Rauschgiftkriminalität ist ein immer größer werdendes Problem: In den vergangenen acht Jahren stiegen die Straftaten kontinuierlich an. Im Jahr 2018 wurden alleine im Bundesland Baden-Württemberg fast 50.000 Fälle von der Polizei erfasst. Der mit Abstand häufigste Gesetzesverstoß: Besitz und Erwerb illegaler Drogen.

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Der Besitz illegaler Drogen - selbst wenn sie nur den Eigenbedarf decken - ist eine Straftat. | Bild: pixabay.com

Vor diesem Hintergrund scheint es auf den ersten Blick bizarr: In Karlsruhe hat vor rund einer Woche der erste Drogenkonsumraum eröffnet. Abhängige können selbst mitgebrachte "harte" Drogen hier unter Aufsicht eines Krankenpflegers und einer Sozialarbeiterin konsumieren.

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Raum soll Abhängigen helfen

Das Ziel: Drogenkonsumenten von der Straße zu holen und den Abhängigen mit dem Angebot zu helfen. Sie bekommen dort saubere Spritzen und Nadeln, so soll das gesundheitliche Risiko und die Zahl der Todesfälle reduziert werden. 

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
Bild: Hammer Photographie

Doch der Drogenkonsumraum stellt die Polizei vor einen großen Widerspruch: Denn ihre Aufgabe ist es, Straftaten zu verhindern. Und der Besitz von illegalen Drogen - ist die Menge noch so gering - stellt laut dem Betäubungsmittelgesetz eine Straftat dar:

Auszug aus § 29 Betäubungsmittelgesetz

"Mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...] Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein."

Auch der Besitz illegaler Drogen für den Eigenkonsum ist - entgegen des weit verbreiteten Irrtums - nicht erlaubt. Selbst das Besitzen einer kleinen Tüte Cannabis steht unter Strafe. Grund für den Irrtum: In vielen Fällen werden die Verfahren eingestellt, wenn der Angeklagte nur geringe Mengen an Drogen mit sich führt.  

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
In Karlsruhe hat der erste Drogenkonsumraum Baden-Württembergs eröffnet. | Bild: Hammer Photographie

Wie kann der Drogenkonsumraum legal sein?

Doch wie kann ein Drogenkonsumraum vor dieser rechtlichen Ausgangslage nun legal sein? Ganz einfach: Es gibt eine Ausnahme. Das Betäubungsmittelgesetz (§31a) erlaubt den Besitz von Drogen, wenn der Besitzer sie für den Eigengebrauch innerhalb eines Drogenkonsumraumes mit sich führt.

Auszug aus § 31a Betäubungsmittelgesetz

"Von der Verfolgung soll abgesehen werden, wenn der Täter in einem Drogenkonsumraum Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch [...] in geringer Menge besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis zu sein."

Doch hier wird es kurios: Denn das Konzept des Drogenkonsumraumes besagt, dass die Konsumenten ihre Drogen selbst mitbringen müssen. Im Inneren ist der Besitz der Drogen also keine Straftat, bevor sie den Raum betreten aber schon.

"Wir könnten uns natürlich vor die Türe stellen", sagt Caren Denner, Polizeipräsidentin des Präsidiums Karlsruhe, im Gespräch mit ka-news.de. "Aber wir wissen auf der anderen Seite auch, dass es auch sinnvoll ist, dass drogenabhängige Menschen in einem geschützten Raum konsumieren können."

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
Caren Denner, Polizeipräsidentin in Karlsruhe, im Gespräch mit ka-news.de. | Bild: Hammer Photographie

Widerspruch Drogenkonsumraum?

Theoretisch ist die Polizei verpflichtet, allen Straftaten nachzugehen, sobald sie Kenntnis davon erhält - das besagt das sogenannte "Legalitätsprinzip". Praktisch würde genau das aber die Ziele des Drogenkonsumraumes unmöglich machen.

Auszug aus § 163 der Strafprozeßordnung 

"Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anforderungen zu treffen, um die Verdunklung der Sache zu verhüten."

Wie geht die Polizei mit diesem Widerspruch um? "Es wird nicht einfach sein, wir haben in diesem Bereich noch keine Erfahrungen", sagt Polizeipräsidentin Denner. "Klar muss auf jeden Fall sein, dass im Umfeld des Drogenkonsumraums kein rechtsfreier Raum entsteht."

In Karlsruhe eröffnet der erste Drogenkonsumraum
Hier bekommen die Anhängigen sauberes Besteck ausgehändigt, dass sie nach dem Gebrauch wieder abgeben. | Bild: Hammer Photographie

Gute Zusammenarbeit ist gefragt

Von einer "Grauzone" spricht auch das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg, das im vergangen März mit einer entsprechenden Verordnung den Drogenkonsumraum überhaupt erst ermöglicht hat. Auf der einen Seite wolle man die gesundheitspolitischen Ziele erreichen, auf der anderen Seite "muss man auch verhindern, dass sich um den Raum eine Drogenszene etabliert," so Sprecher Pascal Murmann auf Nachfrage von ka-news.de.

Es sei ein Spannungsfeld zwischen Straftaten und der damit verbundenen Arbeit der Polizei und "geduldetem Konsum".  Über eines sind sich alle Seiten - sowohl Polizei, als auch Staatsanwaltschaft und der Träger AWO - allerdings einig: Alle Beteiligten müssen gut zusammenarbeiten, damit der Drogenkonsumraum den Abhängigen auch wirklich helfen kann.