Sonntag,19. April, ist der Stichtag: Bis zu diesem Datum steht das öffentliche Leben weitgehend still. Gaststätten und Geschäfte müssen geschlossen bleiben, Spielplätze sind gesperrt. So steht es in der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg.
Doch wie wird es ab kommender Woche weitergehen? Dass mit einem Schlag alle bis dato geschlossenen Einrichtungen wieder öffnen werden, ist wohl eher unwahrscheinlich. Sicher ist jedoch: Die Vorschriften müssen überarbeitet werden - und erste Lockerungen sind denkbar, so zumindest die Meinung der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Halle an der Saale, die auch das RKI unterstützt.
Wie die Lockerungen konkret gestaltet werden können, darüber berät am Mittwoch, 15. April, Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder. Denn: Das Vorgehen soll einheitlich sein und so die ganze Republik aus dem "Lockdown" herausführen.
Wie könnte es für Schulen, Unis und Kitas weitergehen?
In den vergangenen Wochen mussten die Schüler zu Hause bleiben, zu groß wäre die Infektionsgefahr in den Klassenzimmern. Ebenso hatten Universitäten und Kindertagesstätten ihren Betrieb einstellen müssen.
"Die Wiedereröffnung der Bildungseinrichtungen sollte sobald wie möglich erfolgen", so die Wissenschaftsakademie Leopoldina in einer Stellungnahme am Montag. Das Schließen der Einrichtungen würde die Bildungs-Ungleichheit sonst weiter verschärfen.

Zuerst sollen Grundschulen und die Sekundarstufe 1 wieder geöffnet werden, da die jüngeren Schüler mehr auf persönliche Betreuung angewiesen seien. Das Risiko der Ansteckung sollte dabei jedoch so klein wie möglich gehalten werden. Kitas sollen nur eingeschränkt öffnen, mit maximal fünf Kinder in einem Raum.
Für ältere Schüler soll der Regelunterricht erst später wieder beginnen - so die Empfehlung der Experten - weil diese den Fernunterricht besser nutzen könnten. Das Robert Koch-Institut hingegen rät, Schulen zuerst wieder für ältere Schüler zu öffnen, da diese die Abstandsregeln besser einhalten könnten.
Zurück zur Normalität: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein?
Derzeit gilt: Im Freien darf man sich nur zu zweit aufhalten, außerhalb der Öffentlichkeit dürfen nicht mehr als fünf Personen zusammenkommen. Diese Regelungen gelten laut der aktuellen Corona-Verordnung vorerst bis zum 15 Juni. Ausnahmen gibt es nur für Menschen desselben Haushaltes und enge Verwandte.
"In Abhängigkeit von der möglichen räumlichen Distanz und den Kontaktintensitäten der Beteiligten sollten gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Veranstaltungen nach und nach wieder ermöglicht werden", raten nun die Experten der Leopoldina. Um das zu ermöglichen, stellen sie allerdings drei Bedingungen auf:
- Die Neuinfektionen müssen sich auf niedrigem Niveau stabilisieren.
- Die medizinische Versorgung ist sichergestellt.
- Die Bürger müssen die Schutz- und Hygienemaßnahmen diszipliniert einhalten.
Könnten Geschäfte und Restaurants wieder öffnen?
Würden diese drei Voraussetzungen beachtet, könnten "zunächst zum Beispiel der Einzelhandel und das Gastgewerbe wieder öffnen sowie der allgemeine geschäftliche und behördliche Publikumsverkehr wiederaufgenommen werden", so die Ansicht der Akademie der Wissenschaften.
Bisher müssen alle Restaurants, Bars, Clubs und viele Geschäfte aufgrund der Corona-Pandemie ihre Türen geschlossen halten. Ausnahme für das Gastgewerbe: Essen zum Mitnehmen und auf Bestellung ist weiterhin erlaubt.
Kommt eine Mundschutz-Pflicht in der Öffentlichkeit?
Eine Gesichtsmaske zum Einkaufen oder zum Spazierengehen - über eine solche Pflicht wurde in den vergangenen Wochen mehrmals debattiert. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält das Tragen eines Mundschutzes zwar für sinnvoll, will es aber nicht zur Pflicht machen, erklärte er Ende März.
Die Experten der Wissenschaftsakademie Leopoldina sehen das anders. "Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz sollte als zusätzliche Maßnahme in bestimmten Bereichen wie dem öffentlichen Personenverkehr Pflicht werden", lautet ihre Empfehlung.
Werden Reisen ins Ausland erlaubt?
Wer in Zeiten von Corona in Urlaub fliegen oder fahren will, hat es nicht leicht: Die EU hat ihre Grenzen dicht gemacht und teils Einreiseverbote erlassen, ohne triftigen Grund darf dann niemand mehr in das jeweilige Land - das gilt auch für die Grenzübergänge zwischen Frankreich und Baden-Württemberg.
Von Reisen ins Ausland rät die Bundesregierung mit einer weltweiten Warnung für touristische Reisen noch bis Ende April ab. Die Wissenschaftler der Leopoldina sind aber der Meinung: Sollten die bereits erwähnten drei Voraussetzungen eingehalten werden, seien dienstliche und private Reisen "unter Beachtung der genannten Schutzmaßnahmen" möglich.
Werden ältere Menschen künftig isoliert?
Auf Senioren muss in der Corona-Krise am stärksten Rücksicht genommen werden. Sie gelten als Risikopatienten und sind daher - vor allem in Pflegeheimen - besonders für das Corona-Virus anfällig.
Dennoch lehnt die Leopoldina eine Isolierung einzelner Bevölkerungsgruppen - darunter auch ältere Personen - allein zu deren Schutz explizit ab. Eine solche Handlung sei "paternalistische Bevormundung", heißt es in der Stellungnahme.
Wie positionieren sich andere Experten?
In der Debatte um mögliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen stellt sich das Robert Koch-Institut hinter die Akademie der Wissenschaften. "Wir sehen zwischen den Einschätzungen des RKI und denen der Leopoldina keine gravierenden Unterschiede", erklärt RKI-Chef Lothar Wieler in einem Video-Statement am Dienstag. Im Großen und Ganzen enthalte die Leopoldina-Studie die Maßnahmen, "die man sich überlegen kann".
Wieler gibt aber zu bedenken: "Wir haben nach wie vor keine Blaupause, diese Pandemie gab es so noch nicht. Wir werden vieles einfach ausprobieren müssen." Fraglich sei aus Sicht des Institutspräsidenten lediglich, dass in der Stellungnahme der Leopoldina "bestimmte Messzahlen nicht genannt werden".

Konkret handele es sich hier um die Reproduktionsrate R, die angibt, wie viele Personen ein Corona-Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Ähnliche Ansichten teilt auch Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité-Klinik.
"An dem Tag, an dem ich als Infizierter Symptome bekomme, ist derjenige, den ich am Anfang meiner infektiösen Zeit infiziert habe, schon selber wieder infektiös. Zu Beginn meiner Erkrankung wird also fast schon die übernächste Generation wieder neu gestartet", erklärt Drosten Anfang April in einem Podcast des Norddeutschen Rundfunks (NDR).

Daraus müsse man die Konsequenz ziehen, eine solch schnelle Fallverfolgung nicht mehr einfach durch das Gesundheitsamt am Telefon zu bewältigen sei. "Diese Art von Fallverfolgung ist aber der Ausweg, den wir gehen müssen, wenn wir aus diesem Lockdown herauswollen", so der Virologe.
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