Wenn Ludwig Wappner, Leiter des Architekturbüros Allmanwappner, auf dem Marktplatz vor dem Eingang zum Straßenbahntunnel steht, komme es ihm ganz unwirklich vor, dass sein Projekt nun ein integraler Teil der Fächerstadt geworden ist.
Vorstellung durch Corona verzögert
Wappner nämlich war als Architekt maßgeblich an der Planung des Karlsruher Straßenbahntunnels beteiligt. "Ich darf stellvertretend für ein großes Team nun die Architektur des Karlsruher U-Strab-Tunnels vorstellen", sagt er.

Gemeinsam mit Oberbürgermeister Frank Mentrup und dem Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), Alexander Pischon veranstaltet er zu diesem Zweck einen Rundgang durch die Haltestelle Marktplatz (Pyramide).
"Eigentlich sollte das schon zur Eröffnung des Tunnels geschehen", meint der OB dazu. "Doch wir mussten warten, bis sich die Corona-Situation entspannt und jeder der Beteiligten es terminlich arrangieren konnte", so Mentrup.
"Eine Perlenschnur an Einheitlichkeit"
"Seit wir 2004 den Architekturwettbewerb gewonnen haben, der uns zur Planung des U-Strab-Tunnels qualifizierte, mussten wir sehr viele Entscheidungen treffen, sowohl künstlerische als auch pragmatische", sagt Wappner. Architektur sei immerhin eine sehr exakte Disziplin. "Die Stadt und wir waren uns in vielem uneinig, alleine bei der Frage, ob wir die Haltestellen einheitlich halten sollen." Eine Aussage, die Mentrup rückblickend mit einem Lachen bestätigt.

"Obwohl oder gerade weil es tendenziell üblich ist, jede Haltestelle individuell zu gestalten - in München ist das beispielsweise der Fall - entschieden wir uns für Einheitlichkeit. Wir wollten, dass die sieben Haltestellen in ihrer hellen Grundfarbe eine perlenschnurartige Einheitlichkeit bilden. Das sollte ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt Karlsruhe werden. Ähnlich dem gelben U, das jeden Zugang ziert und um das wir auch sieben Jahre kämpfen mussten", so Wappner
"Wir haben unsere Zweifel überwunden"
"Ja, wir hatten zu Beginn einige Zweifel. Gerade ich, als ich 2013 neu als Oberbürgermeister antrat", sagt Frank Mentrup dazu. "Beispielsweise, was die Fassaden der Haltestellen angeht, die ja nur aus nacktem Beton bestehen sollten. Doch spätestens bei den ersten Resultaten sind mir diese Zweifel vergangen, denn gerade der Beton wurde Teil eines übergeordneten künstlerischen Motivs", meint der OB. Ein Stichwort, das Architekt Wappner aufgreift.

"Wir wollten den rohen Beton - quasi die Arbeit der Ingenieure veredeln", so Wappner. "Daher haben wir die Betonplatten, mit denen die Wände der Haltestellen ausgekleidet sind, gestockt, also mit Meißeln bearbeitet. Wir zogen dabei einige Inspirationen von Auguste Rodin, der ebenfalls viel mit Beton arbeitete. Ziel war, die Eingangsbereiche der Haltestellen mit etwas rauerem Beton auszukleiden, während die Haltestellen selbst glatt, fein und weiß gestockt wird", sagt er weiter.
"Sehen und gesehen werden"
Vom Groben ins Feine sollte die Haltestelle übergehen - was schon daran gemessen wird, dass die raueren Betonplatten an der Schwelle vom Zugang zu den Bahnsteigen in die perlweißen Stockflächen übergehen. "Es war übrigens auch ein Streitpunkt, ob die Halle wirklich weiß sein sollte. Wir wurden oft gefragt, ob man die hellen Böden überhaupt sauber halten kann", sagt Wappner und liefert sogleich die Antwort.

"Meiner Meinung nach hilft die Farbe aber sogar: Man sieht den Schmutz beim Reinigen besser und die Leute überlegen sich zweimal, ob sie die Flächen wirklich verschmutzen wollen. Es ist also ein Design, dass ästhetische Formen und pragmatische Funktionen verbinden sollen", so der Architekt.

"Dieses Paradigma konnten wir häufiger anwenden. Etwa sollten die Fensterscheiben, durch die man auf den Bahnsteig blickt, ursprünglich gar nicht da sein. Aus Brandschutz- und Sicherheitsgründen mussten wir sie aber einbauen, sodass wir sie ins gestalterische Konzept mit einbezogen. Ähnliches gilt für die beleuchteten Treppengeländer, die eine Barrierefreiheit für sehbehinderte garantieren soll oder die Notausgänge. Alles lebt vom Sehen und gesehen werden", sagt er weiterhin.
"Kein Kunstwerk, aber ein kunstvoll gestalteter Raum"
Bei der Frage des Sehens ist natürlich kaum etwas so essenziell wie das Licht. "Die Beleuchtung in den Bahnsteigen wurde vom international gefeierten Lichtinstallationskünstler Ingo Maurer konzipiert, der leider im Jahr 2019 verstorben ist. Sie bildet ein Herzstück der Haltestellen. Das Gespinst an Kabeln, an das die Beleuchtung angeschlossen ist, soll die Verdichtung von Systemen symbolisieren. Ähnlich wie die vielen Oberleitungen, die an einem Bahnhof zusammen kommen."

Gerade die verschiedenfarbigen Lichter seien dabei ein Publikumsliebling. "Die sozialen Netzwerke sind voll mit Fotos mit dem bunten Schattenwurf. Meiner Meinung nach hebt alleine die Ästhetik die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität des Tunnels", erklärt der OB dazu. Dabei sei die Beleuchtung der Bahnsteige nicht die einzige gründlich durchdachte Installation. "Auch in den Vorräumen ist die Beleuchtung Teil eines Designs", so Wappner.

"Sie sind in unregelmäßigen Winkeln angeordnet, sodass sie verschiedene Lichtflecken und Schatten werfen. Es kommt dabei eine Stimmung wie im Theater auf", sagt er. "Dabei sollen alle Elemente des Tunnels mit dem Licht harmonieren - selbst Feuerlöscher oder auch Werbeflächen. Ich bin im Übrigen sehr dankbar, dass die Stadt auf allzu aufdringliche Werbeflächen verzichtet hat. So wird die gesamte Haltestelle vielleicht nicht zum Kunstwerk, aber zum kunstvoll gestalteten Raum."
"So etwas baut man im Leben nur einmal"
Mit all diesen Elementen sei auch noch nicht das ganze Potenzial der Haltestelle ausgeschöpft. "Immerhin wird Markus Lüpertz Genesis-Projekt noch fertiggestellt", so Wappner.

"Außerdem ist speziell hier an der Haltestelle Marktplatz durch die Sackgasse, in der die S52 einfährt, noch ein ungenutzter Raum oberhalb der Gleise." Was genau mit diesem Raum geschieht, stehe laut Pischon und Mentrup aber noch nicht fest. Was aber feststeht, ist die Zufriedenheit des Architekten.
"17 Jahre sind zwischen dem ersten Entwurf und jenem fertigen Tunnel vergangen. Die Stockplatten wurden allesamt von Hand hergestellt, ein zehn Meter hoher Raum wurde in einer handwerklichen Meisterleistung unterirdisch eingerichtet, während die Pragmatik und die vielen notwendigen Sicherheitstechniken ins Konzept eingebunden wurden - trotz aller Streitpunkte. Unsere Vision wurde dabei Wirklichkeit. Ich glaube, ein Projekt von solchen Ausmaßen baut man nur einmal im Leben, glücklicher könnte ich also gar nicht sein", wie Wappner schließt.
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