"Die Enthüllung des Indianerbrunnens auf dem Werderplatz brachte gestern ungeheures Leben in die Südstadt", schreibt die Zeitung Badische Presse am 12. Oktober 1927. Am Tag davor wurde am Werderplatz ein merkwürdiger Marktbrunnen enthüllt. Auf der Säule in der Mitte des Brunnens gibt es einen Januskopf mit zwei Gesichtern.
Enthüllung ist ein Schauspiel
Das ernste Gesicht eines Sioux-Indianers schaut auf der einen Seite zur Johanniskirche hin und hinter ihm blickt das freundlich lächelnde Gesicht des Stadtbaudirektors Friedrich Beichel – mit Indianer Kopfschmuck bekleidet – auf das Wirtshaus "Wolfbräu."

Vor allem bei der Jugend ist am Tag der Enthüllung der Andrang am Brunnen so groß, dass die Arbeiter kaum ihre Arbeit machen können und erst am späten Abend fertig werden. Eine "gewaltige Masse" hat sich bis dahin angesammelt und es gibt ein "bengalisches Feuerwerk" – ein Effekt, der zur Beleuchtung von Statuen und Büsten eingesetzt wird. Ein als Indianer verkleideter Südstädtler hält die Enthüllungsrede und die ganze Feier trägt, wie der Brunnen selbst den Stempel eines Witzes.
Trotz der Heiterkeit und Belustigung beim Enthüllungsfest des Indianerbrunnens wurde die Errichtung des Brunnens in der Südstadt lange nicht gewollt. Ursprünglich sollte der Brunnen eine 1924 geplante öffentliche Toilettenanlage decken, die aus technischen Gründen etwa einen Meter aus dem Boden ragt.
Bürger fühlen sich beleidigt
Im traditionellen Stil eines Marktplatzbrunnens will Stadtbaudirektor Beichel eine Brunnenfigur für das Podest haben. Auf humorvolle Weise entscheidet er sich für eine Indianerfigur, da die Südstädtler – ein Viertel von Arbeitern, Handwerkern und Gewerbetreibenden – im Volksmund “Südstadtindianer“ genannt werden.

Dies ist wahrscheinlich eine Anspielung auf die Cowboy- und Indianerbegeisterung in der Südstadt, die Ende des 19. Jahrhunderts beginnt und zur Gründung mehrerer Indianervereine führt. Anlass dazu soll die "Wild-West-Show" von "Buffalo Bill" (Frederic Cody) sein, die 1896 auf der Schützenwiese ein Gastspiel gibt und für längere Zeit in der Nähe des Südstadtviertels lebt.
Doch manche Südstädtler empfinden die Titulierung "Südstadtindianer" als Schimpfwort und Bewohner anderer Stadtteile führen den Spitznamen auf die rotgeschwitzten und verschmierten Gesichter der Arbeiter zurück. "Man kann den lustigen Einfall des Stadtbaumeisters nur begrüßen", schreibt das Karlsruher Tagblatt, das am 9. März 1924 den ursprünglichen Entwurf der Brunnenfigur veröffentlicht und bemerkt ironisch, "Es ist bekannt, dass im Süden unserer guten Stadt Indianer wohnen."
Die "Volksseele kocht"
Aber eine Woche später schreibt die gleiche Zeitung, dass "die Volksseele", in der Südstadt "zum Kochen" gebracht wurde und es gibt heftige Proteste gegen die Errichtung dieser ungewöhnlichen Skulptur. Bei einer Umfrage sind angeblich 3.000 der 11.000 Befragten in der Südstadt gegen die Verwirklichung einer Indianerfigur am Brunnen.

In einer Notsitzung der Bürgergesellschaft der Südstadt heißt es, "Wir wollen kein Indianerdenkmal auf dem Werderplatz. Man fasst die Sache nicht als Scherz auf, sondern als einen Versuch, die 20.000 Einwohner der Südstadt als minderwertig und zurückgeblieben zu verzeichnen."
Aber Stadtbaudirektor Beichel gibt nicht auf. Die Toilettenanlage und der Brunnentrog werden am 14. Juli 1925 eröffnet, ohne Indianerfigur. Plötzlich fängt die Zahl der Indianergegner an zu fallen. Man nennt den Brunnen "Indianerbrunnen", obwohl weit und breit noch kein Indianer zu sehen ist. Und dann kommt sozusagen "der Hammer": Der bekannte und angesehene Speditionsinhaber Hubert von Steffelin errichtet auf seinem privaten Grundstück in der Baumeisterstraße auch einen Indianerbrunnen.
Steffelins Unternehmen ist seit den 1870-er Jahren Hofspedition und Brennstoffhandlung. Auf seinem Betriebsgelände hinter dem Bahnhof entstehen Schuppen und Ställe. Der vordere Teil des Grundstücks, der zur Straße schaut, bleibt vorerst unbebaut. Hier lässt Steffelin 1925 eine Reihe Garagen errichten und baut eine Schaufassade davor.

Hier entsteht im Herbst 1925 zur Straße hinausblickend, eine kleine Brunnenanlage mit einem schön gestalteten Indianerkopf. Der Entwurf ist von Otto Feist, Lehrer an der Landeskunstschule. Bildhauer Fritz Schoch führt die Steinmetzarbeiten durch. Der Anlass für die Errichtung dieses Indianerbrunnens ist eindeutig der Streit um den geplanten Brunnen am Werderplatz.
Heute steht der Brunnen unter Denkmalschutz
Mit seinem kleinen Brunnen zeigt Steffelin, dass er über diese Haltung spottet. Das trägt zur Unterstützung der Pläne von Beichel bei, den Indianer am Werderplatzbrunnen doch zu platzieren. Nachdem der Widerstand sich beruhigt hat, erhält der Bildhauer August Meyerhuber den Auftrag zur Ausführung der Skulptur.

Dabei muss er sich an Beichels Angaben halten und seine humorvolle Idee umsetzen. Am 11. Oktober 1927 wird die Skulptur enthüllt und es ergibt sich ein spontanes Volksfest, an dem kein offizieller Vertreter der Stadtverwaltung teilnimmt.
Dabei werden die beiden Gesichter von den Südstädtler so interpretiert: Der Indianer blickt nur deshalb ernst und traurig, weil er auf die Kirche schaut, während der Stadtbaudirektor sich darauf freut, ein Bier eingeschenkt zu bekommen. Heute ist der Brunnen Bestandteil des Südstadtwappens und steht unter Denkmalschutz.
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