Die Gustav Genschow & Co. ist ein ehemaliges Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin, das 1906 gegründet wurde und auf die Herstellung von Munition spezialisiert war. Die Firma entstand aus zwei Unternehmen: der Badischen Sprengkapsel-, Zündhütchen- und Munitionsfabrik Ernst Schreiner, 1898 auf Wolfartsweierer Gemarkung im Gewann Galgenäcker und der Badischen Schrot- und Gewehrpfropfenfabrik GmbH, die 1898 bzw. 1884 gegründet wurden. Gustav Genschow erwarb beide Unternehmen und legte sie zusammen. Dadurch entstand die Badische Munitionsfabrik GmbH, die in Karlsruhe als "Zündhütle" bekannt wurde.
Genschow wird in Stralsund geboren
Genschow stammte aus einfachen Verhältnissen und wurde in einer mecklenburgisch-pommerschen Familie in Stralsund geboren. Mit 25 Jahren gründete er in Berlin eine eigene Firma, die innerhalb kurzer Zeit stark expandierte. Das Handelsunternehmen wurde weltbekannt und Genschow beschloss, der Firma einen Fabrikationsbetrieb anzuschließen, der in Durlach niedergelassen wurde. Dieser Zusammenschluss erfolgte durch die Badische Sprengkapsel-, Zündhütchen- und Munitionsfabrik Ernst Schreiner und die Badische Schrot- und Gewehrpfropfenfabrik.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts konzentrierten sich beide Firmen vor der Akquise durch Genschow in erster Linie auf die Bedürfnisse der Jäger und Sportler. Flobert- und Revolverpatronen, Randfeuerpatronen, Pistolenpatronen, Jagdpatronen, Papphülsen, Messinghülsen, Zündhütchen aller Art, Jagdschrot und Plomben wurden hergestellt. Militärmunition wurde überwiegend für den Export gefertigt.
Hochdekoriert bei Wettbewerben
Im Juli 1903 nahmen die Fabriken an der Gewerbe- und Industrieausstellung in Durlach teil, die vom Bezirksverein Deutscher Ingenieure veranstaltet wurde. Auch die Badische Maschinenfabrik, die Waffen- und Munitionsfabrik Karlsruhe, Benz & Co aus Mannheim und die Maschinenfabrik Gritzner aus Durlach stellten hier aus.
Auf dieser Ausstellung gewann die Badische Schrot- und Gewehrpfropfenfabrik den ersten Preis in der Gruppe Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Kategorie Waffen- und Munitionsindustrie, wie das Durlacher Wochenblatt vom 18. August 1903 berichtet. In dieser Kategorie holte die Zündhütchenfabrik noch den zweiten Preis.
Expansion während des ersten Weltkriegs
Der Ausstellungsbeitrag der Badischen Schrot- und Gewehrpfropfenfabrik war sehr interessant. Die Firma hatte aus Schrot, Pfropfen und Plomben den ganzen Stadtplan der Residenz Karlsruhe nachgebildet, im Hintergrund überragt von dem Schloss. "Hier wird mancher Besucher Halt machen", schrieb das Durlacher Wochenblatt.

Während des Ersten Weltkriegs expandiert das Unternehmen deutlich. Der Maschinensaal und das Laboratorium der Firma Gustav Genschow AG in Durlach, wie das Unternehmen inzwischen heißt, werden erweitert, und die Belegschaft wächst auf rund 700 Mitarbeiter an. Die Firma wirbt um Werkzeugdreher und Maschinenschlosser, die militärfrei sind, sowie um sogenannte Kriegsinvaliden zum sofortigen Eintritt und bei hoher Bezahlung.
Heimliche Aufrüstung in der Weimarer Republik
Genschow und die Firma Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) in Karlsruhe sind die beiden wichtigsten Munitionsfabriken in der Gegend und produzieren während des Kriegs rund um die Uhr. Die Firma stellt weiterhin Leute ein und beabsichtigt im Juli 1918, ein neues Fabrikgebäude auf dem Anwesen in Wolfartsweier zu bauen.
Durch die stark reduzierte Nachfrage an Munition nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Auflagen des Versailler Vertrags muss sich Genschow mit der Herstellung von Jagdwaffen sowie Jagd- und Sportmunition über Wasser halten.

Die Wiederaufrüstung und Wiederbewaffnung Deutschlands beginnen bereits heimlich während der Weimarer Republik. Die Reichswehrführung ergreift illegale Maßnahmen wie die Billigung einer Schwarzen Reichswehr. Es gibt geheime Rüstungspläne, um die Reichswehr neu aufzuziehen und sie mit Kriegsmaterial, einschließlich Flugzeugen, zu bestücken.
Gustav Genschow stirbt im Dritten Reich
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten findet ein intensiver Aufbau des Militärs und der Rüstungsindustrie statt. Ab 1933 wird die Gründung zahlreicher Rüstungsunternehmen in Deutschland unterstützt, und Genschow verzeichnet wieder gute finanzielle Ergebnisse. Die Firma hält auch Anteile an anderen Firmen wie der IG Farben in Frankfurt.

Im Juni 1940 stirbt Gustav Genschow im Alter von 79 Jahren. In Nachrufen und Todesanzeigen wird er vielfach gelobt: Gustav Genschow bleibt ein persönlich anspruchsloser Mensch. Er ist ein Pionier auf seinem Gebiet – und für seine Belegschaft ist er ein väterlicher Freund.
Wirtschaftsboom durch Zwangsarbeit
Während des Zweiten Weltkriegs boomt das Geschäft wieder, und das Unternehmen stellt mehr Personal ein. Die Genschow AG meldet für das erste Kriegsjahr 1939 wieder sehr positive Zahlen. Wie im Ersten Weltkrieg werden Kriegsbeschädigte und Männer, die vom Militär entlassen werden, gesucht. Der Zweite Weltkrieg macht die Fabrik wieder zu einem bedeutenden Rüstungsunternehmen, und bis zu 950 Arbeitskräfte werden hier beschäftigt, von denen bis zu 40% Zwangsarbeiter sind.

In Karlsruhe werden bis 1945 häufig Zwangsarbeiter in Rüstungsunternehmen eingesetzt. Mehrere Tausend Zwangsarbeiter arbeiten in Karlsruhe, vor allem in der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik (später IWK); insgesamt werden Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf elf Karlsruher Betriebe verteilt. Während die DWM 4.578 Leute beschäftigt, setzt Genschow & Co. 463 Zwangsarbeiter ein.
Stagnation nach dem zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg muss die deutsche Rüstungsindustrie auf Geheiß der Siegermächte ihren Betrieb einstellen. Firmenanlagen werden demontiert und zerstört. Zum Beispiel dürfen zehn Jahre lang keine Flugzeuge gebaut werden. Das Schicksal verschiedener Unternehmen im Stadtkreis Karlsruhe und die Zukunft der Wirtschaft in der Region stehen in dieser Nachkriegszeit auf der Kippe. Viele bedeutende industrielle Werke in und um Karlsruhe herum werden zu Reparationszwecken abgebaut – sie stehen auf der sogenannten Reparationsliste. Dazu gehören die Karlsruher Industriewerke (früher DWM) und die Gustav Genschow & Co.

Oberbürgermeister Veit betont, dass im Interesse des Erhalts der Lebensmöglichkeiten der Bevölkerung Vorkehrungen gegen den Abbau der Betriebe durch die Militärregierung getroffen werden müssen. Abgesehen davon, dass die Werke Arbeitsplätze für viele Mitarbeiter sind, sind sie auch die Kraftquellen, deren Produktion zur Einfuhr von Lebensmitteln beiträgt. Es geht hier um die Erhaltung der nackten Existenz unserer Stadt, heißt es. Karlsruhe droht der wirtschaftliche Ruin.
Neue Geschäftszweige für die Firma Genschow
Im August 1945 teilt die Firma Genschow der Stadtverwaltung Karlsruhe mit, dass sie die Fertigung im Werk noch nicht aufgenommen hat. Das Unternehmen ist noch mit Aufräumungs- und Instandhaltungsarbeiten beschäftigt. Während des Kriegs wurde rund 30% der bebauten Fläche, zirka 5.100 Quadratmeter, durch Fliegerangriffe ganz zerstört. Die Firma hat aktuell eine Belegschaft von 42 Leuten.

Genschow stellt im Oktober 1945 beim Military Government Baden einen Antrag auf die Produktion von Holz- und Metallartikeln und bis zu 2 Millionen Patronen monatlich zum Zweck der Viehschlachtung. Die Firma würde auch Teile für Fahrräder und Motorfahrzeuge produzieren. Auch im Januar 1946 beantragt Gustav Genschow & Co eine Betriebsanmeldung – die vorgesehenen Geschäftszweige sind landwirtschaftliche Maschinen, Baubeschläge, Konservendosen, Reibeisen, Schöpflöffel, Schlösser, Feuerzeuge, Viehschlachtpatronen.
Neue Munition in der BRD
Die amerikanische Militärregierung erteilt Genschow innerhalb gewisser Restriktionen eine Produktionserlaubnis und die Firma darf ab Juni 1946 landwirtschaftliche Spezialmaschinen produzieren. Alle betonierten Gebäude, Unterstände, Pulvermagazine und der Schiesstand wurden gesprengt, darunter auch die reinen Friedenszwecken dienende Schrotfabrik in Durlach (Zündhütle) und die Einrichtungen in Wolfartsweier zur Herstellung von Schrot und Viehschlachtpatronen. Damit fallen insgesamt ca. 50% der bebauten Fläche aus. Der Rest der Werke und Einrichtungen wurde für Reparationszwecke bereitgestellt.
Das Werk steht wegen seiner Zugehörigkeit zur Gustav Genschow & Co AG, die sich über die Dynamit AG, Troisdorf, in einer Interessengemeinschaft mit der IG Farben befindet, unter Vermögenskontrolle. Erst im Dezember 1947 wird die Firma Gustav Genschow & Co AG aus dem Verband der ehemaligen IG Farbenindustrie gelöst.

Nach der Staatsgründung am 23. Mai 1949 darf die Bundesrepublik selbstständig über die Wiederaufrüstung entscheiden, und bereits 1951 darf Munition produziert werden. Die Firma beginnt ab 1953 erneut mit der Herstellung von Bleischrot, wofür ein 40 Meter hoher Schrotturm errichtet wird. Dieser erhält den Namen "Zündhütle" und ist das einzige noch verbliebene und nun denkmalgeschützte Gebäude. Täglich werden bei Genschow in Wolfartsweier fünf Tonnen Schrot hergestellt. Ab 1954 gibt es bereits 50 Beschäftigte in der Firma.
Auftakt der Moderne
Genschow produziert ab 1956 Patronen für die Bundeswehr und für ausländische Polizei und Armeen, z. B. in Holland. Bei jedem Schritt der Produktion kontrolliert eine externe Bauaufsicht immer die Ware. Außerdem ist stets ein Vertreter der deutschen Bundeswehr dabei.

Das deutsche Wirtschaftswunder macht sich auch im "Zündhütle" bemerkbar. Der Betrieb expandiert und in den Jahren 1958 bis 1961 werden die alten Gebäude wieder umgebaut, modernisiert und erweitert, und neue Gebäude kommen hinzu.
Dynamit Nobel übernimmt Genschow
1963 übernimmt die Sprengstoff- und Munitionsfabrik Dynamit Nobel AG die Firma Genschow, erweitert und verbessert die Produktion. Die Fabrikation ist jetzt hochmodern, weitestgehend automatisch und wird elektronisch geprüft. Das Werk besteht nun aus 75 Gebäuden und Werksanlagen und umfasst nach der Übernahme durch Dynamit Nobel im Jahr 1972 eine Fläche von 108.216 Quadratmetern.

Jedoch beschließt die Dynamit Nobel AG 1972, den Betrieb nach Stadeln bei Fürth in Bayern zu verlagern, und das Werksgelände wird an die Wohnbau-Süd verkauft. Einige Gebäude werden abgerissen, aber der Zündhütle-Turm bleibt erhalten.
Das "Zündhütle"
Jetzt geht die 85-jährige Geschichte der Firma in Wolfartsweier zu Ende. Bis alles abgewickelt ist, verlassen Ende März 1972 die letzten Mitarbeiter das Unternehmen. Die Dynamit Nobel AG erwirbt das Gelände 1977 zurück, nachdem die Wohnbau-Süd Konkurs anmeldet, und reißt alle noch vorhandenen Gebäude ab. Im Jahr 1978 kauft die Stadt das geräumte Areal und plant das seit 1980 bebaute Wohnbaugebiet "Zündhütle".

"GECO Munition", wie die neue Firma nun heißt, produziert heutzutage unter strengster Qualitätskontrolle an Standorten in Deutschland, der Schweiz, Schweden und Ungarn. Es wird ein breites Produktsortiment an Jagd- und Sportmunition in allen möglichen Kalibern und Geschossvariationen angeboten, sowie eine Auswahl an Optikprodukten.