"Grundsätzlich kann ich selbstverständlich verstehen, dass grundlegende Neuerungen zuerst einmal Verunsicherung bei vereinzelten Fahrgästen hervorrufen. Aus unserer Sicht handelt es sich bei den Änderungen aber um sinnvolle Maßnahmen", schreibt Alexander Pischon, Geschäftsführer der Karlsruher Verkehrsbetriebe (KVV), in einem schriftlichen Statement an die Redaktion von ka-news.de. Doch was war passiert? Warum gibt es Verunsicherung bei KVV-Kunden?
Was bisher geschah
Rückblick: Beim Karlsruher Verkehrsverbund möchte man neue Wege gehen und das Angebot weiter digitalisieren. So wurden im Jahr 2021 neue Ticketmodelle eingeführt, während zeitgleich alte, traditionelle Modelle schrittweise eingestellt wurden.

So wurde im August bekannt, dass die Vierertickets aufgrund geringer Nachfrage nicht mehr angeboten werden. Kritik gab es dafür unter anderem von der FDP-Fraktion aus dem Karlsruher Gemeinderat.
Rund drei Monate später dann der nächste Paukenschlag. Der KVV verkündet, dass ab Dezember die Stempelautomaten in den Bahnen nach und nach ausgebaut werden und ab Mitte Dezember nur noch Tickets zum sofortigen Fahrtantritt verkauft werden. Das Echo in Karlsruhe war enorm und in den sozialen Netzwerken gab es deutliche Kritik an den Plänen des KVV.
Kritik ebbt nicht ab
Da half es auch nicht, dass mit "KVV.homezone" und "KVV.luftlinie" zwei neue (ausschließlich digitale) Tarife in das Angebotsportfolio aufgenommen wurden. Der Unmut der Karlsruher war groß, doch KVV-Geschäftsführer Alexander Pischon stand weiter zu den geplanten Änderungen, musste später aber einräumen, dass man die Änderungen besser hätte kommunizieren können. Zusätzlich startete der KVV mit eigenen Schulungen für Senioren, um das neue digitale Ticketkonzept zu erklären.

Doch trotz aller Verteidigung und Schulungen: Die damalige Kritik ebbt auch Monate später kaum ab, wie mehrere E-Mails und Leserbriefe an die Redaktion von ka-news.de belegen.
So schreibt beispielsweise ka-news.de-Leser Carl Classen aus Karlsruhe an die Redaktion und an die KVV-Geschäftsführung: "Die jüngsten Tarif-Umstellungen der KVV sowie der Abbau von Fahrkarten-Automaten in S-Bahnen sind ärgerlich und kundenunfreundlich. Sie entsprechen nicht der sozialen Verantwortung eines regionalen ÖPNV-Unternehmens."
Die neuen Ideen? "Ein Unding"
Seiner Ansicht nach möchte der KVV seine Kunden dazu zwingen, Tickets nur noch über das Smartphone zu buchen. "Ein Unding." Dabei würden vor allem Senioren und Personen ohne Smartphone durch "den Service Abbau" diskriminiert. Insgesamt bilanziert Classen einen "massiven Service-Abbau ohne angemessene öffentlich Diskussion" und fragt sich: "Wie ist so etwas möglich?"

Doch neben dem Abbau der vorhandenen Ticketstruktur gibt es auch Kritik am digitalen Angebot des KVV. So berichtet Ulrich Hohmann aus Münzesheim im Kraichtal in einer Mail an die Redaktion und die KVV-Spitze von Problemen mit der kvv.regiomove-App.
Außerdem stellt er fest, dass "der KVV sich sehr weit aus dem Fenster lehnt, wenn es darum geht, die Fahrkartenautomaten abzuschaffen und alles auf digital umstellen zu wollen - dabei aber absolut beratungsresistent gegenüber Einwänden und Bedenken von zum Beispiel Ortsseniorenräten ist. Kundenfreundlichkeit sieht anders aus."
Auch in Pfinztal ist man über das Verhalten des KVV nicht glücklich
Dabei ist Münzesheim nicht der einzige Ort über die Stadtgrenzen Karlsruhes Hinweg, wo die KVV-Pläne auf Unmut stoßen. Zuletzt beschäftigte sich auch der Pfinztaler Gemeinderat in seiner Sitzung am 1. Februar mit den neuen Ideen und der Abschaffung der Stempelautomaten. Laut einem Bericht der "Badischen Neuesten Nachrichten" (BNN) spricht sich der Gemeinderat in Pfinztal klar für den Erhalt der Stempelautomaten und der alten Tickets aus.

"Der Pfinztaler Gemeinderat fordert den KVV auf, nicht entwertete Fahrscheine auch nach dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember vergangenen Jahres auszugeben. Der Verzicht auf die nicht entwerteten Fahrscheine erschwert älteren Mitbürgern/innen und Kindern die Nutzung des ÖPNV in einem nicht zu tolerierenden Ausmaß", heißt es in der Tageszeitung.
Was sagt der KVV?
Die Redaktion von ka-news.de konfrontiert die KVV-Chef Alexander Pischon mit der Kritik aus Karlsruhe und Umgebung. Schriftlich widerspricht den Schilderungen von ka-news.de-Leser Carl Classen nach "Senioren diskriminierenden Maßnahmen" und erklärt, dass "uns selbstverständlich sämtliche Kunden-Gruppen sehr wichtig sind."

Entsprechend trage der KVV seiner Kundenvielfalt Rechnung, in dem jeder Fahrgast weiterhin selbst die Möglichkeit habe zu entscheiden, ob er seine Fahrt mit einem bereits entwerten Ticket oder der entsprechenden digitalen Variante antreten wollen würde. Auch gebe es weiterhin Papierfahrscheine zu erwerben, mit denen man seine Fahrt antreten könne.
Weiter heißt es vom KVV-Chef: "Selbstverständlich nehmen wir die Anregungen zur Weiterentwicklung aus den verschiedenen Interessengruppen bezüglich unserer Vertriebsstrategie stets gerne an und beziehen diese in unsere weiteren Überlegungen mit ein. Kundenfreundlichkeit ist stets eine entscheidende Prämisse unseres Handelns."
Rückendeckung aus dem Rathaus
Pischon betont, dass sowohl die digitalen als auch die analogen Vertriebswege weiterhin attraktiv und kundenfreundlich seien – hieran habe sich auch durch die Umstellung in einzelnen Bereichen nichts geändert. Zudem biete der KVV ein umfangreiches Informations- und Schulungskonzept rund um unsere Tarifwelt für alle Fahrgäste an.
Eine 180-Grad-Kehrwende wird es beim KVV - trotz der weiterhin lauten Kritik - also wohl nicht geben. Rückendeckung gibt es hierfür auch aus dem Karlsruher Rathaus, wie Pischon erklärt. "Oberbürgermeister Frank Mentrup hat darauf hingewiesen, dass die durch den Aufsichtsrat getroffenen Entscheidungen nicht zurückgenommen werden sollen."

Die neuen Maßnahmen seien Teil einer umfangreichen Vertriebsstrategie, die aus KVV-Sicht sinnvoll und erforderlich seien. "Vor allem mit Blick auf die innovative Weiterentwicklung des KVV zum Wohl unserer Kunden."
Planungen des KVV gehen weiter
Vielmehr denkt man in der Tullastraße schon weiter in die Zukunft. Am 21. Februar lädt der KVV-Chef zu einem freiwilligen Workshop mit den Aufsichtsratsmitgliedern ein. Inhaltlich soll es laut Pischon um "unterschiedliche Vertriebsthemen gehen. Unter anderem werden wir über die Planungen und den aktuellen Stand rund um das landesweite Jugendticket sprechen, das im Herbst eingeführt werden soll."

Ob es auch um die in der Kritik stehende Maßnahmen geht, erklärt Pischon nicht. Die CDU-Fraktion aus dem Karlsruher Gemeinderat wünscht sich aber genau dies. Sie hatte die Einladung begrüßt und erhofft sich "die zuletzt von der Öffentlichkeit herangetragenen Bedenken gegenüber dem KVV zur Sprache bringen zu können", wie sie in einer Pressemitteilung schreibt.
Der CDU sei es ein großes Anliegen, dass sich die Interessen der Fahrgäste mit den Zielen des KVV decken. "Hierzu zählen für uns neben innovativen digitalen Lösungen auch niedrigschwellige Angebote für Kunden, die analoge Fahrscheine bevorzugen. Den Anliegen aller Fahrgäste möchten wir Rechnung tragen."
Aktuell führt der KVV weiterhin Seniorenschulungen zum neuen Ticketsystem durch. Die bisherigen Schulungen wurden laut Pischon gut angenommen und waren alle ausgebucht. Termine und weitere Informationen sind über die Website des KVV verfügbar.
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