Viele Bahnpendler kennen die Situation: Am Morgen steht man auf dem Weg zur Arbeit an der Bahnhaltestelle, doch es passiert - nichts. Die Bahn, die im Fahrplan angekündigt ist, kommt einfach nicht. Seit längerer Zeit ist das bei der AVG schon mehr oder weniger eine ungeliebte Tradition. Die Ursache des Problems lässt sich schnell ausmachen: Es gibt schlicht zu wenig Fahrer, damit alle geplanten Fahrten durchgeführt werden.
Das bestehende Personal muss zum Teil längere Dienste in Kauf nehmen, um den größten Teil des Betriebs aufrechtzuerhalten. Dafür erhalten sie dann auch eine extra Vergütung. Doch kommt es dann bei der ohnehin schon angespannten Situation zu Krankmeldungen, bricht das labile System zusammen - dann kommt eben nicht mehr jede Bahn.
Politische Kritik an der Situation aus der Region
Kritik kam dabei oftmals nicht nur von den Fahrgästen, sondern auch aus der Politik: Aus dem Pfinztal heißt es zum Beispiel, die Ausfälle seien "nicht hinnehmbar". Auch in der Pfalz wird die Forderung laut, dass die Probleme im Karlsruher Nahverkehr endlich in den Griff bekommen werden müssen. Die Kommunen tragen immerhin zur Finanzierung des ÖPNV bei. Sie haben daher Kürzungen dieser Zuschüsse angekündigt, wenn die vertraglichen Leistungen nicht erbracht werden und üben so Druck auf die AVG aus.

Zuletzt hat sich auch "Die Linke" im Karlsruher Gemeinderat über die Situation bei der AVG erkundigt: "'Personalbedingte Fahrtausfälle' kann sich der ÖPNV in der Konkurrenz zum motorisierten Individualverkehr auf Dauer aber nicht leisten", begründen Sabine Zürn und Niko Fostiropoulos ihre Anfrage an die Verwaltung. Auch um den "gewaltigen Imageschaden" einschätzen zu können, fragen sie daher, wie die aktuelle Situation ist.
Nicht nur die Fahrgäste, auch die AVG-Mitarbeiter leiden
"Die AVG ist sich der Tatsache bewusst, dass Fahrtausfälle in jedem Einzelfall eine deutliche Einschränkung für die betroffenen Fahrgäste darstellt", heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Weiter heißt es in der Stellungnahme: "Das hohe Maß an Leistungsausfällen [wird] nicht akzeptiert und an einer Verbesserung auf allen Ebenen gearbeitet." Weiter sei die Situation nicht nur für die Fahrgäste schlecht: "Auch jeder einzelne Mitarbeiter der AVG, sei es im Fahrbetrieb, in der Leitstelle, der Ausbildung, der Verwaltung et cetera, leidet enorm unter der derzeitigen Situation und dem schlechten Ansehen des Unternehmens."
Lag der Unterbestand 2017 noch bei 37 Personen, die rechnerisch gefehlt haben, waren es 2018 immerhin nur noch 33. "Aktuell fehlen noch rund 30 Fahrer", berichtet die Pressestelle der AVG auf Anfrage von ka-news.

Eingeschränke Personalpolitik rächt sich nun
Aber warum muss sich das Unternehmen überhaupt mit dem Thema Fahrermangel auseinandersetzen? Auf diese Frage heißt es aus der AVG-Pressestelle: "Vor einigen Jahren war noch nicht klar, wie die Zukunft des Karlsruher Modells aussieht, wie viele Züge überhaupt noch von der AVG zu fahren sein würden. Hier wurde unter unserer 'Vorgänger-Geschäftsführung' daher restriktiver eingestellt. Inzwischen ist klar, dass das 'Karlsruher Modell' eine solide Zukunft hat und die AVG langfristig Verkehrsleistungen erbringen wird."
Doch mittlerweile hat sich der Arbeitsmarkt verändert: "Sämtliche Verkehrsunternehmen der Branche konkurrieren bereits seit Jahren um das 'rare Gut" der Triebfahrzeugführer", so die AVG weiter. Mit ein Grund, warum die AVG nach eigenen Angaben bereits seit mehreren Jahren in die Ausbildungen zum Bahnfahrer intensiviert haben. Unter anderem habe man das Anforderungsprofil an die künftigen Fahrer angepasst.
Neue Rahmenbedingungen für neue Mitarbeiter
"Seit dem Frühjahr genügt für die Bewerbung ein Schulabschluss. Zuvor war eine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich. Auch können sich jetzt bereits 20-Jährige bewerben. Zuvor haben wir erst ab 21 Jahren eingestellt." Die ärztliche und psychologische Eignung ist hingegen weiter zwingend erforderlich. Zudem wurden in Heilbronn und Germersheim neue Standorte eröffnet, damit Mitarbeiter aus den Regionen auch von dort ihre Dienste starten und beenden können. Hinzu kommt eine breite Marketing-Kampagne, in der um den Beruf des Triebfahrzeugführers geworben wird.

Und genau diese Schritte scheinen nun gefruchtet zu haben: "Die aktuelle Perspektive sieht sehr gut aus", so Sarah Fricke von der AVG-Pressestelle. Derzeit starte alle zwei Monate ein neuer Ausbildungskurs, der Platz für 14 Anwärter für die Stelle des Bahnfahrers bietet. Während in der Vergangenheit die Kurse nicht alle ausgebucht waren, haben die Bemühungen offenbar für steigende Bewerberzahlen und vollere Kurse gesorgt. Doch nicht jeder schließt den Kurs erfolgreich ab.
2019 sollen ausreichend Fahrer zur Verfügung stehen!
Trotzdem nun der Optimismus bei der AVG: "Die ersten nun wieder voll besetzten Ausbildungskurse werden noch in diesem Jahr fertig", heißt es weiter. Die erfreuliche Konsequenz: "Nach aktuellen Berechnungen sollten wir im Sommer einen ausgeglichenen Fahrerbestand haben." Heißt also, dass ab Sommer 2019 die "personalbedingten Fahrtausfälle" der Vergangenheit angehören sollen.
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