Die Stempelkarten sollen weiterhin vom KVV angeboten werden. Genau diese Forderung stellte die FDP-Fraktion in einem Antrag an den Karlsruher Gemeinderat. Die Begründung: Nicht jeder sei im Besitz eines Smartphones und könne auf das digitale Ticket-Angebot zugreifen. Darüber hinaus wirft die FDP dem KVV ein "Kommunikationsversagen" vor.

"Ja, es braucht Innovationen und es braucht Veränderungen. Aber wie in so vielen Bereichen des öffentlichen Lebens gilt auch hier, wir müssen die Menschen mitnehmen", argumentiert Stadtrat Tom Hoyem während der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend. "Verlieren wir diese Kunden, verlieren wir einen weiteren ökologischen Baustein. Sowohl der KVV als auch der ganze ÖPNV haben einen ernsthaften Imageschaden."
"Wir haben die Lage unterschätzt"
Dass an dieser Stelle dringender Nachholbedarf bestehe, sieht auch die Grüne-Fraktion. "Wir haben völlig unterschätzt, wie viele Leute tatsächlich solche Karten Zuhause horten", gibt Johannes Honné zu. Das gelte sowohl für Hochbetagte als auch für Jugendliche, Kinder und Behinderte. Allerdings stellt der Stadtrat klar, dass erst einmal die Sitzung des KVV-Aufsichtsrates am 11. März abgewartet werden sollte, bevor im Gemeinderat etwas entschieden werden könnte.

Denn: Am Montag fand der KVV-Aufsichtsrat sich zu einem Treffen zusammen, um nach der Kritik einiger Bürger an ihren neuen Tarifsystemen Lösungen zu erarbeiten. Dabei ginge es um die Einführung analoger Alternativen zu den neuen digitalen Angeboten. Unter anderem wurde die Möglichkeit eines smart- oder Chipkartenbasierten Check-in und Check-out genannt. Eine Idee, die unter anderem die Freien Wähler/FÜR Karlsruhe-Fraktion als "Investition in die Zukunft" gutheißen. Das finden andere Gemeinderatsmitglieder aber zu umständlich.

"Da müsste man Millionen investieren und die Umsetzung dauert zu lange", so Honné weiter. Stattdessen könnten die Fahrgäste selbst zum Stift greifen und die Tickets mit Fahrtantritt und Haltestelle beschriften.
"Wir nehmen die Kritik durchaus ernst"
Die erste positive Rückmeldung zur Digitalisierungsstrategie kommt an dem Abend von der SPD. Der Grund: Durch die Reform sei der öffentliche Personennahverkehr (Öpnv) familienfreundlicher und einfacher geworden. "Wir wollen das Rad definitiv nicht zurückdrehen, aber nehmen die Kritik durchaus ernst", sagt Yvette Melchien, die als Mitglied beim Aufsichtsrat der KVV tätig ist. Denn: Voraussetzung für einen guten Umsatz in der neuen Tarifstruktur seien vor allem erreichbare Automaten.
"Für das Stadtgebiet haben wir Verantwortung, dass die VBK an allen Haltestellen Automaten installiert." Ebenfalls müsse an der leichten Bedienbarkeit der KVV-App gearbeitet werden.

AfD-Stadtrat Oliver Schnell schlägt unterdessen vor, dass bereits vorhandene Fahrkartenautomaten grundsätzlich auch über einen Entwerter verfügen sollten sowie an Bahnhöfen vorhandene Entwerter beibehalten werden. Den Vorschlag von Honné, die Tickets händisch zu entwerten, empfindet er nicht als sinnvoll, da er das Schwarzfahren begünstigen würde.

Linke-Stadtrat Lukas Bimmerle weist außerdem darauf hin, dass die Fahrkartenautomaten noch nicht zurück gebaut werden, solange keine Lösung gefunden werden würde. "Es kann keine Alternative sein, nur auf das Thema 'Digital' zu setzen, wir werden weiterhin eine Mischform haben". Auch Bimmerle ist Mitglied beim KVV-Aufsichtsrat.
Kritik oft nicht berechtigt
Nach Abschluss aller Reden ergreift Oberbürgermeister Frank Mentrup das Wort. Er betont, dass 90 Prozent davon, was die Fraktionen an Zuschriften erreichen würde, so nicht stimme. "Dass man nur noch mit dem Smartphone Bahn fahren kann, ist faktisch falsch, betont er. So seien Tickets in Papierform nie gänzlich verschwunden, sondern immer noch in Form bereits entwerteter Tickets am Automaten zu erwerben.

Des Weiteren sieht Mentrup ein Problem darin, dass die Presse ständig die analogen und die digitalen Angebote des KVV miteinander vermischen würde. "Es wird ein analoges System weiterentwickelt, das ist das eine. Die Einführung von digitalen Angeboten, ist das andere. Das ist das große Missverständnis, wo es uns nicht gelungen ist, das aus den Köpfen zu kriegen. Vieles hätte sich nicht so zuspitzen müssen, wie es sich nun zugespitzt hat", so Mentrup.

Die Ergänzungsanträge der jeweiligen Fraktionen sollen als Empfehlungen zur nächsten Sitzung des KVV-Aufsichtsrates miteinfließen. Die Entscheidung darüber, ob und welcher Vorschlag umgesetzt wird, soll am 11. März fallen.