Druck aufbauen war das oberste Ziel des 9-Euro-Fonds, als er unmittelbar nach Auslaufen des 9-Euro-Tickets Ende September eingerichtet und verbreitet wurde. Das bestätigt auch der Initiator dieses Projektes, der den 9-Euro-Fond von der Idee bis zur Umsetzung begleitete, Mario Burkhardt im Gespräch mit ka-news.de.

"Wir wollten einerseits, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik ihren lokalen Nahverkehr auch weiterhin nutzen kann und andererseits drohende Verluste generieren, um die Regierung unter anderem zu einem akzeptablen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket zu bewegen", so Burkhardt.
"Daher konnte jeder auf unserer Website 9 Euro in unseren Fond einzahlen oder auch spenden und wir würden davon die Strafzettel bezahlen, falls die Spender beim Schwarzfahren erwischt werden."
Ein Aufruf zu Straftaten?
Dass dieses Vorgehen nicht ohne Kritik blieb, versteht sich beinahe von selbst.
Immerhin bewege sich dieser Fond in einer empfindlichen rechtlichen Grauzone. Er rufe die Bevölkerung zum Schwarzfahren auf und es gebe keine Garantie, dass die Betreiber des Fonds auch wirklich zurückzahlen, so zwei der Hauptkritikpunkte. Auf beide davon geht Burkhardt auf Nachfrage der Redaktion ein.

"Natürlich haben wir uns dabei von Anfang an eine Rechtsberatung geholt", erklärt er. "Und immer darauf geachtet, dass wir im Wortlaut unseres Service nie zu Straftaten aufrufen - und wir machen auf unserer Website darauf aufmerksam, dass wiederholtes Schwarzfahren rechtliche Konsequenzen haben kann."
"Wir haben Hunderte Male ausbezahlt"
Ob die Betreiber auch wirklich die Strafzettel ihrer Spender bezahlen, sei eine Frage, die sich mittlerweile auf deutlich belastbarer Grundlage beantworten lässt. "Alleine im September und im Oktober haben wir Hunderte Male an unsere Spender ausbezahlt. Meiner Meinung nach zeigt das, dass wir es ernst meinen", sagt Burkhardt weiter.

Immerhin habe es das Projekt der 9-Euro-Fonds so geschafft, bis Mitte Oktober "rund 10.000 Personen als Spender zugewinnen, sowohl regelmäßig als auch einmalig." Wie viele Ausgaben dabei entstehen, hänge vor allem vom Takt der Kontrollen ab, wie sie in den verschiedenen Verkehrsbetrieben Deutschlands vorgenommen werden.
Die Partei kooperiert mit dem 9-Euro-Fonds
Entsprechend der hohen Zahl an Spendern und Auszahlungen entstanden auch einige Probleme. Vor allem, da die Kapazitäten an Personal sehr begrenzt waren. "Unser Team bestand bisher aus einer zweistelligen Anzahl an ehrenamtlichen Mithelfern. Die mussten den 9-Euro-Fonds bisher neben Arbeits- und Familienleben balancieren. Immerhin wollten wir die 9-Euro-Fonds-Alternative nur bis zu einem 9-Euro-Ticket-Nachfolger aufrechterhalten."

Nun, mit dem Anbahnen eines 49-Euro-Tickets sei Burkhardt aber keineswegs zufriedengestellt. "Das ist meines Erachtens nur ein marginaler Preisnachlass, deshalb wollten wir den 9-Euro-Fonds weiterbetreiben. Glücklicherweise bleiben wir dabei auch nicht ohne Hilfe, denn in Zukunft wird der Fonds direkt von der Partei betrieben", erklärt Burkhardt.
"Wir haben eine gute Heimat gefunden"
Partei-Vorsitzender Martin Sonneborn habe den Kontakt mit Burkhardt gesucht und habe angeboten, dass die Partei künftig die Schirmherrschaft über die Initiative des 9-Euro-Fonds übernehmen könne.

"Genau genommen hatte die Partei selbst eine ähnliche Idee, die sie aber nie zur Ausführung gebracht haben", so Burkhardt. "Wir haben am 12. Oktober dankbar angenommen. Wir glauben, wir haben bei der Partei, die für kuriose und menschenorientierte Politik bekannt ist, eine gute Heimat gefunden", erklärt Projektvater Burkhardt.
In Zukunft lassen sich auch die Nutzer in Karlsruhe nachvollziehen
Mit der Übernahme der Initiative durch die Partei erwarte Burkhardt nämlich eine Reihe von Entlastungen. "Zunächst einmal haben wir mehr Rechtssicherheit, da die Partei dahingehend schwerer angreifbar ist. Dann werden die ehrenamtlichen Helfer künftig von der Partei für ihre Arbeit am Fond bezahlt, was eine enorme Hilfe für sie darstellt. Außerdem muss man zukünftig seine Adresse hinterlegen, wenn man eine Auszahlung für Strafzettel möchte", so Burkhardt.

Grund dafür sei, dass die Partei offizielle Ausstellungsscheine vergeben müsse, damit das Geld für einen Strafzettel auch auf das Konto einer Privatperson überwiesen wird. Dazu sei die Adresse eine notwendige Formalität. "Das hat auch zum Nebeneffekt, dass wir zukünftig besser nachvollziehen können, wo in Deutschland unser Angebot wie stark genutzt wird", so Burkhardt. "Etwa bei Ihnen in Karlsruhe."
Die Perspektive der Karlsruher Partei
Bei dieser Aussage stellt sich natürlich die Frage, wie die Partei in Karlsruhe zum 9-Euro-Fonds und seiner Übernahme steht. Auf der Suche nach einer Antwort, wendet sich ka-news.de an Max Braun, Stadtrat der gemeinsamen Fraktion der Partei und der Karlsruher Liste.

"Hier in Karlsruhe begrüßen wir die Übernahme des 9-Euro-Fonds durch die Partei auf Bundesebene", sagt Braun. "Auch ich als Stadtrat unterstütze die Aktion, immerhin fahre ich in meiner Funktion seit bald acht Jahren kostenlos mit der Bahn - und dieses Erlebnis möchte ich gerne an die Bevölkerung weitergeben - oder zumindest den Preis gering halten."
"Menschen stehen über der Wirtschaft"
Über die die Position des Fonds in einer rechtlichen Grauzone sei Braun sich bewusst. "Es ist korrekt, dass dieser Fond ganz schnell in eine illegale Richtung abdriften kann und dass auch wirtschaftliche Schäden beim Karlsruher Verkehrsverbund entstehen könnten", meint er. "Allerdings glaube ich auch, dass der Mensch über der Wirtschaft stehen sollte."

Soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit und Menschenrechte seien Stichworte, die mit einem funktionierenden und preisgünstigen ÖPNV zusammenhingen. "Dafür braucht es klare und manchmal radikale Lösungen", meint Braun. "Deshalb finde ich, dass der 9-Euro-Fond ein guter Schritt ist. Selbst wenn die hiesigen Verkehrsbetriebe wohl kaum begeistert davon sein werden."
KVV weiterhin sehr kritisch eingestellt
Diese Einschätzung soll sich als korrekt erweisen. Man könne kaum leugnen, dass der Fond letztlich über die Köpfe des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) hinweg entschieden wurde. Entsprechend bewahrt der KVV seine ablehnende Haltung gegenüber des Fonds.

"Egal wer ihn nun finanziert: Der KVV lehnt die aktivistische Initiative des genannten 9-Euro-Fonds klar ab, da hier dazu aufgerufen wird, den Nahverkehr ohne Ticket zu nutzen", so ein Sprecher des Verbundes. "Wer bei einer Kontrolle keinen gültigen Fahrschein vorweisen kann, muss ein erhöhtes Entgelt entrichten. Ab dem dritten Vorfall dieser Art wird von uns Strafanzeige wegen des Erschleichens von Leistungen gestellt. Der Person drohen dann strafrechtliche Konsequenzen."
Zur Partei selbst und ihrer Entscheidung, sich hinter die Aktion zu stellen möchte sich der KVV dabei aber nicht äußern.
