Der Werderplatz in der Karlsruher Südstadt rückt aktuell wieder mehr in den Fokus. Wie die Fraktion der Grünen im Gemeinderat bereits im April in einem Antrag beschrieb, häufen sich aktuell wieder Beschwerden der Anwohner über übermäßigen Alkoholkonsum und Lärmbelästigung. Über den Antrag berät am 17. Mai der Hauptausschuss.

"Ordnungswidrigkeiten und Straftaten nach wie vor an der Tagesordnung"

Auch die CDU-Fraktion meldet sich zum Thema zu Wort. In einer Pressemitteilung erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Müller: "Anwohner und Gewerbetreibende berichten immer wieder von den untragbaren Zuständen. Trotz bestehenden Verbots wird auf dem Werderplatz tagsüber weiterhin offen konsumiert. Vandalismus, Verunreinigungen, Lärmbelästigungen, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten sind nach wie vor an der Tagesordnung. Offensichtlich sind die bisher getroffenen Gegenmaßnahmen nicht mehr ausreichend."

Im März 2019 wurde das Alkoholverbot auf dem Werderplatz eingeführt.
Im März 2019 wurde das Alkoholverbot auf dem Werderplatz eingeführt. | Bild: Anya Barros

Dabei hatte sich die Situation direkt nach Einführung des Alkoholkosumverbots im Frühjahr 2019 eigentlich merklich verbessert. Davon sei jetzt allerdings nichts mehr zu spüren: Wie ein ka-news.de-Leser, der am Werderplatz wohnt, in einer E-Mail an die Redaktion schreibt, sei die Situation sogar noch deutlich schlimmer als von CDU und Grünen beschrieben. 

Anwohner beschreibt die Situation

"Der Kiosk ist seit Dezember verwaist und geschlossen, da sammeln sich die Menschen jetzt drumherum wie bei einer Trinkbude inklusive Schlägereien. Samstags ist es besonders schlimm, da geht es schon ab 8 Uhr los", schreibt er an ka-news.de. 

Auch die Ecke Werderstraße/Marienstraße werde von alkoholkonsumierenden Personen aufgesucht, um das Alkoholverbot auf dem Platz zu umgehen. Vor 11 Uhr sei der Indianerbrunnen der Treffpunkt der "Trinkbrüder und -schwestern", wie der Leser beschreibt.

Alkoholverbot am Werderplatz
Bild: Anya Barros

 

Als unmittelbare Folge seien die frisch sanierten Toiletten unterhalb des Brunnens regelmäßig stark verschmutzt und für die Allgemeinheit nicht nutzbar. In seiner Mail bittet der Leser die Redaktion darum, sich auch selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. 

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Und tatsächlich: Als ka-news.de am Mittwoch, 11. Mai, gegen 8.30 Uhr am Werderplatz ankommt, sitzen bereits vereinzelt Personen rund um den Indianerbrunnen. Immer mit dabei: eine Flasche oder eine Dose Bier. 

Ein Schild der Stadt Karlsruhe in unmittelbarer Nähe macht auf das ab 11 Uhr geltende Alkoholverbot aufmerksam. Bis zu 5.000 Euro Strafe drohen bei einem Verstoß. Auch ein Schild an der Wand der Johanniskirche spricht das Verbot an. "Keine Drogen, kein Alkohol, kein Dealen" steht dort geschrieben. 

ka-news.de vor Ort

Beim Spaziergang über den Platz wird klar: Das Areal rund um den Indianerbrunnen scheint der Haupttreffpunkt zu sein. Trotz vorhandener Kette werden die Stühle und Tische des Wirtshauses Wolfbräu zum Sitzen und Entspannen genutzt.

Werderplatz Karlsrhue
Bild: Carsten Kitter

Der Rest des Platzes wirkt am Morgen recht leer, vereinzelt machen Anwohner und Passanten ihre Einkäufe oder gehen zum Bäcker. Bereit für ein Gespräch über die Situation auf dem Werderplatz ist an diesem Tag niemand. 

Mehrere kleine Gruppen treffen sich

Gegen 9.15 Uhr haben sich dann mehrere Personen rund um den Brunnen versammelt. Eine Viergruppe, eine Dreiergruppe und eine Zweiergruppe reden, trinken Bier oder Wein und rauchen. Auch auf der Treppe eines Wettbüros gegenüber des Kiosks sitzen zwei Personen und konsumieren Alkohol.

Werderplatz Karlsrhue
Bild: Carsten Kitter

Jedoch fällt auf: Der Lautstärkepegel ist erhöht, liegt aber noch im Rahmen. Bepöbelt, angeschrien oder belästigt wird niemand. Auch eine extreme Verschmutzung ist nicht zu sehen. Die einzelnen Gruppen rund um den Kiosk werden von den Passanten aber genau beobachtet.

Als ka-news.de einen Tag später, diesmal am Nachmittag, auf den Platz kommt, scheint das Alkoholverbot nun aber umgesetzt zu werden: Gegen 14.45 Uhr sind keine Personengruppen auf dem Platz anzutreffen, ein einzelner Mann schläft am Indianerbrunnen, ein weiterer im Eingangsbereich vor einem Geldautomaten. Bier, Wein oder andere alkoholische Getränke sind keine zu sehen. 

Gruppe umgeht Alkoholverbot

Anders verhält sich die Situation jedoch an an der Ecke Werderstraße/Wilhelmstraße, dem westlichen Ende des Werderplatzes. Hier hat es sich eine Gruppe aus vier Männern und einer Frau auf einer kleinen Treppe gemütlich gemacht. Mehrere leere Flaschen Bier stehen auf dem Gehweg, alle aus der Gruppe haben eine weitere in der Hand. Es wird lautstark diskutiert. Passanten werden von der Gruppe nicht angesprochen.

Werderplatz Karlsrhue
Bild: Carsten Kitter

Auf der anderen Straßenseite weist währenddessen das Schild der Stadtverwaltung auf das bestehende Alkoholverbot auf dem Platz hin. Doch mit dem Schild endet beziehungsweise beginnt die alkoholfreie Zone. Mit ihrem Sitzplatz auf der anderen Straßenseite umgeht die Gruppe damit das angrenzende Alkoholverbot.

Polizei zeigt Präsenz

Neben ihr hält kurz darauf ein Streifenwagen, die Beamten fahren nach wenigen Augenblicken jedoch weiter auf den Werderplatz. Dort treffen sie auf einen offenbar obdachlosen Mann, der wohl ein Bier konsumierte. Nach kurzer Ansprache verlässt der Mann den Platz. Personalien werden keine aufgenommen. Es wird wohl bei der mündlichen Ansprache bleiben.

Donnerstagmittag: Eine Streife der Polizei Karlsruhe ist auf dem Werderplatz unterwegs.
Donnerstagmittag: Eine Streife der Polizei Karlsruhe ist auf dem Werderplatz unterwegs. | Bild: Carsten Kitter

Währenddessen werden die Beamten von einem Autofahrer angehupt: Der Streifenwagen parkt in dessen Weg. Es wird klar: Egal ob Obdachloser, Polizist oder Anwohner - die Nerven scheinen bei allen Beteiligten rund um den Werderplatz blank zu liegen. Doch wie konnte sich die Situation wieder so negativ entwickeln?

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"Ja, ich kann verstehen, dass sich die Menschen belästigt und gestört fühlen, doch viele der Personen auf dem Werderplatz machen es nicht absichtlich. Viele sind geistig krank und können nichts dafür", erklärt Anita Beneta von der Diakonie Karlsruhe. 

Die Bereichsleiterin für Soziale Arbeit leitet den Alkohol Akzeptierenden Aufenthaltsraum (A hoch 3) in der Ettlinger Straße unweit des Werderplatzes. Die "neuen alten" Probleme führt sie vor allem auf die Corona-Pandemie zurück.

Corona ist weiterhin zu spüren

"Auch wir mussten uns anpassen und schützen. Mussten ein Hygienekonzept entwickeln und durften nur noch deutlich weniger Menschen bei uns aufnehmen als im Normalfall", so Beneta im Gespräch mit ka-news.de.

Anita Beneta von der Diakonie Karlsruhe leitet den Alkohol Akzeptierenden Aufenthaltsraum in der Ettlinger Straße.
Anita Beneta von der Diakonie Karlsruhe leitet den Alkohol Akzeptierenden Aufenthaltsraum in der Ettlinger Straße. | Bild: Diakonie Karlsruhe

Hygienemaßnahmen wie Masken oder Plexiglasscheiben und die verringerte Aufnahmekapazität führten dazu, dass der Werderplatz mit Start der Pandemie wieder deutlich stärker frequentiert wurde und wird als noch vor Corona.

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"Als wir eine Woche geschlossen hatten, um alles umzustellen, wurde auch der Werderplatz sofort mehr frequentiert. Auch jetzt müssen wir uns noch an Hygienekonzepte halten, wir sind weiterhin in einer Pandemie", so Beneta.

Kapazitäten im A hoch 3 weiterhin begrenzt

Aktuell würden zwischen 17 und 25 Personen täglich den A hoch 3 aufsuchen. Meist seien dies Menschen vom Werderplatz. Aufgrund der Pandemie seien auch viele andere Beschäftigungsmöglichkeiten oder tagesstrukturierende Maßnahmen weggebrochen, erklärt die Bereichsleiterin.

Werderplatz Karlsrhue
Bild: Carsten Kitter

"Die Situation am Werderplatz ist während der Pandemiephase sehr schwer zu werten. Die Menschen sind frustriert, viele Termine sind ausgefallen oder fanden nur online statt", sagt Beneta. Sie rechne aber fest damit, dass, sobald die Pandemie weiter abflaut, sich auch die Situation am Werderplatz wieder deutlich verbessern werde.

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"Als 2019 die Maßnahmen eingeführt wurden, konnte man die Entlastung deutlich spüren. Die Ideen haben perfekt funktioniert. Durch die Corona-Maßnahmen hat sich die Situation aber wieder deutlich verschlechtert", bilanziert Beneta.

Am Mittwochmorgen ist dies der einzige größere Müllhaufen.
Am Mittwochmorgen ist dies der einzige größere Müllhaufen. | Bild: Carsten Kitter

Für weitere Ideen und Maßnahmen - wie sie beispielsweise die CDU  vorschlägt - zeigt sich auch Beneta offen. Die Fraktion will unter anderem eine räumliche Ausweitung des Alkoholverbotes ins Spiel bringen.

Wird das Alkoholverbot strenger?

"Neben dem Werderplatz wollen wir einen Teil der Werderstraße sowie die Marienstraße zwischen Luisen- und Schützenstraße in den Geltungsbereich aufnehmen", so Fraktionschef Detlef Hofmann in einer Pressemeldung. Auch über einen Antrag der CDU wird der Hauptausschuss am Dienstag beraten. 

"Das Alkoholkonsumverbot weiter auszudehnen ist schwierig. Eigentlich müssten alle Straßen um den Werderplatz alkoholfreie Zone werden", so Beneta hierzu. Um eine Ausdehnung des Verbotes rechtfertigen zu können, müsste ein Zusammenhang zwischen den Straftaten und dem Alkohol- oder Drogenkonsum hergestellt werden. "Probieren kann man es und ich halte es auch als sinnvoll."

Detlef Hofmann (CDU, Listenplatz 4).
Detlef Hofmann (CDU, Listenplatz 4). | Bild: CDU Karlsruhe

Und auch zeitlich will die CDU-Fraktion das Alkoholverbot am Werderplatz erweitern: Von montags bis samstags soll jeweils zwischen 10 und 20 Uhr das Trinken rund um den Indianerbrunnen verboten werden.

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Für Anita Beneta reicht das jedoch noch nicht. Ihrer Meinung nach wäre ein Verbot schon ab acht oder neun Uhr sinnvoll. Gleichzeitig sollten aber auch die Öffnungszeiten des A hoch 3 zeitlich angepasst werden. Aktuell sei der Aufenthaltsraum von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

"Wir sind in einer besseren Situation"

"Wenn wir schließen, gehen die Leute zurück an den Werderplatz und wenn wir beispielsweise länger als 18 Uhr geöffnet hätten, würden die Leute nicht zurück auf den Platz gehen", meint Beneta. Die aktuellen Öffnungszeiten wurden in der damaligen Arbeitsgruppe erarbeiten und sollten nun neu evaluiert werden.

Werderplatz Karlsrhue
Bild: Carsten Kitter

Doch egal welche Maßnahmen getroffen werden: "Wir sollten nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht, die Hilfe brauchen. Natürlich sind auch sie für ihr Verhalten verantwortlich und sollten keine Menschen terrorisieren, aber viele sind psychisch krank, bekommen keine medizinische Betreuung oder haben ihr Leben aufgegeben", sagt Beneta.

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Den Bürgern und der Politik rät sie: "Wir sind in einer besseren, rationaleren Situation, um für diese Menschen gute und menschenwürdige Entscheidungen zu treffen. Sie können es nämlich nicht mehr."