlsruher Bevölkerung bei diesem Terrorangriff war bewundernswert“, schreibt Karlsruhes Zeitung “Der Führer“ am 4. September. Die “Badische Presse“ beschreibt, wie in einzelnen Straßen, sich “die Möbelstücke, die Betten und sonstiger Hausrat, der im letzten Augenblick dem Feuer entrissen werden konnte, vor den Häusern türmten“.

Besonders tragisch jedoch waren die Folgen des Angriffs in der Altstadt, wo viele der Ärmsten der Armen nur noch das nackte Leben retten konnten. In den nächsten Teilen der Miniserie schauen wir uns im Detail an, wie die Bevölkerung die Brandnacht in den Karlsruher Stadtteilen erlebt hat.

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