Das Fällen der Platanen in der Kaiserstraße war in den letzten Wochen wohl das Gesprächsthema in Karlsruhe schlechthin. Die große Frage: Bleiben sie nun stehen, oder nicht? 

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Um diese Frage zu klären, fand am 6. Dezember im Karlsruher Rathaus eine öffentliche Diskussionsrunde statt. Den Anfang machte Martin Kissel, Amtsleiter beim Karlsruher Tiefbauamt.

"Uns fehlt der Blick nach unten"

"Was uns allen fehlt, ist natürlich der Blick nach unten; das Wurzelwerk und dessen Ausprägung, das die verschiedensten Leitungen von Gas über Wasser bis hin zu Elektrizität kreuzt und gefährdet. Das große Problem war dabei der langjährige Schienenverkehr an der Oberfläche, der regelmäßige Inspektionen und Restaurationen verhindert hat - immerhin ist eine Neuordnung von Leitungen und Wurzeln sehr aufwendig. Und die Leitungen - etwa des Abwassers - sind teilweise 100 Jahre alt", sagt er.

Martin Kissel, Leiter des Tiefbauamts Karlsruhe.
Martin Kissel, Leiter des Tiefbauamts Karlsruhe. | Bild: Ingo Rothermund

"Man kann Leitungen nicht beliebig verlegen"

Mit anderen Worten: Im Zuge der neuen Kaiserstraße bräuchte es eine grundsätzlich neue Ordnung der Leitungsverlegung. "Man kann die Leitungen nicht beliebig verlegen, sondern muss sie sorgfältig aufeinander abstimmen und koordinieren. Und das lässt sich mit den Wurzeln der Platanen leider nicht vereinbaren", erklärt Kissel

Dieser Plan der Leitungsverlegung sehr langfristig angelegt, sodass Aufgrabungen über lange Jahre nicht nötig sein werden. "Ein weiterer wichtiger Aspekt sind natürlich Umwelt und Klimaveränderungen", führt der Amtsleiter weiter aus. 

Vorzüge des Zürgelbaums?

Platanen haben einen sehr hohen Stammansatz, wodurch sie auch die Oberfläche durch höheres Wurzelwerk teilweise abdichteten. "So kann das Wasser, das dank der zunehmenden Starkregenfällen in der Kaiserstraße stehen bleibt, vergleichsweise schlecht versickern", so Kissel. Zürgelbäume hingegen würden dieses Problem sehr viel umfassender lösen.

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Der europäische Zürgelbaum habe genau gesagt verschiedene Vorzüge: Dazu gehöre eine Resistenz gegen Schädlinge, Trockenheitsverträglichkeit, eine zur Straße passende Wuchsform, eine kompakte Krone, die flächendeckend Schatten wirft und ihre Verbreitung sei gut zu kontrollieren. 253 Zürgelbäume seien schon jetzt in Karlsruhe gepflanzt.

"Platanen wären nur unter Einschränkungen haltbar"

Um sich aber nicht nur auf die Aussagen städtischer Institutionsvertreter zu verlassen, lädt die Stadtverwaltung zwei unabhängige wissenschaftliche Vertreter ein, um die Pläne für die Bäume zu bewerten. "Wie es sich global verändert, ändert sich das Klima auch regional", sagt Janus Schipper, Leiter des Süddeutschen Klimaforschungsbüros.

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"Nach unseren derzeitigen Messwerten werden die Sommer tendenziell heißer und heißer, während die Niederschlagsmengen innerhalb kürzerer Zeiträume stattfinden", sagt er. "Das wirkt sich auf die Bäume selbst und auf die Wasserverfügbarkeit aus. Leider sind Platanen nur unter Einschränkungen bei den immer heißeren Bedingungen haltbar."

Sonnensegel für den Übergang?

Es sei aus Sicht Schippers sinnvoll, die Platanen durch widerstandsfähigere Bäume, etwa Zürgelbäume zu ersetzen: "Ihre häusernahe, urbane Position wird die Platanen nur noch unter verschärften Stress stellen. Daher glaube ich, dass die Pläne der Stadt wissenschaftlich durchaus belastbar sind. Für den Übergang könnte man in der Innenstadt ja Sonnensegel anbringen."

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Ein weiterer Redner, Sascha Gillich, Forstwissenschaftler und Experte des Karlsruher Regierungspräsidiums, sieht das Problem woanders:

"Die Platanen sind in keinem desolaten Zustand und für ihre sechzig Jahre sogar recht gut aufgestellt. Allerdings ist es völlig richtig, dass sich die Wurzeln von teils unkontrolliert und Meter weit verbreiten und den Asphalt durchwuchern. Das wird die Baumaßnahmen erschweren - mehr noch, mit der Sanierung der Kaiserstraße wird das Wurzelwerk der Platanen vermutlich zwangsläufig beschädigt. Man würde sich also entwicklungs- und umwelttechnisch Probleme schaffen, indem man an den Platanen festhält."

Schachtringe gegen Wurzelausbreitung?

Ganz überzeugt scheinen diese Vorträge aber nicht alle der anwesenden Stadträte. So beginnt SPD-Stadtrat Michael Zeh mit dem Einwand: "Es wurde doch von der Stadt behauptet, dass die Platanen in Schächte eingelassen wurden, um die Wurzelausbreitung einzudämmen, oder nicht? Sind Wurzelausbreitungen da ein so großes Problem?"

Michael Zeh
Michael Zeh, Stadtrat der SPD Karlsruhe. | Bild: SPD Karlsruhe

Daraufhin antwortet Kissel: "Schachtringe um die Platanen sind zwischen Europaplatz und Kaiserplatz gesetzt, also außerhalb des geplanten Baugebietes. Schachtringe in der Kaiserstraße sind uns nicht bekannt, eben aufgrund der oben angesprochenen Schienenproblematik. Allerdings konnten wir das Wurzelwachstum, das Herr Gillich angesprochen hat, sehr wohl selbst nachvollziehen."

Wann kann man wieder mit Schatten rechnen?

Eine weitere Frage stellt Paul Schmidt von der AfD: "Wir haben im Umweltausschuss schon mehrfach über Zürgelbäume gesprochen und sie wurden von mehreren Experten als invasiv bezeichnet. Wenn man nicht aufpasst, sollen sie unkontrolliert in alle Richtungen wachsen. Dabei wachsen sie sehr langsam. Wie lange soll es dauern, bis wir wieder eine Schattenquelle in Karlsruhe haben, die wir auch kontrollieren können?"

Paul Schmidt (AfD).
Paul Schmidt Karlsruher Stadtrat der AfD. | Bild: ka-news.de

Der Einschätzung, der Zürgelbaum sei invasiv, widerspricht das Tiefbauamt dabei direkt. Vor allem deshalb, da in der Kaiserstraße der Asphalt keine Bedingungen für Schösslinge der Zürgelbäume biete. Was die Wachstumsdauer betrifft, geht die Stadt von zirka 20 Jahren für 16 Meter Höhe aus.

Problem des Wassers?

Die Stadträtin der Linken, Karin Binder, sieht ein weiteres Problem mit den Zürgelbäumen: "Problematik, dass das Wasser in den Hitzesommern auch endlich ist. Jetzt sollen diese Zürgelbäume kontinuierlich bewässert werden. Das heißt, damit die Bäume nicht kaputt gehen, muss das Wasser als knappe Ressource zu großen Anteilen auf die Zürgelbäume verwendet werden."

Karin Binder für Die Linke.
Karin Binder für Die Linke. | Bild: Carsten Kitter

Hierzu meldet sich eine Mitarbeiterin des Tiefbauamtes: "Nach fünf Jahren sind die Wurzeln tief genug, das Wasser selbst aus dem Untergrund zu erschließen, ab da können wir die Bewässerung also voraussichtlich beenden - es sei denn, es wäre aufgrund der Hitze unabdinglich zusätzlich zu wässern. Wenn es so weit ist, liegt diese Entscheidung bei Ihnen als Stadträte."

Skepsis unter Gemeinderäten

Unter den angesprochenen Stadträten und den anwesenden Privatpersonen bleibt dennoch eine gewisse Skepsis zu spürbar. So kommt die Frage "Ist es wirklich eine gute Idee, sich auf eine Baumart zu beschränken, wenn schon die Platanen solche Probleme machen?", aus dem Publikum. Eine Frage, die Grünen-Stadträtin Renate Rastätter aufgreift.

Renate Rastätter Grüne
Grünen-Stadträtin Renate Rastätter. | Bild: Grüne Karlsruhe

"Wäre es der Stadt nicht möglich, nach der Eignung anderer Baumarten für die Kaiserstraße zu überprüfen?", fragt sie. Eine Frage, die jedoch in der Diskussion untergeht.

Begonnen mit den eigentlichen Bauarbeiten soll im April 2023, bis dahin muss der Gemeinderat aber endgültig grünes Licht für die Zürgelbäume geben.

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