Dienstag, 22.02. Anträge werden als Empfehlung weitergeleitet
Für die einen geht es mit der Digitalisierung zu schnell, für die anderen, zu langsam. Nach einer langen Debatte im Karlsruher Gemeinderat steht allerdings fest: Eine analoges Angebot muss her beziehungsweise muss bleiben. Darum wurde infolge der Gemeinderatssitzung entschieden, dass die Ergänzungsanträge der AfD, der CDU und der Freien Wähler/ FÜR Karlsruhe nicht zur Abstimmung gebracht, sondern stattdessen dem Aufsichtsrat des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) als "Empfehlung" vorgelegt werden sollen. Eine Lösung solle allerdings erst Mitte März erfolgen, wenn der Aufsichtsrat eine Entscheidung gefällt habe. Eine Fortführung der "alten Stempelkarten" wurde mit Mehrheit abgelehnt.
Montag, 21.02. FDP will Stempelkarten behalten, Karlsruher Liste (KAL) startet Petition
"Wir haben jetzt einen tollen U-Strabtunnel fertiggestellt und gleichzeitig entfernt man sich meilenweit von seinen Kunden. Unzählige Bürger rufen bei uns an und sagen: 'Ich fahre jetzt wieder mit dem Auto.' Das kann nicht unser Ziel sein", sagt Thomas Hock im Gespräch mit ka-news.de. Der FDP-Stadtrat spricht vom Karlsruher Verkehrsverbund (KVV), der zuletzt tiefgreifende Maßnahmen zum Ticketsystem angekündigt und durchgeführt hatte und seitdem bei vielen Bürgern in Karlsruhe in der Kritik steht.
"Noch nie hat ein Thema so polarisiert"
Genau diese Bürger würden mittlerweile fast täglich bei Hock und seiner Fraktion Briefe oder Mails mit Beschwerden oder Kritik einsenden. "Ich bin seit 2009 im Gemeinderat und noch nie hat ein Thema für solch einen Aufschrei gesorgt und so sehr polarisiert", so Hock. Im Zentrum der Kritik: Die Abschaffung der Stempelautomaten mitsamt Fahrkarten zum selber stempeln und die Abschaffung der Viererkarte. Die Abschaffung der Viererkarte hatte die FDP schon in der Vergangenheit kritisiert.

Dementsprechend möchte die FDP-Fraktion dafür sorgen, dass bei KVV und im Aufsichtsrat nun doch ein Umdenken stattfindet. Dafür bringt die Fraktion einen Antrag in die Februar-Sitzung des Karlsruher Gemeinderates ein, mit dem Ziel, genau diese Stempelkarten doch wieder einzuführen.

"Die Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Karlsruhe im Aufsichtsrat des KVV werden im Hinblick auf die anhaltende hohe Nachfrage und Reklamationen aufgefordert, ein ernsthaftes Umlenken im Sinne des Kundeninteresses einzuleiten und eine Wiedereinführung aller Stempelfahrkarten (auch 4er-Tickets) schnellstmöglich herbeizuführen", heißt es in dem Antrag, über den am Dienstag, 22. Februar, abgestimmt wird.
Probleme für Senioren und jüngere Kinder
Laut Angaben der Fraktion seien die flexiblen Tickets gerade für Senioren, jüngere Kinder und Menschen mit bestimmten körperlichen und geistigen Behinderungen im Alltag elementar und unverzichtbar für eine eigenständige Mobilität. "Zudem wurde nicht erkannt, dass diese Fahrkarten für zahlreiche Bürger eine sinnvolle und unkomplizierte Option boten, den umweltfreundlicheren ÖPNV statt das Auto zu nutzen", so die Fraktion weiter.

"Wir möchten der Digitalisierung sicher nicht im Weg stehen, aber eine breite Mehrheit der Karlsruher steht gegen diese Ideen. Viele wenden sich an uns und sagen: 'Lieber KVV, das könnt ihr so nicht machen.' Da muss man sich die Sachlage auf jeden Fall noch mal anschauen. Viele Bürger hat man hier einfach abgehängt.", meint Hock gegenüber der Redaktion.

Der FDP-Stadtrat weiter: "Viele Bürger können einfach noch nicht so gut mit dem Smartphone umgehen, wie man es sich beim KVV wünscht und das ist ein Problem. Die Geschäftsleitung und der Aufsichtsrat des KVV entfernen sich so immer weiter von den Menschen deren Alltag sie eigentlich bewerkstelligen sollten. Das grundlegende Selbstverständnis muss sich ändern."

Für Hock und seine Fraktion müsse das Kundeninteresse im Vordergrund stehen. "Und das Interesse der Kunden ist es ein Ticket in der Hand zu haben und es dann abzustempeln, wenn man es braucht." Entsprechend wenig Verständnis hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Antrag.
Was sagt die Stadt
Dort heißt es unter anderem: "Die Verwaltung sowie die Geschäftsleitung des KVV sind überzeugt, dass der Zugewinn an Kundenfreundlichkeit durch die Einführung der elektronischen Möglichkeiten, Fahrkarten zu erwerben, die minimale Minderung an Kundenfreundlichkeit für Gelegenheitskunden durch die Abschaffung noch nicht entwerteter Tickets, die ohnehin nur einen sehr kleinen Anteil an den insgesamt verkauften Fahrkarten ausmachten, deutlich überwiegt."

Insgesamt schaffe der KVV eine einheitliche, transparente und somit kundenfreundliche Regelung für das gesamte Verbundgebiet, die auch bei vielen anderen Mobilitätsanbietern im Nah- und Fernverkehr seit vielen Jahren gängige Praxis sei.

"Wo hat man bitte einen Zugewinn der Kundenfreundlichkeit?", fragt sich Hock. Die Argumentation der KVV und der Stadtverwaltung sei für ihn nur schwer nachzuvollziehen und auch nur teilweise korrekt. "Ich bin sprachlos wenn ich diese Stellungnahme lese."
"Wir haben ein umweltfreundliches Verkehrsmittel in unserer Stadt, welches jeder nutzen kann. Aber mit solchen Aktionen vertreibt man die Bürger in Scharen und macht sich vieles kaputt, was man in den letzten Jahren mit dem Tunnel aufgebaut hat", resümiert der FDP-Mann und wirft der KVV-Spitze Hochmut, Arroganz, Ignoranz und Selbstüberschätzung vor.
Gleiches Ziel, anderer Weg: Karlsruher Liste startet Online-Petition
Eine ähnliche Sicht der Dinge hat scheinbar auch die Fraktion der Karlsruher Liste (KAL). Auch sie möchte den KVV zum Umdenken motivieren, wählt dabei aber einen anderen Weg als die FDP-Kollegen. Mit einer Online-Petition setzt sich die KAL für "eine Fahrkarte für alle und den vorläufigen Erhalt der Stempeltickets ein."

"Die vielen Rückmeldungen aus der Bevölkerung zu unserer Position, einen niederschwelligen Zugang zum ÖPNV weiter anzubieten, haben die Idee einer Petition an den KVV entstehen lassen", so Stadtrat Lüppo Cramer in einer Pressemitteilung der Karlsruher Liste.
Nach Ansicht der KAL müssten wirtschaftliche Interessen hinter politischen Zielen zurückzustehen. Dazu gehöre auch, den ÖPNV allen Menschen auf einfachem Weg zugänglich zu machen.

Die Angebotserweiterung auf eine App sehe man in der KAL grundsätzlich positiv, auch müsse man eine zeitgemäße Tarifstruktur bieten. Zugang und Abrechnung im System dürften jedoch nicht an derart hohe Hürden wie den Besitz eines Smartphones geknüpft sein. Mit Stand Freitag, 18. Februar, 12.30 Uhr hat die KAL mit ihrer Petition 1.724 Unterschriften sammeln können.
Freie Wähler und Für Karlsruhe bringen neue Idee ins Spiel
Neben den Liberalen und der Karlsruher Liste hat eine dritte Fraktion im Karlsruher Gemeinderat eine Idee, wie man auf die Kritik aus der Bürgerschaft reagieren könnte. Sowohl die Fraktion der Freien Wähler (FW) im Karlsruher Kreistag als auch die Fraktionsgemeinschaft der FW/Für Karlsruhe im Gemeinderat schlägt die Einführung von Tickets im Scheckkartenformat vor. Anlass sei laut einer Pressemitteilung ebenfalls die auf Kritik gestoßene Abschaffung der Stempelkarten.

"Die Kunden haben im gesamten Veränderungsprozess des KVV-Ticketmanagements verloren. Veränderungen kann geschehen, aber dies muss zum Besseren sein", so Fraktionsvorsitzender und Aufsichtsrat Friedemann Kalmbach und fügt hinzu: "Dass für die Übergangszeit keine Idee von der KVV entwickelt wurde, um die Fahrgäste in diesem Veränderungsprozess mitzunehmen finden wir schade. Es muss eine marktreife Lösung her."

"Egal wie es kommt, wir hoffen darauf, den Schaden möglichst reduzieren zu können und vielleicht kommen der OB und der Workshop am Montag auf die Idee, sich der Sache nochmals anzunehmen. Wir können es nur hoffen. Denn diese Ideen sind ein Schuss in den Ofen und die großen Teile der Bevölkerung werden es nicht schlucken sollte unser Antrag abgeschmettert werden", sagt FDP-Stadtrat Thomas Hock abschließend.

Der Karlsruher Gemeinderat versammelt sich am 22. Februar ab 15.30 Uhr im Rathaus. Sobald das Abstimmungsergebnis zum Antrag der FDP vorliegt wird der Artikel an dieser Stelle aktualisiert.