Mit dem Fall Dünkirchens am 4. Juni 1940 gilt der erste Teil des Frankreichfeldzuges, der "Fall Gelb", als beendet. "Der große Kampf in Flandern und im Artois ist zu Ende", berichtet Karlsruhes Zeitung "Der Führer". "Es war die größte Vernichtungsschlacht aller Zeiten."

Das Ziel: Paris erobern

Schon am kommenden Tag, am 5. Juni 1940, beginnt der "Fall Rot" - die zweite Phase der großen Militäroperation. Diese Phase hat zwei Ziele: Zum einen die französischen Truppen bis zur Schweiz einzuschließen, zum anderen nach Frankreich hinein zu stoßen und die Hauptstadt Paris zu nehmen. 

5. Juni 1940: Belgiens Armee legt die Waffen nieder.
5. Juni 1940: Belgiens Armee legt die Waffen nieder. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

Die große Schlacht an der Aisne findet vom 9. bis 11. Juni statt. Am 8. Juni wird die Weygand-Linie, die französische Verteidigungslinie an der Somme und der Aisne, auf der ganzen Front durchbrochen. Der Feind sei zum Rückzug gezwungen - nicht nur auf dem Boden, sondern auch im Meer werden mehrere feindliche Schiffe von deutschen Seestreitkräften vernichtet.

Mädchen und Frauen schuften zusammen für die Ernte

Es sei die "schlimmste Stunde für England" - in London haben die Nachrichten vom französischen Kriegsschauplatz "besorgte Stimmung ausgelöst". Dort hat man gedacht, die Schlacht in Frankreich würde England eine Atempause gewähren. Jetzt aber sind die Engländer nicht in der Lage, den Franzosen zu helfen.

Während der "Fall Rot" anläuft, wird es zudem Zeit, sich nicht nur um die Soldaten an der Front, sondern verstärkt auch um die Probleme in der Heimat zu kümmern: Die Ernte muss bald eingeholt werden und die Männer sind noch im Felde. Die Jugendgruppe der NS-Frauenschaft in Karlsruhe hilft daher bei der Ernte mit.

6. Juni 1940: Der Fuhrer begrußt einen Kriegsberichter.
6. Juni 1940: Der Führer begrüßt einen Kriegsberichter. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

In Baden wurden bereits vier Erntelager geöffnet, in denen Mädchen und Frauen wohnen und einen Teil ihres Urlaubs für den Ernteeinsatz opfern werden. Hier arbeiten die verschiedensten Frauen zusammen: Lehrerin, Beamtin, Arbeiterin und Verkäuferin.

"Die kräftige Bauernkost wird den Jungen und Mädeln aus den Städten gut tun"

Ab Juli muss die Schuljugend in Baden Ehrendienst in der Landwirtschaft leisten, um an der "Sicherstellung der Volksernährung mitzuarbeiten". Hierzu wurde eine Anordnung vom Reichsminister erlassen, die für die Schulen verbindlich ist.

Englischer Panzerkampfwagen an der Straße von La Panne.
9. Juni 1940: Englischer Panzerkampfwagen an der Straße von La Panne. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

Auch hierfür werden überall Lager für die jungen Leute eingerichtet und die Zeitung gibt Anweisungen für die mitzubringende Kleidung: "Alte, derbe Schuhe, leicht waschbare Dirndl, derbe Hosen und kurzärmelige Hemden", heißt es. "Die kräftige Bauernkost wird den Jungen und Mädeln aus den Städten unseres Gaues gut tun."

Karlsruher Zeitung veröffentlicht Propagandaartikel

Unterdessen rückt die Front näher an Paris heran. Alle Kinder unter 14 Jahren wurden dort bereits evakuiert und die Bevölkerung flieht jetzt Hals über Kopf, jede Eisenbahn ist gefüllt - die Leute sitzen sogar auf den Dächern. Paris gerät in Panik und Verzweiflung und die Regierung "flieht" nach Süden.

Als Ablenkung veröffentlicht Karlsruhes Zeitung "Der Führer" während dieser Zeit mehrere Propaganda-Artikel, um die Moral zu stärken. Am 9. Juni erzählt so beispielsweise eine Mathilde ihrer Freundin Dora in einem offenen Brief über die Lesestube für Wehrmachtsangehörige in Karlsruhe.

12. Juni 1940: Der englische Flugzeugtrager "Glorious" wird gesenkt.
12. Juni 1940: Der englische Flugzeugträger "Glorious" wird gesenkt. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

Der Raum diene Soldaten auf der Durchreise - hier kann man lesen, Karten spielen, sich gemütlich unterhalten. Die NS-Frauenschaft betreue die Männer im geschmackvoll eingerichteten Zimmer, wo die Soldaten sich für eine Weile ausruhen können.

Wohlbefinden der Frau steht im Vordergrund

Auch auf das Wohlbefinden der Frauen wird laut des "Führers" sehr geachtet: Fabrikarbeiterinnen brauchen ebenfalls Erholung und haben es auch verdient. Studentinnen können die Arbeiterinnen in den Ferien ersetzen - damit können die Arbeiterinnen Erholung mit Geld genießen und die Studentinnen sich etwas dazuverdienen.

Dieser Arbeitsplan-Austausch wird von der NS-Volkswohlfahrt organisiert und aus dem Kreis Karlsruhe stellen sich bereits Frauen zur Verfügung. Diese "gegenseitige Hilfe festigt in der Kriegszeit besonders das Band der Volksgemeinschaft" - ein zentrales Konzept der NS-Ideologie.

12. Juni 1940: Deutsche Panzer erobern eine Stadt.
12. Juni 1940: Deutsche Panzer erobern eine Stadt. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

Das soziale Angebot in Karlsruhe ist generell nicht klein: Verwandte von gefallenen Soldaten werden von der NSKDV - der Kriegsopferversorgung - betreut. Am 9. Juni bekommen in einer Veranstaltung in Karlsruhe die Mitarbeiterinnen das "Abzeichen der Hinterbliebenenbetreuerinnen".

Ein weiteres Beispiel für die behütete Rolle der Frau in dieser Zeit: Die Geschichte einer Karlsruher "Kameradin" im Rüstungsbetrieb, die im "Führer" erzählt wird: Früher war die junge, blonde Frau, mit welligem Haar und gepflegten Händen Verkäuferin, aber nachdem ihr Mann eingezogen wurde gab sie die Stelle auf und meldete sich für die Arbeit in einer Munitionsfabrik.

Die Dame hat keine Angst vor Schwerarbeit - eigentlich hat sie es sich viel unangenehmer, schmutziger und lärmender vorgestellt, als es eigentlich ist. An ihrem Geburtstag bekam sie sogar einen Blumenstrauß von den Kollegen.

Am 15. Juni weht das Hakenkreuz über Paris

In Frankreich haben die Soldaten unterdessen die Oise überschritten. Der Gegner flüchtet in "planloser Flucht zurück". Dabei hat er alles auf den Straßen stehen lassen, eine "unübersehbare Beute", sogar die Pferde und die Artillerie bleiben zurück - sie war offensichtlich zu schwer, um sie mitzunehmen. Langsam überblickt man das Ausmaß der Katastrophe und das Pariser Oberkommando sichert alle Hauptstraßen durch Barrikaden. Man hofft auf langwierige Straßenkämpfe.

15. Juni 1940: Bild auf Paris vom Arc de Triomphe.
15. Juni 1940: Bild auf Paris vom Arc de Triomphe. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

Doch dann geht es ganz schnell: Schon am 15. Juni - nur zehn Tage nach Beginn des "Falls Rot" - "weht über Paris das Banner des Reichs - das Hakenkreuz", berichtet "Der Führer". "Die Schlacht ist geschlagen und für Frankreich verloren." Am Morgen des 14. Juni sind die deutschen Truppen in die Stadt eingezogen.

Frankreichfeldzug endet offiziell am 25. Juni

Paris wird zu einer offenen Stadt erklärt - eine Stadt, die im Kriegsfall nicht verteidigt wird und daher nicht angegriffen werden darf. "Im ganzen Lande flackern die drohenden Zeichen des völligen Zerfalls der französischen Macht", schreibt Karlsruhes Zeitung.

15. Juni 1940: Das Rathaus von Paris.
15. Juni 1940: Das Rathaus von Paris. | Bild: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbz/zeitungen/periodical/titleinfo/3066784; Original im Stadtarchiv Karlsruhe

Die Bilanz für Frankreich ist vernichtend: 360.000 Soldaten sind tot, vermisst oder in Gefangenschaft. Auf der Seite der Wehrmacht liegen die Verluste bei 140.000 Mann. Am 21. Juni wird der Waffenstillstandsvertrag von Compiègne unterschrieben, der am 25. Juni in Kraft tritt. Der Blitzkrieg des Frankreichfeldzugs geht damit - nach nur etwas mehr als vier Wochen - zu Ende.

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