In seinem Video "Tram Trains Are AMAZING | The Karlsruhe Model" (Straßenbahnen sind erstaunlich | das Karlsruhe Modell) liefert der kanadische Youtuber RMTransit einen euphorischen Einblick in die Eigen- und Besonderheiten des Karlsruher Straßenbahnnetzes.
"Um Straßenbahnen wirklich zu verstehen, muss man eine kleine Stadt in Deutschland besuchen: Karlsruhe", eröffnet RMTransit sein 14-minütiges Video auf der Streamingseite. Mit seinem Youtube-Kanal hat der Kanadier zum Zeitpunkt der Recherche exakt 195.000 Abonnenten - und das Karlsruher Bahnvideo 93.781 Aufrufe.
Unterstützung aus Karlsruhe
Karlsruhe sei gar nicht so weit von der ursprünglichen Heimat der Familie des Kanadiers entfernt - zumindest der einen Hälfte, meint er. "Vielleicht hat mich also das Schicksal dazu bestimmt, Bahnen zu mögen." Deshalb freut es den Bahnexperten umso mehr, nun endlich über die Straßenbahnen der Fächerstadt reden zu können.

Das nötige Info- und Videomaterial bekommt der Kanadier zum Teil von Zuschauern aus der Karlsruher Umgebung. Bei diesen bedankt er sich auch zu Beginn des Videos, schließlich seien die Kenntnisse von Ortskundigen von großem Wert für seine Recherche gewesen.
Viel Bahn für "wenig" Stadt
Mit seinen rund 300.000 Einwohnern sei Karlsruhe ein großartiges Beispiel für eine - mit Blick auf ganz Europa - eher kleine Stadt, die dennoch ein hervorragendes Nahverkehrsnetz habe, meint der Youtuber. Auch die Größe des Bahnnetzes sei im Vergleich zu anderen Städten, mit denen sich der Kanadier auseinandergesetzt hat, ungewöhnlich.

Fünf verschiedene Linien verbinden mit über 60 Kilometer Strecke die unterschiedlichen Ecken der Fächerstadt, erklärt RMTransit. "In europäischer üblicher Manier wird den Bahnen dabei beinah gänzlich ein eigener Verkehrsraum - mit kaum Überschneidungen zum weiteren Verkehr - geboten." Die dafür nötigen Haltestellen seien dabei simpel gehalten und die Schienen an einigen Stellen begrünt, erklärt der Bahn-Fan. Letzteres sei in der Straßenbahn-Community besonders beliebt.
"Karlsruhe erinnert an Tokyo"
Während das reguläre Bahnnetz den Youtuber bereits hellauf begeistert, so wird es mit der U-Strab besonders "spicey" (dt. scharf, bzw. in diesem Kontext interessant/aufregend), meint dieser. Diesen Umstand erklärt er durch die einzigartige Rolle, die die Kombilösung mit ihren sowohl oberirdisch als auch unterirdisch fahrenden Bahnen im Stadtkern innehabe.
Auch die von außerhalb einfahrenden Bahnen, wie beispielsweise die S-Bahnen oder "Tram-Trains", wie sie der Experte in seinem Video benennt, sind nahtlos an das U-Strab-Netz angeschlossen.

Die Kombination zwischen dem innerstädtischen- und dem Umgebungsverkehr habe sich dermaßen bewährt, dass das System sukzessive ausgebaut wurde - und weltweit zur Nachahmung anregte, erklärt RMTransit.
In mancher Hinsicht erinnere ihn diese Verbindung an den Regional- und Nahverkehr von Tokyo (Japan). "Mit dem Unterschied, dass in Karlsruhe reguläre Straßenbahnen statt U-Bahnen dafür genutzt werden", so der Youtuber.
Nah- und Fernverkehr vereint
So einfach wie die Integration des Regionalverkehrs in den städtischen Nahverkehr auch anmuten mag, sei die Verbindung bei Weitem nicht, erklärt der Fachmann. "Die Schienen sind zwar zunächst da gewesen, jedoch gehören die Strecken von Westen nach Osten in Karlsruhe der Deutschen Bahn. Deshalb mussten viele Veränderungen gemacht werden, sowohl von rechtlicher als auch technischer Seite."

Am Ende sollten schließlich gewöhnliche Straßenbahnen auf dem Netzwerk der Züge und Bahnen mitfahren. "Die Straßenbahnen mussten also an die Sicherheitsstandards der Hauptschienenverbindungen angepasst werden und gleichzeitig mit Wechselstrom versorgt werden können", meint RMTransit.
Beide Faktoren seien - besonders um 1990 - nicht so einfach zu erfüllen gewesen. "Für gewöhnlich fahren Bahnen mit Gleichstrom. In diesen musste der Wechselstrom mit aufwendigem technischen Gerät innerhalb der Bahnen umgewandelt werden.
Heute sind innerhalb der Stadt einige Orte, an denen das Stadtbahnnetz (Gleichstrom) in das bundesweite Schienennetz (Wechselstrom) übergeht. "Dafür gibt es einige sehr interessanten Mechanismen, die diesen Wechsel überhaupt erst möglich machen", erklärt der Bahnfachmann. "Das ist ziemlich cool."

Die Verknüpfung des Nahverkehrs an den regionalen Verkehr habe neben weniger Umsteigen und besserer Verbindung auch einen riesen Vorteil für die Stadt an sich, meint RMTransit. Schließlich könne sich so zu Gänze auf lediglich eine Art der Infrastruktur fokussiert werden, und das käme direkt den Bahnnutzern zu Gute. "Das alles sorgt für mehr Komfort." Der Fokus auf eine Art der Infrastruktur ermögliche es der Stadt Karlsruhe, ein solch umfangreiches Netz - trotz seiner verhältnismäßig geringen Einwohnerzahl - stemmen zu können, erklärt der Bahnfan.
"Das System war zu erfolgreich"
"Zuerst war alles gut, dann folgte die Katastrophe", mein der Youtuber. "Das System war einfach zu erfolgreich." Nachdem sich das Nahverkehrsnetz als derart komfortabel gezeigt habe, wurde es entsprechend beliebt und die Nutzung des Angebots nahm schlagartig zu. Deshalb mussten mehr Bahnen fahren und gerieten vermehrt in Konflikt mit Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern, zum einen durch die zunehmende Frequenz des Bahnverkehrs, als auch durch die Geschwindigkeit.

Es folgt die Kombilösung. "Ein Teil des wie ein T geformten Bahnnetzes wurde über ein Jahrzehnt hinweg schlichtweg einige Etagen tiefer verlegt", meint der Kanadier erstaunt. Ein unerhörtes Vorhaben in einer - wie der Youtuber erneut betont - verhältnismäßig kleinen Stadt. "Bei der Eröffnung konnte ich leider nicht dabei sein."

Die Kombilösung sei eine Erweiterung eines ohnehin großartigen Bahnnetzes, meint RMTransit. "Der Erfolg dieses Netzes hat zahllose andere Verbindungsnetze inspiriert." Dazu zählt das Pariser Bahnnetz, welches mit vielen der Herausforderungen aus Karlsruhe auch in ihrem Netzwerk zu kämpfen gehabt habe.