3.000 Flüchtlinge gibt es nach Schätzungen der Caritas derzeit in Karlsruhe. Ganz sicher ist man sich bei der Zahl allerdings nicht: "Wir haben den Überblick verloren", gesteht Beate Deckwart-Boller vom Caritasverband Karlsruhe.
Sie ist Teamleiterin der vor einem Jahr gegründeten "Verfahrens- und Sozialberatung (VSB) für Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmestelle" in Karlsruhe - einem Zusammenschluss des Caritasverbandes Karlsruhe mit dem Diakonischen Werk Karlsruhe und dem Freundeskreis Asyl. Finanziert wird das Projekt vom Land Baden-Württemberg.
Ansprechpartner für alle Belange
Mit fünf Mitarbeitern, einer Freiwilligen sowie zwei Rechtsanwälten auf Honorarbasis sind sie als Ansprechpartner für Flüchtlinge in Karlsruhe da. Sie beraten die Ankommenden in der LEA und den benachbarten Räumlichkeiten des Karlsruher Menschenrechtszentrums in Sachen Asylverfahren und sozialen Angelegenheiten. Allein in die zweistündige Sprechstunde kommen rund 150 Asylbewerber mit Fragen zu ihnen.
Es hat sich gezeigt, dass die Einrichtung einer Verfahrens-und Sozialberatung dringend erforderlich war, lautet das Fazit nach einem Jahr VSB. "Viele Flüchtlinge wissen einfach nicht, wo was konkret ist", so Deckwart-Boller. Antragstellung, Reisewegsbeschreibung und Vorbereitung auf die Anhörung stehen im Fokus der Sozialarbeiter. Darüber hinaus sind sie aufgrund der derzeitigen "kritischen Situation in der LEA" Ansprechpartner für jegliche soziale Belange: Wo soll ich schlafen? Wo ist die Krankenstation? Woher bekomme ich einen Kinderwagen? Wo ist meine Familie?
"Wir haben keine Kapazitäten" - Land ist jetzt gefordert
Doch so gern die Mitarbeiter allen Flüchtlingen helfen würden: "Wir haben keine Kapazitäten", so Deckwarth-Boller. Jetzt sei das Land an der Reihe, in diesem Punkt sind sich alle Beteiligten einig. "Sowohl Landes- als auch Bundesregierung haben in den vergangenen Jahren versäumt zu handeln", sagt Caritas-Vorstand Köhler. Man stehe im engen Kontakt mit den zuständigen Behörden, wie dem Regierungspräsidium und dem Integrationsministerium, die brisante Lage sei dort bekannt. "Wir fragen uns auch, woran es letztendlich hapert", seufzt Deckwarth-Boller.
Vorschläge gibt es vonseiten der Verbände genug: Handlungsbedarf sehen sie vor allem beim Empfang der Flüchtlinge in der LEA: Asylbewerber, die in der Nacht oder am Wochenende ankommen, werden von einem Pförtner oder dem Sicherheitspersonal empfangen. Scheitert es nicht an der Sprachbarriere wird den Ankömmlingen von diesen ein Bett zugewiesen, das sie meist in den überfüllten Räumlichkeiten alleine finden müssen und vielleicht noch eine Zahnbürste in die Hand gedrückt. Das kann Frust und Missverständnisse bei den Flüchtlingen erzeugen und es sei nicht die Art wie sich die Stadt Karlsruhe seine Willkommenskultur vorstelle, so Deckwarth-Boller.
Keine Bürozeiten, sondern 24-Stunden-Rezeption
"Die LEA muss umdenken", fordert Deckwarth-Boller, "da muss ein anderes Konzept her." Das Personal sei überfordert: Die zum Teil von Fremdfirmen angestellte Pförtner und Security-Männer müssen beispielsweise medizinische Entscheidungen treffen, wenn die Flüchtlinge erschöpft vor der Tür stehen. "Das kann nicht sein, es muss auch Personal außerhalb der Bürozeiten ansprechbar sein", so die Caritas-Mitarbeiterin, "unser Vorschlag ist eine 24-Stunden-Rezeption."
Beim Pressegespräch am Freitag in den Räumen der Karlsruher Caritas machen die Verbänden klar: Eine zweite Aufnahmestelle muss her. Und zwar so schnell wie möglich - die Notunterkünfte in Grötzingen und in der Gartenhalle sollen bald wieder geschlossen werden. Doch: "Im Herbst erwarten wir erfahrungsgemäß nochmal einen Flüchtlingsanstieg", so Deckwarth-Boller.
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