Den beiden Angeklagten H. und W. wurde vorgeworfen, an der Organisation und Durchführung einer Choreografie im BBBank Wildpark beim Spiel des KSC gegen St. Pauli im Jahr 2022 beteiligt gewesen zu sein. Im Rahmen der Choreografie zum 20. Jubiläum der Ultragruppierung "Rheinfire" wurde Pyrotechnik gezündet, wodurch elf Personen Rauchgasverletzungen erlitten. Die beiden Angeklagten mussten sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen vor dem Amtsgericht Karlsruhe verantworten.

Staatsanwaltschaft: Vorwürfe seien bewiesen
Staatsanwalt Adrian Hepworth argumentierte in seinem Plädoyer, dass den Angeklagten die möglichen Folgen ihres Handelns bewusst gewesen seien und sie diese billigend in Kauf genommen hätten. Die Beweisaufnahme und die Aussagen mehrerer Zeugen hätten seiner Ansicht nach klar belegt, dass H. und W. an der Organisation der Choreografie beteiligt waren.

Hepworth stützte sich auf Videoaufnahmen, die im Vorfeld der Choreografie im Stadion entstanden sind, sowie auf ausgewertete Chatverläufe. Die Chatverläufe seien von der Polizei ausgewertet worden. Sie zeigen, dass sich die Gruppe "Rheinfire" dazu entschlossen habe, zusätzlich zur offiziell beim KSC angemeldeten Choreografie auch Pyrotechnik einzusetzen. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher, die ursprünglich geforderten acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, für beide Angeklagte auf ein Jahr zu erhöhen.
Verteidigung: Rollen der Angeklagten seien überbewertet
Die Verteidigung widersprach dieser Einschätzung. Beide Angeklagte seien weder bei der Planung noch bei der Durchführung der Choreografie federführend gewesen. Besonders die angeblich tragende Rolle des Angeklagten W. innerhalb der Gruppe sei nur "eine Konstruktion der Staatsanwaltschaft", argumentierten die Anwälte. Die Anklage stütze diese Behauptung auf dem Protokoll einer Mitgliederversammlung, das zwei Jahre vor der Tat verfasst wurde.

Auch die ausgewerteten Chatverläufe seien laut Verteidigung kein belastbarer Beweis. "Die Beiträge meines Mandanten in den fraglichen Gruppen machten weniger als 0,5 Prozent der Nachrichten aus", erklärte Anwältin Verleih. Zudem habe sich keine der von den Angeklagten gesendeten Nachrichten auf die Choreografie oder Pyrotechnik bezogen.
Aufräumarbeiten als Streitpunkt
Unklar blieb vor Gericht, welche Pyrotechnik konkret im BBBank Wildpark gezündet wurde. Die Ultras hatten alle Überreste nach dem Spiel aufgesammelt und entfernt, wie Videoaufnahmen aus dem Stadion zeigen. Darauf ist ist einer der beiden Angeklagten zu sehen, wie er Müll im Block aufsammelt.

Die Verteidigung betonte, dass diese Handlung nicht strafbar sei, da die Tat der gefährlichen Körperverletzung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft sah das anders: Das gezielte Aufräumen der Reste sei ein Indiz dafür, dass sich die Beteiligten der strafrechtlichen Konsequenzen bewusst waren.
Polizei suchte erst spät nach Beweisen
Die Pyrotechnik wurde am 12. November 2022 im Stadion gezündet. Wie vor Gericht bekannt wurde, begann die Polizei erst am 17. November damit, nach Überresten der Choreografie zu suchen. Das kritisierte die Verteidigung scharf: "Da werden Beweismittel vor den Augen der Gesetzeshüter entfernt, und die Polizei unternimmt nichts. Erst eine Woche später kommt man auf die Idee, nach den Überbleibseln der Pyrotechnik zu suchen", so Verteidiger Benedikt.

Er bezeichnete das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als ein "Greifen nach Strohalmen, um möglichst viele Personen in den Tatvorwurf einzubeziehen."
"Keine Gnade im Fußball" – ein Problem?
Beide Anwälte beantragten Freispruch für ihre Mandanten. Die Haltung der Staatsanwaltschaft und anderer Gerichte kritisierte Anwältin Verleih deutlich: "Ein Richter in einem anderen Verfahren sagte kürzlich wörtlich: 'Keine Gnade im Fußball.' Hier wird versucht, Fans zu einem gesellschaftlichen Feindbild zu machen."

Auch Verteidiger Benedikt bemängelte die Ermittlungen: "Die Staatsanwaltschaft arbeitet hier mit einem 'Copy-and-Paste-Verfahren'. Es wird nicht zwischen Angeklagten unterschieden, die tatsächlich aktiv waren, und solchen, die lediglich Teil der Gruppe 'Rheinfire' sind."
Urteil fällt milder aus als beantragt
Am Ende verurteilte Richter Nyarko die Angeklagten zu mehrmonatigen Haftstrafen auf Bewährung. Der Angeklagte H. erhielt sieben Monate sowie eine Geldstrafe von 2.500 Euro. Der Angeklagte W. wurde zu acht Monaten auf Bewährung und 3.000 Euro Geldstrafe verurteilt.

In seiner Urteilsbegründung führte Nyarko aus, dass die Angeklagten durch ihre Mitgliedschaft im "engeren Kreis" der Ultragruppierung vom geplanten Pyroeinsatz gewusst und dessen Folgen billigend in Kauf genommen hätten. Strafmildernd wirkte, dass beide nicht vorbestraft waren und ihre Beteiligung lediglich auf Indizien beruhte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob Rechtsmittel eingelegt werden, ließ die Verteidigung offen. "Mein Mandant muss diese Entscheidung erst einmal verarbeiten", erklärte Anwältin Verleih.