Zum 306. Mal bricht der badische Sommer über die Fächerstadt herein. Die Temperaturen wurden von heiß zu heißer, die Luft schwelte über dem Kopfstein und selbst das Karlsruher Schienensystem wurde von der sengenden Sonne lahmgelegt.
Dies bedeutete für nicht wenige Karlsruher enorme Einschränkungen. Nicht aber für die Demonstranten des Klimacamps am Schlosspark. Weder flirrende Hitze noch Regenprasseln noch der Ausfall der Straßenbahnen könne das Durchhaltevermögen der Camp-Besetzer brechen.
"Die Hitze bestärkt uns in unseren Zielen"
"Die meisten von uns kommen sowieso mit dem Fahrrad", sagt Annika Schirrmeister. Die 17-Jährige war seit der Planungsphase des Klimacamps Ende April ein Teil davon. "Was die Hitze betrifft, bestärkt sie uns nur in unseren Zielen. Klar kann es in Karlsruhe heiß werden, aber das ist kein Vergleich zur Hitze im globalen Süden."

Blicke man auf die Temperaturen in Richtung Äquator, so seien dank bisheriger globaler Erwärmung Temperaturen entstanden, die nach europäischen Maßstäben als unerträglich heiß wirken. Ein Zustand, der auch in Karlsruhe nicht ausgeschlossen sei.
"Sollte die Klimaerwärmung aber noch weiter voranschreiten, werden die Temperaturen in Karlsruhe in Zukunft ähnlich unerträglich werden. So gesehen dürfen wir uns überhaupt nicht von der Hitze der Gegenwart bremsen lassen", so die Schülerin.
"Wir streiken nicht zum Spaß"
Gerade auf diese Folgen der Klimaerwärmung wolle man mit der Besetzung des Klimacamps aufmerksam machen. "Wir sind ein Teil des großen weltweiten Klimastreiks", wie Schirrmeister es ausdrückt. "Lösungsvorschläge für dieses Problem liegen bereits auf der Hand. Wir sind hier, damit sie mit mehr Nachdruck umgesetzt werden."
Im Klimacamp ist man der Meinung, es werde noch immer zu wenig gehandelt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, so die junge Aktivistin. "Wenn bereits genug getan werden würde, gäbe es dieses Camp nicht. Wir streiken nicht, weil es uns Spaß macht, sondern weil etwas passieren muss."

Und da die Klimaerwärmung ein dauerhaftes Problem sei, könne man ihr nur mit einem dauerhaften Streik entgegenkommen. Daher sei das Klimacamp 24 Stunden am Tag besetzt und es habe sich bereits eine Routine herausgebildet.
Ein Streik in Schichten
"Einen wirklichen Alltag gibt es im Camp noch nicht, dafür passiert immer noch zu viel Neues", so Schirrmeister. Allerdings habe sich mit dem Schichtsystem bereits eine tägliche Organisation etabliert. "Die Menschen hier wechseln sich in acht Drei-Stunden-Schichten pro Tag ab, und das sieben Tage die Woche."

Dabei sei jede Schicht völlig freiwillig übernommen worden und "wer auch nach seiner Schicht bleiben möchte, darf das natürlich. Generell ist es tagsüber allen Menschen jederzeit erlaubt, hierherzukommen und zu bleiben, so lange sie wollen", wie die junge Aktivistin hinzufügt. "Manche kommen bereits um 5 Uhr morgens hierher."

Nachtsüber läge die Sache ein wenig komplizierter. "Bisher zählt das Klimacamp 15 Zelte. Coronabedingt darf aber nur ein Haushalt in einem Zelt übernachten", informiert Fridays-for-Future-Aktivistin Paula Kanzleiter. "Das bedeutet, dass meistens auch nur 15 Leute hier schlafen."

Im Wachzustand dürften Besucher sich aber sehr wohl auch nachts im Camp aufhalten. Dies sei auch aus sicherheitstechnischen Gründen wichtig. Um vor Diebstählen und Angriffen zu schützen seien "immer zwei Personen für Nachtwachen eingeteilt", erklärt Schirrmeister. Von 22 bis 7 Uhr gäbe es dazu drei Extraschichten.
Freiluft-Homeoffice
Doch womit werden diese Schichten eigentlich gefüllt? Natürlich existiere ein reger Austausch unter den Teilnehmern zum Thema Klimaschutz und Klimaerwärmung, doch auch für die Aktivisten des Camps gingen Leben, Ausbildung und Beruf weiter.
"Wir haben durchaus Wlan hier im Camp, für Schüler und Studenten ist es also möglich, ihre Arbeit hier zu erledigen", wie die 17-jährige Schirrmeister weiterhin berichtet. "Ich zum Beispiel übernachte relativ selten im Camp. Meistens schlafe ich zu Hause, gehe ich morgens zur Schule, fahre unmittelbar danach hierher ins Camp und kümmere mich hier um alle Schulsachen."

Nicht wenige Teilnehmer des Klimastreiks griffen auf die Möglichkeit dieses Freiluft-Homeoffice zurück und bewältigten ihr Bildungspensum im schattigen Saum des Karlsruher Schlossparks. "Ich habe sogar das Gefühl, dass ich im Camp produktiver bin als zu Hause."

Solch eine Produktivität zeige sich auch in der Arbeit, die die Wartung, Ausbau und Verpflegung des Camps mit sich brächten. Vor allem weil dabei stetig auf Nachhaltigkeit und auch auf Kosten geachtet werden müsse.
Spenden und Kostenteilung - Die Finanzierung des Klimacamps
Zwar müsse das Klimacamp als angemeldete Versammlung keinerlei Gebühren an die Stadt Karlsruhe entrichten, wie Paula Kanzleiter klarstellt, doch seien für das Camp selbst einige Kosten angefallen: "Beispielsweise müssen wir die Stadtwerke für fließendes Wasser bezahlen. Genauso brauchen wir Schläuche, um es umzuleiten."

Bei derartigen Kosten beriefe man sich auf "Spenden durch Privatpersonen oder unter den Aktivisten aufgeteilte Kosten", wie Kanzleiter weiter ausführt. Außerdem erhielte das Protestcamp viel Unterstützung durch Sachleistungen.

"Die Bänke und Möbel der Zelte kommen entweder vom Sperrmüll oder sind privat ausgeliehen", so Annika Schirrmeister. "Auch das Essen erhalten wir über Foodsharing-Spenden durch Restaurants, die unsere Ziele unterstützen." Außerdem benötige man auch, um die Nachhaltigkeit aufrechtzuerhalten, regelmäßig Holz um neue Solarzellen aufzustellen.
Wie nachhaltig ist das Klimacamp?
"Die Solarzellen sind unsere Hauptstromquelle", wie Schirrmeister berichtet. Sie würden regelmäßig von den Aktivisten selbst aufgebaut und seien nur ein Aspekt, bei denen auf Nachhaltigkeit geachtet werde.

Damit nicht allzu viel Energieverbrauch entstehe, werden auch die Kühlschränke, die innerhalb des Camps verfügbar sind, zu Lagerzwecken genutzt, aber nicht angeschlossen. "Außerdem sind die Info-Flyer, die wir hier im Camp verteilen, aus Graspapier und damit bei Entsorgung biologisch abbaubar."

"Entsorgung" sei dabei ein wichtiges Stichwort, was die Nachhaltigkeit des Camps angeht. Natürlich müsse man sich auch um den Müll kümmern. Dabei wolle man eher vorbeugen, als nachträglich zu entsorgen. "Wir versuchen nach Möglichkeit auf Plastik zu verzichten", so Schirrmeister.
Sollte doch einmal Plastikmüll anfallen, so werde er zusammen mit allen anderen Abfällen "von den Mitgliedern der Protestaktion gesammelt, mitgenommen und umweltfreundlich getrennt und beseitigt."
"Jeden Donnerstag ein Fahrrad-Workshop"
Derlei Beispiele zur Nachhaltigkeit seien den Aktivisten jedoch nicht nur für das Camp selbst wichtig. Viel eher läge ihnen am Herzen, die Einwohner Karlsruhes zur Nachhaltigkeit zu animieren und sie dabei zu unterstützen.
"Jeden Donnerstag gibt es hier im Klimacamp einen Fahrrad-Reparaturworkshop, an dem jeder, der möchte teilnehmen kann", wie Annika Schirrmeister ankündigt.

Solche und ähnliche Veranstaltungen seien vor allem dazu gedacht, um Passanten und Interessierte in die Anliegen des Camps einzubinden und Aufmerksamkeit für den Klimaschutz zu generieren. Ein Vorhaben, das zumindest bisher von Erfolg gekrönt zu sein scheine.
"Die Unterstützer des Klimacamps sind in der Überzahl"
"Viele Menschen, die hier am Schlossgarten vorbeikommen, bleiben stehen um sich mit uns zu unterhalten und zu diskutieren", erzählt Annika Schirrmeister, "und zwar Menschen jeden Alters und Geschlechts. Keine bestimmten Gruppen. Einige kommen regelmäßig oder sogar mehrmals am Tag."

Dies sei definitiv ein Erfolg für das Klimacamp: "Die Leute sind neugierig. Sie zeigen Interesse am Camp und vor allem am Thema Klimaschutz." Zwar hätte es auch Anfeindungen von "Leuten, die vorbeikommen, uns beschimpfen, ihren Frust ablassen und wieder gehen" gegeben, doch seien "diejenigen die uns Unterstützen in der Überzahl."
"Diskussionen bringen beide Seiten weiter"
Und jene Zahl an Unterstützern beschränke sich nicht nur auf Karlsruher: "Es waren schon einige Menschen von außerhalb Karlsruhes dabei. Sie übernachteten einige Tage im Camp und sind dann wieder gegangen", so Schirrmeister, "aber sie alle haben zur Diskussion beigetragen."
Das sei für die 17-Jährige einer der wichtigsten Aspekte des Projekts Klimacamp: " Ich finde es ziemlich cool, dass ich jeden Tag so einen aktiven Austausch habe, sowohl mit den anderen Demonstranten als auch mit Passanten. Eine aktive Diskussion bringt nämlich beide Seiten weiter."
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