Der Erste Weltkrieg ist vorbei und der Zweite gerade voll im Gange. Nach dem 25. August 1940, als die britische Royal Air Force die ersten Bomben auf Berlin abwirft, sollen laut des neu beschlossenen "Luftschutz-Sofortprogramms" alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und kriegswichtigen Anlagen mit ausreichenden Luftschutzbunkern für die Bevölkerung ausgestattet werden.

Und obwohl Karlsruhe diese Kriterien nicht erfüllt, gilt die Fächerstadt als besonders bombardierungsgefährdet. Der Grund: Sie hat im Ersten Weltkrieg einige Luftangriffe erlitten. So erhält die Stadt ab August 1941 elf Luftschutzbunker.

Der Luftschutzbunker Haselweg in Grünwinkel. | Bild: Katherine Quinlan-Flatter

Nicht Gas, sondern Bomben waren das große Problem

Herbert Scheurer aus Ettlingen kann sich noch gut daran erinnern, wie sein Vater im Zweiten Weltkrieg die technischen Einrichtungen in den Karlsruher Luftschutzbunkern wartete. "Er war Elektriker", erzählt Scheurer ka-news.de.

"Nachdem er 1940 als Soldat im Frankreichfeldzug mitgemacht hat, wurde er von seinem Arbeitgeber in Karlsruhe wieder eingestellt. 1941 wurden die ersten Luftschutzbunker in Karlsruhe gebaut und er musste diejenigen Bunker, die mit einem eigenen Stromaggregat ausgestattet waren, kontrollieren. Sie waren einer Art TÜV unterzogen."

Heutiger Garagenzugang ist der ehemalige Bunkereingang
Heutiger Garagenzugang ist der ehemalige Bunkereingang zur Anlage in der Zeppelinstraße. | Bild: Carmele|TMC Fotografie

Die Karlsruher Luftschutzbunker verfügten über haustechnische Einrichtungen wie Elektrizitäts- und Wasseranlagen, die regelmäßig gewartet werden mussten. Abgesehen von den Strom- und Wasserversorgungsanlagen hatten die Bunker auch eine giftgassichere Belüftung und Schleusentüren. Jedoch war es nicht das Gas, sondern die Explosionen im Bombenkrieg, die die Hauptgefahr darstellten. Karlsruhe erlebte 135 Luftangriffe, bei denen 1.754 Menschen ihr Leben verloren.

Zwölf dieser Luftangriffe gingen zwischen 1941 und 1945 allein über dem Stadtteil Grünwinkel nieder. Dabei wurden die alte Schule, die Firma Metz und die Arguswerke total zerstört. Schwer beschädigt wurden auch der Westbahnhof und die Möbelfabrik, Pfannkuch und Wolf & Co. 84 Häuser wurden total zerstört, 134 Häuser mittelschwer bis schwer beschädigt.

Tiefbunker Grünwinkel: Haselweg und Zeppelinstrasse

Im Gesamtgebiet Mühlburg, Rheinhafen und Grünwinkel fielen 170 Sprengbomben, 30 Luftminen und 20.000 Stabbrandbomben. Laut einem Bericht im Generallandesarchiv Karlsruhe starben in dieser Nacht 51 Menschen. Schutz finden konnte die Bevölkerung damals in vier bombensicheren unterirdischen Tiefbunkern, zwei Stollen - am Charlottenplatz und in der Silcherstraße - und zahlreichen Luftschutzräumen.

Einer dieser vier Bunker stand im Haselweg in der Hardecksiedlung. Auf zwei Stockwerken bot er Platz für 1.167 Menschen, wie heute noch auf einem Schild vor der Eingangstür zu sehen ist, und zwei unterirdische Eingänge mit Schleusentüren.

Der Tiefbunker Haselweg. | Bild: Katherine Quinlan-Flatter

Er verfügte über die typischen Lüftungsöffnungen, die zwar mit einer Platte abgedeckt, aber noch sichtbar sind. 2015 wurden zwei Wohnhäuser auf dem Bunker gebaut. Auch in der Bernsteinstraße/Ecke Heidenstückerweg gab es einen Bunker, der heute allerdings mit Wohnungen überbaut ist. Im Bunker selbst sind Keller und Tiefgarage untergebracht.

Die Lüftungsöffnungen sind noch sichtbar. | Bild: Katherine Quinlan-Flatter

Auch die heutigen Michelinwerke hatten einen Bunker

Den Tiefbunker an der Zeppelinstraße/Ecke Konradin-Kreutzerstraße ereilte das gleiche Schicksal: Die zweistöckige Anlage ist heute mit einem Wohnkomplex von 21 Wohnungen überbaut, wobei der Bunker als Fundament diente. Der ehemalige Luftschutzraum wird ebenfalls als Tiefgarage und Keller verwendet.

Ehemaliger Luftschutzbunker in der Zeppelinstraße in Grünwinkel. Das Wohnhaus wurde auf den Bunker gebaut.
Ehemaliger Luftschutzbunker in der Zeppelinstraße in Grünwinkel. Das Wohnhaus wurde auf den Bunker gebaut. Die Bunkeraussenwand (dunkelgrau) noch deutlich zu erkennen. | Bild: Carmele|TMC Fotografie

Der vierte Bunker war gleichzeitig auch der außergewöhnlichste: Er war der Werksbunker der Karlsruher Arguswerke. Diese sind heute mit Sitz in Grünwinkel unter dem Namen Michelin bekannt.

ka-news.de-Serie

Die Zeit des Nationalsozialismus ist auch an Karlsruhe nicht spurlos vorübergegangen. Als stille - und gut verborgene - Zeitzeugen sind allerdings die insgesamt elf Bunkeranlagen der Fächerstadt zurückgeblieben. Immer sonntags nimmt ka-news.de die Leser mit auf eine Reise durch die fast vergessene Welt der Karlsruher Luftschutzbunker:

Teil 1 der Serie: Der Hochbunker Irisweg


Teil 2 der Serie: Der Tiefbunker in der Dammerstocksiedlung

Teil 3 der Serie: Der Operationsbunker in der Kaiserallee

Teil 4 der Serie: Die "Appenmühle" am Rheinhafen

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