Herr Friedmann, warum genau hat sich "Wir-sind-Baum" gegründet?
Wir wollen ein Bewusstsein für die Natur, für die Bäume in der Stadt schaffen. Bäume berühren und bewegen die Menschen und sie haben eine starke Symbolkraft. Leider findet die Beziehung zur Natur heute kaum noch einen richtigen Platz und wird vor allem in der Diskussion ausgespart. Das bedauern wir sehr und wollen neue Perspektiven schaffen.

Was genau kritisieren Sie denn?
Nun ja, es schmerzt uns zu sehen, wie viele Bäume in den letzten Jahren bereits Straßenplanungen zum Opfer fielen. Zuletzt wurden auf der Kaiserstraße vier Platanen gefällt, die scheinbar keinen Pilzbefall haben. Man muss sich ja nur mal die Baumstümpfe ansehen. Das ist für uns einfach nicht nachvollziehbar. Es muss eine individuelle Betrachtung geben und nicht pauschal gesagt werden, dass alle Platanen einen Pilzbefall haben oder ihr Wurzelwerk den U-Bahnverkehr beeinträchtigen könnte.

Da macht die Stadt es sich zu einfach mit. Wir sind ja nicht prinzipiell gegen Fällungen, aber die müssen halt auch wirklich notwendig sein. Eine Verallgemeinerung ist da der falsche Weg und einfach auch nicht richtig. Wir sind davon überzeugt, dass sicher mehr als die Hälfte der Platanen auf der Kaiserstraße erhalten bleiben könnten. Sie sind doch letztlich die einzige Natur auf der Karlsruher Einkaufsstraße.
Sie sind also davon überzeugt, dass ein anderer Weg möglich wäre?
Ja! Es gibt Methoden, die Bäume individuell zu betrachten. Keiner kann genau sagen, wie es zum Beispiel im Untergrund aussieht, also wie weit die Wurzeln reichen. Das war und ist ja ein häufiges Totschlagargument. Eine genaue Überprüfung würde eben Zeit und Geld benötigen. Einfacher ist da, kurzen Prozess zu machen und zu pauschalisieren.
Ist das nicht auch die Ansicht vom Klimabündnis, inwiefern unterscheiden sie sich von diesem?
Unser Schwerpunkt liegt wirklich explizit auf dem Erhalt der Bäume und der Beziehung zur Natur. Das Klimabündnis hingegen betrachtet vorrangig den Klimaschutz und befasst sich mit Themen wie dem Stadtklima. Wir ähneln uns aber schon und stehen auch mit dem Klimabündnis in Kontakt. Es ist ein gegenseitiges Unterstützen und voneinander lernen.

Was also konkret sind die Ziele von "Wir-sind-Baum"?
Wir wollen Aufmerksamkeit schaffen. Wir wollen in Austausch gehen, miteinander sprechen und womöglich auch Entscheider erreichen, die ihre Planungen nochmals überdenken. Es geht uns darum, diese Erde zu schützen, für uns und für die nachfolgenden Generationen. Wichtig ist, dass wir gemeinsam handeln.

Die Entscheidung gegen die Platanen fühlt sich dabei falsch für uns an, deshalb sagen wir liebevoll und bestimmt nein dazu. Wir befürchten nämlich, dass sich diese Tragödie auch noch öfters wiederholen wird. Am Landratsamt oder auch am Staatstheater sollen ja ebenfalls viele alte Bäume gefällt werden. Wir setzen uns für eine Betrachtung jedes Baumes als Individuum und für eine Planung mit den alten Bäumen ein. Die Kaiserstraße kann zum Modellprojekt für andere Straßen werden, wo sonst die gleichen Probleme wieder auftauchen.
Sie wollen also zu einem neuen Bewusstsein und zu einem neuen Umgang mit der Natur beitragen. Welche Aktionen hat "Wir-sind-Baum" dafür denn bereits veranstaltet?
Wir haben auf der Kaiserstraße mit Plakaten und Kerzen auf die Fällungen der vier Platanen aufmerksam gemacht. So manch einer läuft daran sonst einfach vorbei. Wir sorgen dafür, dass die Bäume nicht in Vergessenheit geraten und ein Bewusstsein geschaffen wird. Seit dem 20. Dezember treffen sich Donnerstagsabends auch immer wieder Menschen an diesem Ort.

Außerdem laden wir am 28. Februar um 19 Uhr ins Tollhaus in Karlsruhe ein. Dort wird der renommierte Schweizer Forst-Ingenieur und Baumbiologe Ernst Zürcher einen Vortrag zum Thema "Die geheime Botschaft der Bäume" halten. Er ist für uns ein wichtiger Botschafter, weil er zwischen Welten verbindet und für einen neuen Weg von uns als Gesellschaft, ist genau diese Verbindung notwendig.