Wie soll Karlsruhe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aussehen? Um diese Frage zu beantworten, möchte die Stadtverwaltung das "Integrierte Stadtentwicklungskonzept Karlsruhe 2040" (ISEK) in der kommenden Sitzung des Karlsruher Gemeinderats am 16. Mai verabschieden. Worum geht es dabei genau?
ISEK 2040: Was ist das?
In der entsprechenden Beschlussvorlage heißt es: "Angesichts der komplexen und vielfältigen Herausforderungen der Stadtentwicklung und begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen sowie der Knappheit von Flächen, benötigt ein Oberzentrum wie Karlsruhe ressortübergreifende strategische und zukunftsgerichtete Planungen."

So sei das im Jahr 2012 für Karlsruhe erarbeitete ISEK 2020 nicht nur vom Zeithorizont her "in die Jahre gekommen", auch maßgebliche Entwicklungen hätten ihren Niederschlag darin nicht oder mit einer aus heutiger Sicht anderen Bewertung gefunden. Einkommens- und Vermögensunterschiede und aktuell die Inflation hätten demnach zugenommen, wie die Verwaltung erklärt.
"Soziale Ungleichheiten und in der Folge gesellschaftliche Spannungen werden durch diese Entwicklung verstärkt. Die Notwendigkeit, endliche Ressourcen, das Klima und die Umwelt zu schonen, bestimmt politische Diskussionen", heißt es in der Beschlussvorlage weiter.
Spannungen auf dem Wohnungsmarkt
Zudem habe die Anspannung auf den urbanen Wohnungsmärkten als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zugenommen und die gestiegene Zahl der Schutzsuchenden stelle Städte und Gemeinden im Hinblick auf soziale, gesellschaftliche und räumliche Integration vor erhebliche Herausforderungen.

Auch die Alterung der Bevölkerung und der damit verbundene zunehmende Fachkräftemangel stelle zusätzliche Handlungserfordernisse dar. Gleichzeitig bürge die fortschreitende Digitalisierung Potenziale und Herausforderungen, die es auszuschöpfen und zu berücksichtigen gelte.
Nutzen und Anspruch des ISEK 2040
Was aber konkret soll das ISEK 2040 denn nun aber sein? "Das ISEK 2040 für Karlsruhe soll einen Orientierungs- und Handlungsrahmen für sämtliche Stakeholder der Stadtentwicklung - unter anderem Bürger, zivilgesellschaftliche Akteure, Unternehmen, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Politiker sowie Verwaltung- darstellen und diese umfassend einbeziehen", heißt es in der Beschlussvorlage.
So solle die Erarbeitung des ISEK 2040 nicht zuletzt auch eine "Investition in die Zukunft Karlsruhes" sein, von der die Fächerstadt auch finanziell profitieren könne. So sei die Erstellung eines ISEK etwa Fördergrundlage für sämtliche Programme der Städtebauförderung. Die im ISEK 2040 erarbeiteten Entwicklungsziele und Maßnahmen dienen demnach als Grundlage, um Förderbedarfe der Stadt Karlsruhe nachzuweisen.
Auch die in der Neuen Leipzig Charta verankerten Kernprinzipien einer verantwortungsbewussten Stadtentwicklung, seien mit der Erstellung des ISEK 2040 durch die Stadt Karlsruhe erfüllt. Zu den fünf Kernprinzipien zählen:
- das Prinzip der Gemeinwohlorientierung,
- integriertes Arbeiten und Handeln,
- Beteiligung und Co-Kreation,
- eine Mehr- Ebenen-Kooperation
- sowie adäquate ortsbezogene Betrachtungs- und Lösungsansätze.
Des Weiteren solle in allen Phasen der Erarbeitung des ISEK 2040 "Partizipation im Sinne einer Mitgestaltung möglich sein. Ziel ist die umfassende Beteiligung der Stadtgesellschaft", heißt es in der Beschlussvorlage.
Ebenso solle während des gesamten Prozesses ein entsprechendes Monitoring sowie eine kontinuierliche Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit stattfinden und insbesondere ab Mitte 2024 intensiviert werden. Die Gesamtkoordination soll dabei durch das Amt für Stadtentwicklung erfolgen.
Zeitlicher Ablauf zur Erstellung des ISEK 2040
Benötigte Ressourcen für die Erarbeitung des ISEK 2040
Die Erarbeitung eines ISEK werde von eine Vielzahl von Abstimmungs- und Koordinierungsmaßnahmen begleitet, weshalb zur Erstellung hohe personelle und zeitliche Ressourcen notwendig seien. So könne der beschriebene Projektterminplan nur dann umgesetzt werden, wenn Mittel für ein externes Büro sowie Personalstellen bereitgestellt würden.

Bei einer Beauftragung eines Büros ab Quartal 2/2024 bis Quartal 2/2026 sei demnach mit einem Auftragsvolumen von zirka 500.000 Euro zu kalkulieren. Darin enthalten seien:
- Die fachliche, inhaltliche und methodische Betreuung des Gesamtprojekts,
- entsprechende Beratungsleistungen,
- ein professionelles Beteiligungsmanagement inklusive Durchführung und Aktivierung relevanter Zielgruppen,
- die Dokumentation sowie der Abschlussbericht.
Darüber hinaus bringe ein externer Dienstleister den notwendigen neutralen Blick von außen mit, was insbesondere bei konfliktbelasteten Themen und Fragestellungen hilfreich sei. Die tatsächlichen Kosten seien abhängig von dem Ergebnis eines EU-weiten Vergabeverfahrens.
Außerdem sei für eine fundierte Betreuung und Erarbeitung des ISEK 2040 die Erarbeitung von zwei Vollzeitstellen beim Amt für Stadtentwicklung über zwei Jahre (Quartal 2/2024 bis Quartal 2/ 2026) notwendig.
Da das Amt für Stadtentwicklung auch Wahlamt ist und im Juni 2024 Kommunal-und Europawahlen zu organisieren und durchzuführen hat, sei zudem für eine unterbrechungsfreie und umfangreiche Umsetzung des ISEK 2040 Prozesses außerdem eine Vollzeitstelle zur Unterstützung der Wahlgeschäftsstelle von Januar 2024 bis September 2024 notwendig.
SPD und CDU wollen Verschiebung
Die SPD-Gemeinderatsfraktion fordert, die Beschlussfassung über ISEK 2040 in die nächste Gemeinderatsperiode ab 2024 zu verschieben. Als Begründung nennt sie unter anderem, dass die Umsetzung des integrierten Stadtentwicklungskonzepts im Herbst einige Zusatztermine von der Verwaltung und den Stadträten abverlange.

Außerdem fordere die parallel stattfindende Haushaltsberatung sowie im ersten Halbjahr 2024 stattfindende Kommunal- und Personalwahl ebenfalls terminliche Kapazitäten. Auch der neu gewählte Gemeinderat müsse sich ab 2024 erneut in die bis dahin erarbeiteten Ideen einarbeiten, da dieser ISEK 2040 beschließen soll. Des Weiteren begründet die SPD-Fraktion ihren Änderungsantrag damit, dass durch die Verschiebung die Vollzeitstelle zur Unterstützung der Wahlgeschäftsstelle eingespart werden könne.
Die CDU-Fraktion fordert den Projektterminplan zur Erstellung des ISEK 2040 um zwei Jahre zu verschieben, wodurch die benötigten Haushaltsmittel und Personalressourcen erst im Doppelhaushalt 2026/27 einzuplanen seien.
Außerdem wird die Stadtverwaltung gebeten zu prüfen, unter welchen Bedingungen sichergestellt werden kann, dass die Stadt Karlsruhe Förderkriterien in Bezug auf Programme der Städtebauförderung weiterhin hinreichend erfüllt.
Die Stadtverwaltung empfiehlt sowohl den Antrag der CDU-Fraktion als auch der SPD-Fraktion abzulehnen. Grundsätzlich sei geplant, das ISEK 2040 am 9. Mai 2023 im Hauptausschuss erneut vorzuberaten und am 16. Mai 2023 einen Beschluss zur weiteren Vorgehensweise zu fassen.
Aktualisierung, 16. Mai
Einmal mehr zeigt sich der Gemeinderat zweigeteilt. Besonders die Grünen zeigen sich skeptisch gegen einen Aufschub des ISEK. Alle Kosten, die nun verschoben werden, werden noch schmerzlicher auf die Stadt zurückfallen, ist dabei ein Hauptargument, das auch die Stadtverwaltung teilt. Andere Fraktionen, etwa die FDP, sind der Ansicht, dass eine Fortführung von ISEK dem Doppelhaushalt im Weg stehe.
Als die gebildeten Lager mittels einer Abstimmung gegeneinander abgewogen werden, zeigt sich eine mehrheitliche Ablehnung einer kategorischen Verschiebung mit 17 zu 28. Oberbürgermeister Frank Mentrup bietet jedoch den Kompromiss eines Sperrvermerks auf ISEK an, der mehrheitlich angenommen wird. Bevor tatsächlich Geld in das Vorhaben fließt, wird der Gemeinderat also noch einmal eine Entscheidung treffen müssen.
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