Von der Siemensallee bis zur Endhaltestelle Knielingen Nord klagen die Anwohner über das ohrenbetäubende Quietschen und die ständigen Erschütterungen, die die Straßenbahnen mit sich bringen. Bisherige Lösungsansätze hätten das Problem nur unzureichend abgemildert und noch immer gingen Hunderte Seiten von Beschwerde-Mails bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) ein. Am vergangenen Montag lud der technische Geschäftsführer der Christian Höglmeier zum Diskurs mit den Anwohnern.

"Wir verstehen Ihre Probleme und wir bemühen uns, Ihnen zu helfen", sagt Höglmeier vor mehreren Dutzend Anwohnern. "Bereits vor drei Wochen haben wir die Benetzungsanlagen wieder angestellt, um die Bahnen sanfter über die Schienen gleiten zu lassen, außerdem wollen wir in die Waggons selbst eine Fahrflächenkonditionierung einbauen lassen. Das heißt, die Gleise werden zukünftig auch von den Bahnen mit Wasser bespritzt werden, um die Reibung zu verringern."
"Es ist das Zusammenspiel aller Faktoren"
Damit die bewässernden Bahnen aber auch auf die Schienen kommen, bedürfe es einer Genehmigung des Eisenbahnbundesamts. Das könne noch unbestimmte Zeit dauern. Eine Antwort, die nur wenigen Anwesenden gefällt.

"Herr Höglmeier, ich höre Sie von Besserungen sprechen und zu einem Teil stimme ich zu. Wenn die Schienen im Sommer benetzt werden, ist es wirklich besser. Mir ist auch bewusst, dass es neben einer Haltestelle fast immer quietscht und zu Lärm kommt", sagt ein Anwohner.
Weiter meint er: "Aber so wie es bei uns ist, ist es einfach zu viel. Die Lautstärke hat bei manchen schon zu Hörschäden geführt und es gibt durch die Erschütterungen mehrere Risse innerhalb der umliegenden Gebäudestrukturen. Es ist das Zusammenspiel aller Faktoren, die die Lärmbelästigung und die Erschütterungen so unerträglich machen. Wenn Sie nur Einzelne davon bekämpfen, reicht das Ganze einfach nicht."
"Alles ist im Toleranzbereich"
Dem widerspricht Höglmeier zumindest teilweise. "Wir haben die Erschütterungen von Gutachtern messen lassen und sie lagen innerhalb des Toleranzbereichs. Auch nach den Beschwerden diverser Anwohner über Risse in ihren Hausfassaden haben wir zusätzliche Gutachten erstellt. Dabei konnten keine neuen Risse erfasst werden, die nach dem Ausbau der Linie 2 hierher nach Knielingen Nord entstanden sein könnten", sagt er.
"Natürlich können Sie - wenn denn neue Risse im Haus auftreten - jederzeit ein Gutachten anfordern, um herauszufinden, ob diese Risse durch die Straßenbahn verursacht wird", so Höglmeier.
Doch die anwesenden Anwohner pochen weiterhin auf diejenigen Ursachen des Lärms, die ihrer Ansicht nach von der VBK unberücksichtigt bleiben. "Alleine schon der Takt, mit dem die Bahnen hier an der Endstation Knielingen Nord fahren, ist ein Problem", so eine Anwohnerin.
Viele Bahnen für wenig Fahrgäste
"Alle zehn Minuten fährt eine Bahn in Knielingen Nord ein und aus und das über mehrere Kurven. In jeder zwanzigsten Bahn ist vielleicht mal ein Fahrgast drin. Wenn der Takt nicht so eng wäre, hätten wir vielleicht schon weniger Lärm", schlägt sie vor.

Auch hier hält der VBK-Chef dagegen: "Wir haben in Karlsruhe nun einmal eine Mobilitätspflicht. Der Zehn-Minuten-Takt, mit dem die Bahnen in Knielingen fahren ist Teil des stadtweiten Gesamtkonzepts." Hierbei unterstehe die VBK ebenso einer Normierung wie bei den Fahrtgeschwindigkeiten - einem weiteren Kritikpunkt der Anwohner.
"Gerade morgens und nachts wird man aus dem Schlaf gerissen, wenn die Bahn durch die Kurven rast. Aber auch im Normalbetrieb gibt es Probleme", meint eine weitere Anwohnerin. "So eine Bahn besteht aus zwei Waggons und meistens geben die Fahrer Gas, sobald sie mit dem ersten davon um die Kurve sind, sodass der Zweite ungehemmt und lautstark um die Kurve schlängelt."
Zu schnelles Fahren: "Die Geschwindigkeit ist normiert"
Diese Aussage stößt auf Zustimmung. Eine weitere Anwohnerin schaltet sich ein: "Mal davon abgesehen, dass hier eine 30-Zone nahe eines Kindergartens ist und die Bahn meistens sehr schnell durchfährt, würde auch die Lärmbelästigung durch langsames Fahren so viel besser werden. Aber immer wenn man Sie von der VBK bittet, hier langsamer zu fahren, sagen Sie: 'wir fahren doch schon langsamer'."

Höglmeier gibt diese Frage an den Betriebsleiter der VBK, Ralf Messerschmidt weiter: "Nun, so ist es auch. Die Bahnen, die von den Verkehrsbetrieben selbst eingesetzt werden, unterliegen der technischen Aufsichtsbehörde, die ihre Höchstgeschwindigkeit festlegt. Gesetzlich dürften sie hier also 50 fahren, aber durch die Kurven, in denen sie nur 15 Stundenkilometer fahren dürfen, werden sie meist so stark runtergebremst, dass sie in der Umgebung gar nicht über die 30 kommen", sagt dieser.
Frust, Wut, Konstruktivität
Kaum einer der anwesenden Anwohner gibt sich jedoch mit dieser Antwort zufrieden - viele glauben ihr nicht ganz und der Frust der Menge wird noch weiter befeuert. "Ihr habt doch keine Ahnung von euren Bahnen", ruft eine Frau dazwischen.

Gleichzeitig machen andere Anwohner auf weitere Probleme aufmerksam. "Der Sand auf den Schienen zum Beispiel ist ein Teil des Problems", sagt der in Knielingen ansässige Peter Lukowski.
"Durch das schnelle Fahren kommt es natürlich zu Abrieben der Schienen und der umliegenden Erde", sagt Lukowski, nach eigenen Angaben von Beruf Ingenieur. "Der sammelt sich in den Schienen und verhindert eine reibungsarme Durchfahrt. Zum Quietschen kommt ein hässliches Knarzen und die Erschütterungen werden durch verstärkte Reibung natürlich auch noch ein wenig deutlicher spürbar", sagt er.
Sand in den Schienen: "Wir fegen einmal die Woche"
"Wir haben uns einmal hingestellt und den Sand aus einem Meter Schiene gefegt - es kam wirklich einiges zusammen. Ich habe keine Säuberungsmaßnahmen in dieser Hinsicht beobachten können", erklärt Lukowski weiterhin.

Doch auch hier antwortet Höglmeier mit entgegengesetzten Antworten: "Für den Sand oder sonstige Verunreinigungen setzen wir wöchentlich Säuberungsmaschinen ein - auch hier in Knielingen. Das bestätigt auch die Bahnmeisterei." Eine Aussage, die erneut in Zweifel gezogen wird.
Anwohner zweifeln an den Darstellungen
So spricht Peer Hlavka, ein weiterer Anwohner, seine Bedenken aus. "Wir würden doch sehen, wenn seit zwei Jahren jede Woche eine Reinigungsmaschine über die Schienen fahren würde - immerhin hatten ja auch viele von uns Homeoffice. Aber nach allem, was ich beobachten konnte, ist nichts passiert, obwohl wir auch darüber schon mit der VBK sprachen."

Nächster Kritikpunkt: die Bewässrung der Schienen. "Sie haben uns eine Benetzungsanlage nach Stand der Technik versprochen", sagt Lukowski. "Aber sie haben auch hier in der neuesten Installation dasselbe alte Modell eingebaut wie in der ganzen Stadt und das wird auch noch im Winter deaktiviert - obwohl es hier in Karlsruhe eigentlich nie längere Frostperioden gibt."

Der Frage nimmt sich dabei der Leiter der Instandhaltung der VBK, Christian Hobert an: "Es stimmt, dass die Benetzungsanlagen im Winter deaktiviert werden. Aber wir mussten uns natürlich vor dem Einbau erst ein Bild machen, was der Markt hergibt. Die Wahrheit ist: Was wir bei Ihnen installiert haben, ist der Stand der Technik. Eine Anlage, die mit Temperatursensoren funktioniert, werden Sie in Deutschland nicht finden."
"Karlsruhe wäre Vorreiter"
Befriedigt zeigt sich Lukowski damit aber nicht. "Selbst wenn es die Norm ist, warum fragen Sie nicht einmal präventiv am Markt an, ob die Herstellung einer solchen sensorengesteuerten Benetzungsanlage möglich wäre? Oder was sie kosten würde? Stellen Sie sich vor, wenn wir eine solche Technologie hier in Karlsruhe installieren würden? Karlsruhe wäre ein Vorreiter", sagt Lukowski. Ein Vorschlag, den Höglmeier annimmt.
Im Namen der VBK verspricht er anzufragen, die Anwohner zu Fortschritten zu informieren. Man wolle die Genehmigung des Eisenbahnbundesamtes abwarten und dann die Bewässerung vonseiten der Bahnen alltagstauglich aufziehen.
Zusätzlich wolle man für die restlichen Faktoren ebenfalls Lösungen erarbeiten. "Wie viel Zeit das in Anspruch nehmen wird, kann ich im Moment nicht verbindlich sagen", so der VBK-Chef. Zumindest einige davon sollen aber bis zu 18 Monaten dauern.
"Haben uns im Kreis gedreht"
Für die Knielinger ein zu langer Zeitraum. "Sie hatten zwei Jahre Zeit. Jahre, in denen meine Kinder mehrfach zum Ohrenarzt mussten und ich nachts wach lag, weil ich nicht mehr weiterwusste. Zwei Jahre, in denen es Tinnitusfälle gab und wir täglich unter Kopfschmerzen zu leiden hatten. Und jetzt sagen Sie, sie hätten nicht einmal eine konkrete Lösung für den Winter? Sie könnten doch wenigstens Busse als Schienenersatzverkehr fahren lassen", so eine Anwohnerin.
Beides wird jedoch von Höglmeier verneint. Alleine dadurch, dass es nicht genug Schienenersatzverkehrsbusse gebe, sei das nicht möglich. Zum Ende der Veranstaltung sind viele Anwesende unzufrieden. "Ich habe ja keine Lösung erwartet. Aber zumindest ein konstruktives Gespräch und konkrete Vorschläge wären das Mindeste gewesen. Wir haben hier ständig aneinander vorbei geredet und uns öfter im Kreis gedreht als die Straßenbahn auf der Schleife", so ein weiterer Anwohner.
Eine solche Meinung ist jedoch nicht unter allen Anwesenden allgemeingültig. "Viele lassen jetzt all ihren Frust und all ihre Aggression an Herrn Höglmeier aus und geben ihm persönlich die Schuld. Aber er kann sich ja auch nicht alles aus dem Ärmel schütteln. Ich finde, diese Pöbelei bringt nichts", so ein weiterer Anwesender.
Für Höglmeier selbst sei das Treffen dennoch ein Teilerfolg. "Ich glaube schon, dass ich eine gewisse Zahl an Menschen erreichen und informieren konnte. Insofern verlief es für mich positiv", sagt er.
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