Es ist gerade mal wenige Minuten her, dass die Kontakt- und Anlaufstelle get IN geöffnet hat, und schon ist auch die erste Besucherin an diesem Tag hier, samt kleinem Hündchen. Sie ist nur eine von den täglich 30 bis 40 Besuchern, die im vergangenen Jahr die Anlaufstelle der AWO Karlsruhe besucht haben. Seit 1994 gibt es die Einrichtung in der Kriegsstraße, die niedrigschwellig und akzeptierend arbeitet. Heißt: Reinkommen und da sein. Ganz unkompliziert und ohne Termin. Für viele Drogengebraucher ist der Kontaktladen eine Art Wohnzimmer geworden. Hier finden sie Austausch, Rückzug und Unterstützung durch die Sozialarbeiter Petra Krauth und Eric Kramer.

Die Ziele des get IN sind Schadensminimierung, Überlebenshilfe und Gesundheitsförderung in der Lebensphase, in der die Besucher Drogen konsumieren. Daher können hier Drogenabhängige ihre gebrauchten Spritzen und Nadeln auch gegen neue tauschen. So sollen HIV- und Hepatitisansteckungen eingedämmt werden. "Jede Spritze, die bei uns getauscht wird, liegt nicht draußen auf der Straße", sagen die beiden im Gespräch im ka-news. So hat das get IN auch aus ordnungspolitischer Sicht eine wichtige Aufgabe.
Hilfe in allen Lebenslagen
Das sieht man auch an den Zahlen: Im vergangenen Jahr wurden über 37.120 Spritzen und 40.800 Nadeln getauscht. Das get IN ist täglich geöffnet, nur sonntags ist geschlossen. Wer dann seine Nadeln und Spritzen tauschen möchte, kann das trotzdem machen. Vor dem Haus hängt unauffällig ein Automat. Hier gibt es auch einen Einwurf für gebrauchte Spritzen und Nadeln. Damit ist die hygienische Entsorgung auf jeden Fall gewährleistet.
Wer die Anlaufstelle auf der Kriegsstraße betritt, steht direkt im Cafébereich, und hier gibt es schon den ersten Kontakt zu den beiden Sozialarbeitern. Täglich wird frisch gekocht und die Besucher können ein warmes Mittagessen bekommen, oder auch nur ein belegtes Brötchen. Es gibt aber die Möglichkeit zum Wäschewaschen und Duschen. Auch eine kleine Kleiderkammer ist vorhanden.
Das sind aber nicht die einzigen Angebote im Kontaktladen der AWO Karlsruhe. Die Besucher des get IN können jederzeit Beratungsgespräche mit den Sozialarbeitern in Anspruch nehmen. Hier gibt es Hilfe, Begleitung und Unterstützung in bei den - mal kleinen, mal großen - Problemen des Alltags. Konkret heißt das: Hier bekommen sie Einzel- und Paarberatungen, Krisenintervention, Streetwork, Vermittlung in weiterführende Hilfen und natürlich auch Entgiftungs- und Therapievermittlung.

Die Sozialarbeiter kennen ihre Besucher seit Jahren
Eric Kramer und Petra Krauth kennen ihre Besucher teilweise seit Jahren. "Sie schätzen die Einrichtung, wir bekommen öfter zu hören, dass es toll ist, dass es uns gibt", sagt Petra Krauth im Gespräch mit ka-news. Dabei fällt das Wort Wertschätzung immer wieder.
"Das Szeneleben ist hart, weshalb wir großen Wert darauf legen den Menschen mit Freundlichkeit und Wertschätzung zu begegnen", sagt die Sozialarbeiterin. "Jeder der reinkommt, wird von uns persönlich begrüßt und wenn er geht verabschiedet." Und Eric Kramer ergänzt: "Bei uns ist jeder volljährige Drogenkonsument willkommen, egal mit welcher Problemlage er sich an uns wendet!" Sie müssen sich nur an die drei Grundregeln der Einrichtung halten: kein Drogenkonsum, kein Drogenhandel und keine Gewalt! Sonst droht ein Hausverbot - und das sei für manchen Besucher die Höchststrafe.

"Hier werden wir mit allem konfrontiert"
Etwa 90 Prozent der Besucher sind Männer, lediglich etwa zehn Prozent Frauen. Die meisten sind zwischen Mitte 30 und Mitte 40. Die jüngste Besucherin ist Anfang 20, der Älteste über 60. Die Probleme reichen von erlebter körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt über Krankheit, Tod, soziale Vereinsamung und Perspektivlosigkeit. "Man wird mit allem, was das Leben zu bieten hat, konfrontiert. Deshalb ist es für die Arbeit hier wichtig, eine hohe professionelle Distanz zu wahren", sagt Petra Krauth, die seit 17 Jahren im get IN der AWO Karlsruhe arbeitet. Doch trotz aller Professionalität der beiden Sozialarbeiter – so manches Schicksal berührt sie doch. "Sonst wären wir ja auch keine Menschen, wenn das nicht so wäre", sagt Eric Kramer.
Inzwischen ist es kurz nach Mittag, das get IN hat sich gefüllt, es gibt Mittagessen. Heute Spaghetti Bolognese. Petra Krauth und Eric Kramer stehen hinter der Theke und kommen mit den Besucher ins Gespräch. Trotz des ernsten Hintergrunds herrscht eine angenehme und gemütliche Atmosphäre. Dann geht die Tür erneut auf, der Besucher geht direkt auf die Sozialarbeiter zu: Er braucht Unterstützung in einem dringenden Anliegen. Ein Brief an das Jobcenter muss geschrieben werden. Eric Kramer steht auf und die beiden gehen nach hinten ins Büro. Ein ganz normaler Tag im Karlsruher Kontaktladen get IN beginnt...
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