Der Erste Weltkrieg ist vorbei und der Zweite gerade voll im Gange. Nach dem 25. August 1940, als die britische Royal Air Force die ersten Bomben auf Berlin abwirft, sollen laut des neu beschlossenen "Luftschutz-Sofortprogramms" alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und kriegswichtigen Anlagen mit ausreichenden Luftschutzbunkern für die Bevölkerung ausgestattet werden.

Und obwohl Karlsruhe diese Kriterien nicht erfüllt, gilt die Fächerstadt als besonders bombardierungsgefährdet. Der Grund: Sie hat im Ersten Weltkrieg einige Luftangriffe erlitten. So erhält die Stadt ab August 1941 elf Luftschutzbunker.
Karlsruhe als verlockendes Ziel für einen Bombenangriff
Auf einer Geheimsitzung am 23. April 1942 in England unterbreitet der britische Premierminister Churchill eine Liste von 140 deutschen Städten, die von der Royal Air Force im Luftkrieg gegen Deutschland systematisch zerstört werden sollen. An 18. Stelle steht Karlsruhe. Nach der Abänderung dieser Liste wird eine Karte mit 25 Hauptzielen veröffentlicht, darunter wieder: Karlsruhe.

Der Grund: Der sogenannte "Bomber's Baedeker" - ein Handbuch über die wirtschaftliche Bedeutung von deutschen Städten. Das Bomber Command der Alliierten führt ein solches Handbuch über jede größere Stadt. Bei Karlsruhe wird hier eine allgemeine Beschreibung der Lage und ein Hinweis auf die Industrie aufgeführt. Zudem wird die Bedeutung der Gauhauptstadt als Verkehrsknoten mit Rheinhafen, Verschiebebahnhöfen, der Eisenbahnhauptwerkstatt und dem Ausbesserungswerk Durlach hervorgehoben.

"Karlsruhe ist heute als Transportzentrum von erheblicher Bedeutung", steht es im Baedeker. "Auf dieser Strecke wird der Großteil der Kohlenversorgung vom Ruhrgebiet nach Italien transportiert." Auch der Rhein ist von hoher Bedeutung: "Karlsruhes ziemlich moderner Hafen, an dem Rhein über den Stichkanal angeschlossen, verfügt über umfangreiche Installationen für das Laden von Kohle."
Hauptziel: Die Wohngebiete
Und weiter: "Es gibt zwei Hauptziele: Der Innenhafen, der mit dem Rhein über den Stichkanal angeschlossen ist, zusammen mit dem Industriegebiet Grünwinkel und zum anderen der Rangierbahnhof östlich des Hauptbahnhofs."
Doch trotz der verlockenden Ziele: Bombardiert werden sollen die Orte nicht. "Das Hauptziel Ihrer Operation sollte nur die Moral der feindlichen Zivilbevölkerung und besonders der Industriearbeiter selbst werden", erscheint in einer Direktive an das Bomber Command am 14. Februar 1942.

Und in einem Brief unterstreicht Charles Portal, Chief of Air Staff bei den Briten, am nächsten Tag den Satz: "Ich denke es ist klar, dass die Zielpunkte Wohngebiete sein sollen und nicht etwa die Werften oder Flugzeugfabriken."
Der Hochbunker in der Rheinhafenstraße 47
In Karlsruhe werden folglich auch Wohngebiete großflächig zerstört. Schutz finden konnte die Bevölkerung in der Nähe des Rheinhafens in diesem Fall im Hochbunker in der Rheinhafenstraße 47 in Daxlanden. Genannt "Appenmühle", ist der Bunker einer der imposantesten und interessantesten Luftschutzbunker in Karlsruhe und wurde im Rahmen des 1940 eingesetzten Führer-Sofortprogramms zwischen 1942 und 1943 vom jungen Stadtbaumeister Paul Brömme erbaut.

Auch dieser Bunker weist architektonisch interessante Eigenschaften auf. Der burgartige Bau verfügt über zwei Reihen schießschartenähnliche Scheinfenster zur Straßenseite sowie über ein Tarndach mit Ziegeln - ein außergewöhnliches Element für einen Hochbunker. Hier hatte man versucht, den Baukörper durch eine angepasste Höhe und ein kaschierendes Ziegeldach dem Maßstab des angrenzenden Wohngebiets anzugleichen.

Der Reichsadler ohne Kopf
Doch auch wenn er von außen nicht als solcher zu erkennen sein sollte: Seine drei Stockwerke, meterdicke Außenwände und Decken sowie die Bauweise aus Stahlbeton weisen dieses massive Gebäude eindeutig als Bunker aus. Die Anlage bietet in engen Räumen Platz für 400 Menschen. Es gibt zwei Zugänge: von der Rheinhafenstraße und - auf der Rückseite - von den Albanlagen her. Innerhalb des Bunkers war die Belüftung giftgassicher, auch eine Wasserversorgung und elektrische Beleuchtung waren vorhanden.

Wie am Hochbunker in Rüppurr findet man auch hier Überreste von NS-Kunst: So hängt über dem Haupteingang ein großer Reichsadler - allerdings ohne Kopf. Der wurde 1945 von einrückenden Besatzungstruppen abgerissen.
ka-news.de-Serie
Die Zeit des Nationalsozialismus ist auch an Karlsruhe nicht spurlos vorübergegangen. Als stille - und gut verborgene - Zeitzeugen sind allerdings die insgesamt elf Bunkeranlagen der Fächerstadt zurückgeblieben. Immer sonntags nimmt ka-news.de die Leser mit auf eine Reise durch die fast vergessene Welt der Karlsruher Luftschutzbunker:
Teil 1 der Serie: Der Hochbunker Irisweg
Teil 2 der Serie: Der Tiefbunker in der Dammerstocksiedlung
Teil 3 der Serie: Der Operationsbunker in der Kaiserallee
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