In der Karlsruher Kriegsstraße 76 befindet sich ein Raum, den es zwischen Basel und Frankfurt kein weiteres Mal gibt: einen sogenannten Drogenkonsumierraum. Hier können schwer abhängige Menschen unter der Obhut von geschulten Mitarbeitern und der Nutzung von sterilem Equipment "harte Drogen" konsumieren. 

"Die Drogenhilfe in Karlsruhe gilt in Baden-Württemberg als Vorreiter"

Damit soll diesen Menschen ein Rückzugsort fernab der Straße geboten und Überdosierungen präventiv vorgebeugt werden. Doch bis der Raum im Dezember 2019 seine Pforten öffnen konnte, war es ein langer Weg. 

Alkoholverbot am Werderplatz
Am Indianerbrunnen führt eine Treppe hinab zu den Toiletten des Werderplatzes. (Archivbild) | Bild: Anya Barros

Begonnen habe alles vor ein paar Jahren mit einer Bürgerversammlung in der Südstadt. Im Fokus: Der Werderplatz, bekannt als "Hotspot" der Drogen und Alkoholszene von Karlsruhe. Besonders die unterirdischen Toiletten wurden und werden hier häufig als "Druckraum" benutzt, was wiederum zu Beschwerden seitens der Anwohner führte.

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Unter Oberbürgermeister Frank Mentrup gründete sich nach dem Treffen die "Arbeitsgemeinschaft Werderplatz", bestehend aus Mitgliedern verschiedener Bereiche. Darunter:  Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD), die Arbeiterwohlfahrt (AWO), das Amt für Abfallwirtschaft (AfA) und das Diakonischen Werk. Daraus entwickelte sich dann Stück für Stück die Idee des Drogenkonsumraumes heraus, der für Süchtige aus ganz Karlsruhe offenstehen sollte.

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
Bild: Hammer Photographie

"Die Drogenhilfe ist in Karlsruhe sehr gut aufgestellt und gilt in Baden-Württemberg in vielerlei Hinsicht als Vorreiter. Die Idee, das Gesamtangebot der Drogenhilfe durch einen Drogenkonsumraum zu ergänzen, fand bei allen mit der Thematik befassten Institutionen und Gremien der Stadt ein positives Echo", erzählt Petra Krauth, Leiterin der von der AWO Karlsruhe gemeinnützige GmbH betriebenen Anlaufstelle für Drogengebraucher "get IN" und des Drogenkonsumraums "K76".

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Allerdings, so das Leitungsteam, habe anfänglich die nicht vorhandene Landesverordnung von Baden-Württemberg eine große Hürde dargestellt.

Transparenz steht an oberster Stelle

"Es war eine Menge Geduld gefragt. Es sollte rund drei Jahre dauern, bis eine entsprechende Landesverordnung in Kraft trat und das Projekt an den Start gehen konnte. Mit dem einstimmigen Beschluss des schwarz-grünen Landeskabinetts im März 2019 war der Weg für die landesweite Premiere frei.

Der Karlsruher Gemeinderat hatte sich bereits im April 2018 einstimmig zu dem Projekt bekannt und damit nach dem Karlsruher Modellversuch zur heroingestützten Behandlung einen weiteren Schritt in Richtung fortschrittlicher Drogenpolitik vollzogen", ergänzt Eric Kramer, stellvertretender Leiter der Einrichtung.

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
Blick von außen auf die Eingänge des "get INs" und des "K76". Letzterer ist in einem ehemaligen Lagerraum des "get IN"s untergebracht. | Bild: Hammer Photographie

Kurz nach dem "Ok" durch die Landesregierung konnte dann mit dem Ausbau des K76 begonnen werden, welcher in den Lagerräumen des "get IN" sein Zuhause fand. Letzteres gilt seit 1994 als Anlauf- und Kontaktstelle für Drogengebraucher und ist Bestandteil des integrierten Gesamtkonzepts der Drogenhilfe der Stadt Karlsruhe. Dementsprechend ist die Anlaufstelle auch bei den Konsumenten und bei den Behörden bereits bekannt. 

Drogenkonsumierraum K 76 und Get in Karlsruhe
Blick ins Innere des "K76" | Bild: Verena Müller-Witt

Ein Grund mehr, dass das Projekt überhaupt starten konnte? Laut den Betreibern definitiv ja. "Die sehr enge, zielführende Zusammenarbeit innerhalb des bestehenden Karlsruher Drogenhilfesystems sowie mit den Kooperationspartnern AWO Karlsruhe als Betreiberin des Drogenkonsumraums, der Stadt Karlsruhe, der Drogenbeauftragten der Stadt, dem Kommunalen Ordnungsdienst, der Polizeibehörde und der Oberstaatsanwaltschaft ist ein wichtiger Garant für den Erfolg des Projektes", betont das Leitungsteam. 

Öffnet der Raum bald auch am Wochenende?

Jetzt nach zwei Jahren "Probezeit" darf der Drogenkonsumierraum weiter betrieben werden - mit einem Zuschuss von 200.000 Euro jährlich. Dazu hatte der Karlsruher Gemeinderat am 19. Oktober einstimmig grünes Licht gegeben, wodurch auch für andere interessierte Städte in Baden-Württemberg - beispielsweise Stuttgart und Mannheim - quasi der Weg geebnet wurde. 

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
Die Konsumierenden erhalten vor Ort steriles Equipment. | Bild: Hammer Photographie

Aktuell sind für den Drogenkonsumraum 150 Personen registriert, insgesamt wurde der Raum zirka 2.500 Mal zum Konsumieren aufgesucht. Fünf Mal konnten Menschenleben durch das Eingreifen der Mitarbeiter gerettet werden. Des Weiteren sollen seit der Eröffnung des Raumes deutlich weniger Spritzen aufgefunden worden sein.

Kurzum: Das Prinzip der Safer-Use-Strategie wird von den Bedürftigen gut aufgenommen. Doch wie geht es für den Karlsruher Konsumraum nun weiter? Jetzt, nachdem bekannt wurde, dass dieser in der Kriegsstraße bleiben darf? Zuletzt wurde nämlich im Gemeinderat der Wunsch geäußert, dass der Raum auch sonntags öffnen solle. 

"Eine feste Institution der Drogenhilfe"

"Die einstimmige, Fraktionen übergreifende Entscheidung des Gemeinderates zur Weiterführung des K76 ist auch eine wichtige Anerkennung für unsere Arbeit und die Arbeit der AWO als Träger“, so Petra Krauth im Gespräch mit ka-news.de.

Drogenkonsumierraum K 76 und Get in Karlsruhe
An diesen vier Plätzen können die Drogen hygienisch konsumiert werden. | Bild: Verena Müller-Witt

"Aus dem Pilotversuch kann nun eine feste Institution der Drogenhilfe in Karlsruhe verankert werden. Für die Zukunft könnte dies auch bedeuten, die Ergebnisse des laufenden Betriebes in weitere Entwicklungsstufen zu ergänzen, wie zum Beispiel durch Öffnungszeiten auch am Wochenende".

Eric Kramer ergänzt: "Für uns war es aber erst einmal das Wichtigste, dass das Projekt weiterlaufen kann. Die Landesverordnung wäre sonst am 31. März 2022 außer Kraft getreten."

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