Nachdem der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) angekündigt hatte, die Stempelautomaten aus den Bahnen im Verbundgebiet abzuschaffen, war die Kritik am KVV groß. Gerade Senioren und Menschen ohne Smartphone fühlten sich alleine und im Stich gelassen. Der Wunsch nach einer Fahrkarte zum selbst entwerten war und ist groß. Die ab Kauf gültigen Fahrkarten waren für viele Menschen keine bevorzugte Variante.
Aufsichtsrat und Geschäftsführung kamen am Freitag zusammen
Der Kritik nahm man sich beim KVV wohl an. Am Freitag ab 16 Uhr kamen Geschäftsführung und Aufsichtsrat in einer Sitzung zusammen, um über neue Anpassungen im Fahrkartensortiment zu diskutieren. Die Ergebnisse wurden im Anschluss auf einer Pressekonferenz vorgestellt.

"Es war eine sehr gute und konstruktive Sitzung", sagt Karlsruhes Landrat Christoph Schnaudigel, der die Sitzung leitete und damit den corona-positiven Oberbürgermeister Frank Mentrup vertrat. "Wir wollen den digitalen Weg weitergehen, wollen aber auch denen ein Angebot machen die weiter auf nicht-digitale Lösungen setzten und das zeigen die Ergebnisse unserer Sitzung", so der Landrat weiter.

KVV-Geschäftsführer Alexander Pischon ergänzt: "Ich bin sehr froh, dass der Aufsichtsrat unseren Vorschlägen gefolgt ist und wir in den letzten Wochen einen interessanten Austausch mit vielen Vertretern und Interessenverbänden hatten." Auch Pischon sei der Meinung man habe eine gute Lösung gefunden.
Im Mai kommt der Papierfahrschein zum selbst ausfüllen
Insgesamt präsentiert der KVV auf der Pressekonferenz am Freitagabend vier Ergebnisse. Unter anderem soll ab Mai eine Papierfahrkarte zum selbstentwerten eingeführt werden. Auf dieser - einer DB-Fahrkarte sehr ähnlichen Karte - soll der Fahrgast dann selbstständig die Starthaltestelle und das Datum mit Kugelschreiber eintragen. Sollte das Ticket erst in der Bahn oder mit einem Bleistift ausgefüllt werden, wäre es ungültig. Das neue Papierticket soll es für eine bis sieben Waben für Kinder und Erwachsene geben.

Das Ticket kann in 5-er Blöcken bestellt oder in den KVV-Kundenzentren erworben werden. "Es ist ein niedrigschwelliges Angebot und macht die Karte in der Handhabung sehr einfach", meint Pischon. Sollte das Ticket bestellt werden, wird es per Post an den Kunden geliefert. Der Kunde übernimmt auch das Porto.

Die Einführung der Papierkarte bedeutet auch: Die Stempelautomaten werden nicht wieder eingeführt beziehungsweise ihre Abschaffung wird weiterverfolgt. "Die Rückkehr zu den Entwertern ist nicht möglich, da der Aufsichtsrat diese Maßnahme schon einmal beschlossen hatte und viele Verträge bereits auf dieser Basis geschlossen wurden. Ich denke die neue Möglichkeit der Selbstentwertung ist eine sinnvolle Alternative für einen überschaubaren Kreis von Nutzern", erklärt Landrat Schnaudigel.
Kundeninitiative schon im Vorfeld mit Kritk am neuen Modell
Kritik an dieser Maßnahme gab es schon im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung von der Kundeninitiative KVV. In einem Schreiben an die KVV heißt es: "Diese Variante wirft den KVV weit in die Vergangenheit zurück, ist aber die einzige Variante, die etwas Flexibilität zurückbringen würde. Es ist aber unglaublich, so etwas einzuführen, solange eine funktionierende Struktur für Stempelkarten mit minimalen Kosten weiterbetrieben werden kann."

Weiter heißt es: "Ein Hauptargument zur Abschaffung der Stempelkarten war, dass bei Kontrollen zu viele Diskussionen wegen 'vergessener' Abstempelung verhindert werden sollten. Selbst ausgefüllte Stempelangaben werden sicher zu noch mehr Diskussionen führen, z.B. bei unleserlichen oder korrigierten Einträgen oder bei bewusstem Missbrauch zum Beispiel durch Abänderungen des Datums."

Neben der neuen Papierfahrkarten wurde drei weitere Maßnahmen beschlossen. Diese gibt es hier in der Übersicht:
- Neue Tageskarten Ab dem 1. August wird es zusätzlich zum bestehenden Sortiment verbundweit zwei neue Tageskarten geben. Diese umfassen den Geltungsbereich 1 Wabe und 4 Waben und werden dann wie die Bestandsprodukte "City" (bis zu 3 Waben) und "Regio" (ganzes KVV-Netz) für jeweils eine, zwei, drei, vier oder fünf Personen angeboten. „Alle unserer Tageskarten lohnen sich dann bereits ab der Hin- und Rückfahrt, weil sie preis- gleich oder sogar günstiger sind als zwei Einzelfahrscheine. Wir haben damit ein attraktives Angebot für Tagausflügler und Gelegenheitsfahrer. Aktuell ist es bereits so, dass Kunden im Bereich von zwei, drei und ab fünf Waben preisgleich oder günstiger fahren, wenn sie ein Tagesticket nutzen, erklärt OB Mentrup. Tagestickets können schon heute auch vordatiert für einen bestimmten Tag gekauft werden, was die Planung eines Ausflugs besonders einfach macht.
- Geltungsdauer bei Einzelfahrscheinen wird auf einen Tag verlängert Einzelfahrkarten sollen zukünftig in eine Richtung den ganzen Tag gültig sein. Es entfällt damit die bisher zeitlich begrenzte Gültigkeit je nach Fahrstrecke. Ein sofortiger Fahrtantritt ist nicht mehr notwendig, wohl aber der Fahrtantritt am Tag des Kaufs in der Zeit von 0 Uhr bis 6 Uhr des Folgetags. Wie bislang gelten die Fahrkarten aber nur für eine Richtung. Umstiege sind nach wie vor möglich. Hin- und Rückfahrten und Rundfahrten sind weiterhin ausgeschlossen. Für die Rückfahrt muss ein neues Ticket gelöst oder alternativ eine Tageskarte gekauft werden. "Durch diese Anpassung können Fahrgäste künftig auch Einzelfahrkarten für einen bestimmten Tag vordatiert im Kundenzentrum oder im Web-Shop kaufen", erklärt Mentrup. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, diese Änderung zum nächsten Fahrplanwechsel am 1. August umzusetzen. Eine Tarifgenehmigung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist Voraussetzung.
- Bepreisung der KVV.luftlinie wird perspektivisch optimiert Fahrgäste, die via App mit der im Dezember eingeführten KVV.luftlinie unterwegs sind, brauchen sich zukünftig bei längeren Fahrten keine Gedanken mehr über den Preisabgleich zu machen. Die App vergleicht im Hintergrund den Luftlinientarif mit dem Wabenpreis und berechnet auf den Tag gesehen immer den günstigeren Preis. Das gilt sowohl für die Einzelfahrt als auch für mehrere an einem Tag gemachte Fahrten, die dann in einer Tageskarte zusammengefasst werden. "Unsere KVV.luftlinie in der Fairtiq-App gewinnt dadurch nochmals an Attraktivität. Bereits heute ist sie ein äußerst beliebtes Produkt für Menschen, die kurze Strecken zurücklegen und einfach unterwegs sein wollen. Seit der Einführung der KVV.luftlinie Mitte Dezember wurden rund 50.000 Fahrten in der App gebucht. Wir haben einen super Start hingelegt", betont Mentrup. Aktuell gibt es bereits einen Preisdeckel bei 8 Euro (6 Euro mit Bahncard) je Einzelfahrt (entspricht einer Einzelfahrkarte für 7 Waben) und 10,80 Euro pro Tag (entspricht einer Tageskarte "Regio"). Nach Umsetzung der beschlossenen Anpassungen ent- spricht der jeweilige Preisdeckel dem vom Fahrgast tatsächlich befahrenen Wabenbereich. „Wir gehen mit dem Auftrag des Aufsichtsrats zusammen mit Fairtiq in die Umsetzung. Da hier konzeptionelle und technische Vorgänge dahinterstecken, wird es einige Monate dauern, bis das System umgestellt sein wird. In der Zwischenzeit lohnt sich der Tarif vor allem nach wie vor für Kurzstrecken und für Fahrten über Waben- grenzen hinweg", erklärt Pischon.