"Die Kosten für eine umfassende Festeinstellung von Reinigungspersonal liegt deutlich über den Kosten bei der Beschäftigung einer externen Firma", sagt Oberbürgermeister Frank Mentrup, als der Karlsruher Gemeinderat im Februar eine fünfzigprozentige Quote für direkt bei der Stadtverwaltung angestellte Reinigungskräfte beschloss.
Unvereinbare Aussagen?
Entsprechend positionierte sich der Stadtvater bis zur Entscheidung gegen eine solche Quote. "Wir müssen sehen, wie wir diesen Beschluss überhaupt mit zukünftigen Doppelhaushalten vereinbaren können. Natürlich werden wir externe Reinigungsfirmen nur einstellen, wenn sie einen verbindlichen und fairen Tarifvertrag für ihre Mitarbeiter vorweisen können."

Letzteres erklärte Mentrup auch in Reaktion auf die Vorwürfe an die Stadt, aus Kostengründen unterbezahlte Reinigungskräfte einzustellen. Allerdings klingen diese beiden Aussagen des OB für zwei Vertreter der Reinigungsbranche sehr widersprüchlich.

Dies bewog das Ehepaar Goran und Sheena Radosalvjević, das seit 2015 die Karlsruher Reinigungsfirma Future Levels in Karlsruhe leitet, sich mit ka-news.de in Verbindung zu setzen. "Seit Oktober 2022 beträgt der Mindestlohn für Gebäudereiniger 13 Euro pro Stunde. Jede seriöse Firma, die die Stadt Karlsruhe beschäftigt, wird sich also an diese Vorgabe halten müssen", so Goran Radosalvjević.
"Durch den Einsatz externer Firmen steigen die Kosten"
Seine Gattin und Mitinhaberin von Future Levels, ergänzt: "Beschäftigt die Stadt eigene Mitarbeiter, hat sie natürlich nur Lohn- und Materialkosten, sowie Kosten für die Personalbeschaffung", sagt sie.
"Eine externe Firma muss darüber hinaus noch zusätzliche Kosten decken, etwa für angestellte Führungskräfte, Büroräumlichkeiten, Fahrzeuge, Werbung, und Ähnliches. Darüber hinaus muss sie noch einen Gewinn erwirtschaften, um sich am Markt halten zu können."

"Das muss die Stadt natürlich nicht. Selbst wenn die Stadt einen etwas höheren Stundenlohn an ihre Reinigungskräfte zahlen muss laut Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, ist es naturgemäß teurer, eine externe Firma zu beauftragen, anstatt eigene Reinigungskräfte zu beschäftigen", so Frau Radosalvjević.
Der günstigste Preis als Zuschlagsfaktor
Sollte die Stadt bei externer Arbeitsvergabe niedrigere Kosten haben, könne das zur Unterstützung unseriöser Methoden führen. "Das größte Problem ist, dass die Stadt in ihren Ausschreibungen den Preis als das am höchsten gewichtete Zuschlagskriterium nennt, oft sogar als das einzige Zuschlagskriterium. Und das ist der völlig falsche Ansatz", so Frau Radosalvjević.

"Natürlich spielt der Preis eine wichtige Rolle, aber es zum einzigen oder am höchsten gewichteten Zuschlagskriterium zu machen, hat schwerwiegende Folgen. Es führt dazu, dass immer mehr Gebäudedienstleister zu unlauteren Mitteln greifen müssen, um diesen Preiskampf zu gewinnen und sich am Markt halten zu können", sagt sie.
"Die Arbeitskräfte können sich nicht wehren"
Diese unlauteren Mittel seien vor allem dazu da, den Mindestlohn zu unterbieten. "Es gibt verschiedene Methoden, die manche Reinigungsfirmen nutzen, um den Mindestlohn zu umgehen. Beispielsweise geben sie den Cleanern einen Zeitrahmen von einer Stunde, dazu aber ein Pensum, dass niemals in dieser einen Stunde zu bewältigen ist", so Goran Radosalvjević.

"Alle Arbeitskraft, die über diese Stunde hinausgeht, wird dann nicht bezahlt. So werden die Mitarbeiter um einen gerechten Stundenlohn gebracht. Das ist ungesetzlich, aber viele Reinigungskräfte haben leider nicht die ausreichenden Deutschkenntnisse oder da Wissen, um sich dagegen zu wehren", sagt er weiter.
"Auch Doppelbesetzungen wären günstiger"
Seine Frau ergänzt: "Viele Firmen berufen sich auch auf Subunternehmer, die ihre Reinigungsdienste als Selbstständige anbieten. Oft zu einem Dumpingpreis. Nicht, dass das Konzept des Subunternehmers als zusätzliche Hand grundsätzlich schlecht wäre, aber einige Firmen nutzen es leider fast ausschließlich, um ihre Preise zu drücken."

"Bestimmt wird die Stadt mit Argumenten auftrumpfen, dass sie mit externen Firmen flexibler ist und keine größeren Probleme mit Personalausfällen haben wird. Aber auch hier wird sie mit Doppelbesetzungen im eigenen Personalsektor sicherlich besser wegkommen, als wenn sie wie jetzt überwiegend Cleaner aus Fremdfirmen einsetzt", erklärt Herr Radosalvjević.
Wertschätzung als Arbeitsprämisse
Alles in allem seien Herr und Frau Radosalvjević nur wenig überzeugt, dass die Stadt den Mindestlohn wirklich so sehr priorisiere, wie der OB angibt. Und das sei nicht zuletzt ein Problem mit der Menschenwürde der Mitarbeiter.

"Wir wollen gute Arbeit zu leisten und gleichzeitig die Würde der Mitarbeiter wahren. Und das kostet eben mehr Geld. Man muss sich Menschenwürde leisten wollen", so das Ehepaar
Dass dieser Wille bei der Stadt vorhanden ist, sei nicht immer der Eindruck des Ehepaars. Denn unter dem Mindestlohn - ohne die Draufzahlungen einer Firma - würde eine hohe Quote an eigenbeschäftigten Reinigern die Stadt nicht teurer, sondern günstiger zu stehen kommen.
"Die Stadt fördert Ausbeutung"
"Wir wollen der Stadt natürlich keinerlei bewusste ungesetzliche Handlung unterstellen", betont Goran Radosalvjević." Es geht uns lediglich darum, ein Bewusstsein für den Wert unserer Arbeit zu schaffen, was sich auch in der finanziellen Entlohnung widerspiegeln sollte", sagt er.

"Genauso wenig wollen wir, dass sich die Stadt nur auf eigenbeschäftigte Cleaner verlässt. Aufträge auch extern zu vergeben ist für den gesamten Markt sinnvoll. Wofür wir aber plädieren möchten, ist ein fairer Wettbewerb unter seriösen Firmen mit Fokus auf die Menschenwürde. Denn solange die Stadt sich auf den billigsten Anbieter verlässt, fördert sie Ausbeutung, Schwarzarbeit und ungesunden Wettbewerb", sagt er.
Was sagt die Stadt?
Die Stadt weist diese Kritik auf Nachfrage durch ka-news.de entschieden von sich. "Es handelt es sich hierbei um eine pauschale Behauptung, die ohne Nennung von Fakten haltlos und auch nicht weiter prüfbar ist", so ein Sprecher der Verwaltung.

"Es ist für die Stadt eine Selbstverständlichkeit und ein wichtiges Anliegen, dass die gesetzlichen und tariflichen Vorgaben bei der Erbringung von Reinigungsleistungen in städtischen Gebäuden eingehalten werden.", erklärt er weiter. Der Preis sei dabei laut Aussage der Stadt eben nicht der einzig entscheidende Faktor.
"Mindestlohn ist wesentliche Vertragsgrundlage"
"Geprüft wird die Eignung und fachliche Leistungsfähigkeit des Dienstleisters. Dazu müssen Referenzen vom Dienstleister vorgelegt werden. Die Einhaltung des Mindestlohn ist wesentliche Vertragsgrundlage", so der Sprecher.
Die von der Stadt vorgegebenen Werte für die einzelnen Raumgruppen müssen bei der Angebotskalkulation berücksichtigt werden und sind nicht zu unterschreiten. Damit soll gewährleistet werden, dass der Dienstleister ausreichende Arbeitszeit einkalkuliert", sagt er weiter.

"Nicht zuletzt wird die Auskömmlichkeit des abgegebenen Angebotes geprüft. Der Stundenverrechnungssatz des Dienstleisters muss zuzüglich zum Mindestlohn eine ausreichend hohen Zuschlagssatz enthalten. Die Reinigungsunternehmen sind auch der Stadt gegenüber vertraglich verpflichtet, den Mindestlohn einzuhalten ", sagt er. Dies werde auch regelmäßig überprüft.
"Auszahlungen werden überprüft"
"Die Überprüfung dieser Verpflichtungen obliegt den Zollbehörden. Nach den vertraglichen Regelungen ist die Stadt zudem berechtigt, sich Nachweise vorlegen zu lassen, Der Stadt ist nicht bekannt, dass es in den letzten Jahren bei Überprüfungen des Zolls hier zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist", wie der Sprecher weiter ausführt.

Bei den rund 40 Reinigungsunternehmen, die bei der Stadtverwaltung unter Vertrag stehen, sei der Mindestlohn also gegeben. "Im Jahr 2022 sind für die Reinigung städtischer Gebäude Kosten von zirka 11 Millionen Euro entstanden. Mit der Mindestlohnerhöhung im Oktober sind die Ausgaben für die Reinigungsleistungen weiter angestiegen." Dennoch - und das betont der Sprecher - sei Fremdbeschäftigung immer noch günstiger.
Aussage, Fremdbeschäftigung sei teurer, inkorrekt?
"Die bei der Stadt beschäftigten Reinigungskräfte werden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt", sagt der Sprecher." Die dafür insgesamt entstehenden Kosten sind höher als die Kosten nach dem Gebäudereiniger-Tarif, der für die Bezahlung der Reinigungskräfte der Dienstleister die Grundlage ist."

Aus der Perspektive der Stadt stehen die Aussagen des Oberbürgermeisters, dass sich die Stadt eine zu hohe Quote an Reinigungskräften nicht leisten könne, aber dennoch nur Firmen beschäftige, die einen angemessenen Tarif bezahlen, nach wie vor auf solidem Grund.