Granini, Atemgold und Rachengold – diese bekannten Bonbon-Marken wurden alle früher einmal in Karlsruhe produziert. Vor fast 20 Jahren wird der Betrieb in Karlsruhe geschlossen und die Firma, deren Ursprünge als Zuckerwarenfabrik bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, zieht in den Osten Deutschlands.

Heute werden die bekannten Produkte vom ursprünglichen Konkurrenten hergestellt und es bleibt lediglich zum Andenken eine Beschriftung an einer Hauswand am alten Firmengelände.

Die Erste Badische Dampfzuckerwarenfabrik

Im Jahr 1887 gründet der Bankkaufmann Adolf Speck die Erste Badische Dampfzuckerwaren- und Drageefabrik. Hierfür wird 1899 ein Fabrikgebäude auf dem Gelände Humboldtstraße/Ecke Tullastraße gebaut. Im Gegensatz zu später werden hier nicht nur Bonbons hergestellt – Speck vertreibt auch beispielsweise Backpulver von anderen Fabrikanten.

Karamellkocherei (ca. 1922, zumindest 1920er Jahre)
Karamellkocherei (ca. 1922, zumindest 1920er Jahre) | Bild: Stadtarchiv Karlsruhe 8/FA Ragolds 83/1:

Eine Werbung im Karlsruher Tagblatt von 1904 gibt bekannt: "Eine kluge Hausfrau lässt sich nicht durch marktschreierische Reklame blenden, sie prüft selbst – ein Versuch mit Monopol-Backpulver überzeugt sie, dass etwas Besseres nicht geliefert werden kann". Ein Rezept gibt es gratis dazu. Der Betrieb beschäftigt viele Mitarbeiter und bildet Lehrlinge aus.

Adolf Speck stirbt

Jedoch im Jahr 1914 stirbt Adolf Speck im Alter von 52 Jahren "nach schwerem und mit großer Geduld ertragenem Leiden" und das Unternehmen wird in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen Adolf Speck AG umfirmiert. Wegen eines Konkurrenzkampfes setzt die Rheinische Creditbank ihren eigenen Bankprokuristen Karl Schindler als Vorstandsmitglied der Badischen Dampfzuckerwaren- und Drageefabrik ein.

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Schindler übernimmt 1937 die Aktien des Unternehmens und somit geht die Firma in den Besitz der Familie Schindler über. Im Dezember des gleichen Jahres wird die Firma in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt und heißt jetzt Adolf Speck, Zuckerwarenfabrik Karlsruhe. Die Firma entwickelt ihr Sortiment nun in die Richtung, für die sie später bekannt wird – Halsbonbons.

Stand der Gefolgschaft am 15. Juli 1943
Stand der Gefolgschaft am 15. Juli 1943 (Ragolds-Fabrik). | Bild: Stadtarchiv Karlsruhe 8/FA Ragolds 91

"Bei Husten, Heiserkeit, Verschleimung nimmt man am besten sofort das wirksame Med.-Bonbon Halsfeger" wirbt sie 1938. Die Halsfeger kosten nur 40 Pfennig pro Beutel und sind in allen Apotheken erhältlich. Der Betrieb boomt weiterhin im Zweiten Weltkrieg und stellt kräftig Mitarbeitende ein.

Die Firma Rachengold

Der Bankprokurist Karl Schindler stirbt 1952 und seine Frau und seine Söhne übernehmen nun die Geschäftsleitung der Firma, die ab 1957 in Rachengold-Werk umbenannt wird.

Zwischen 1962 und 1974 gibt es ein neues Fabrikgebäude – mittlerweile sind zirka 280 Mitarbeiter im Betrieb beschäftigt. Das Unternehmen wird wieder zweimal umfirmiert – 1972 wird der Name in Rachengold GmbH & Co KG geändert und ab 1981 heißt es RAGOLDS Rachengold GmbH & Co KG. 1976 expandiert die Firma in die USA und gründet im nächsten Jahr die Ragolds Inc. in Chicago. Hier werden beispielsweise "Schokoladen-Pfefferminz-Bonbons" hergestellt.

Innovation und Erfolg

Trotz der Innovationen und Erfolge in den 1980er und 1990er Jahren gerät das Unternehmen zunehmend in Schwierigkeiten. Das Werk beschäftigt im Jahr 1986 bereits 360 Mitarbeiter und wird wieder umbenannt, diesmal in RAGOLDS GmbH & Co. In dieser Zeit werden die berühmten Granini-Fruchtbonbons entwickelt und in den 1990er Jahren enthält die Produktpalette Pfefferminz-, Frucht-, Erfrischungs- und Hustenbonbons.

Werbung für die Erste Badische Dampfzuckerwaren- und Drageefabrik
Werbung für die Erste Badische Dampfzuckerwaren- und Drageefabrik | Bild: Badische Presse 11.06.1905

Neben Granini sind die Kernmarken Atemgold, Gletscher Eis und Rachengold. Im neuen Millennium will das Unternehmen neue Märkte erschließen und die Produktionsabläufe optimieren. Aber bereits 2001 schreibt die Firma erstmals Verluste und scheint sich nicht mehr erholen zu können – die Konsumflaute und Produktionsprobleme sind offensichtlich die Hauptgründe dafür. Wegen der finanziellen Schwierigkeiten jedoch gibt die Firma, die inzwischen Ragolds Süßwaren GmbH heißt, 2003 den Außendienst auf und muss 30 Mitarbeiter entlassen.

Der Betrieb in Karlsruhe wird geschlossen

Im Mai 2005 gibt Ragolds auf einer Betriebsversammlung die Schließung der Betriebsstätte bis Ende des Jahres bekannt. Laut Meinung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sei nicht nur die stagnierende Lage auf dem Absatzmarkt verantwortlich für die Schließung des Betriebs, sondern Ragolds habe es jahrelang versäumt, zukunftsträchtige Investitionen zu tätigen.

Ragolds-Park mit Beschriftung an der Hauswand, Tullastraße
Ragolds-Park mit Beschriftung an der Hauswand, Tullastraße | Bild: Katherine Quinlan-Flatter

Die berühmten Hustenbonbons-Marken Atemgold und Rachengold werden an den Konkurrenten Storck verkauft, der ab 31. Dezember 2005 diese Produkte in sein Sortiment aufnimmt. Storck übernimmt jedoch kein Personal und keine Produktionsanlagen – an eine Komplettübernahme ist nicht gedacht. Ende 2005 wird Ragolds komplett geschlossen und das ehemalige Betriebsgelände wird zu einem Wohnpark mit dem Namen RAGOLDS-Park.

Neue Firma wird in Ostdeutschland aufgebaut

Nach der Schließung der Süßwarenproduktion übernimmt Oliver Schindler, der Nachfahre von Karl Schindler, den Namen und die Produktion und baut das Unternehmen an einem neuen Standort in Boizenburg, Mecklenburg-Vorpommern auf. Heute produziert Ragolds sowohl Gummi-, Husten- und Minzbonbons als auch Süßigkeiten in Gläsern und Reisedosen.

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