Der Jubel in Georgien war groß, als sich die Mannschaft zum ersten Mal in ihrer Geschichte für eine Endrunde einer Europameisterschaft qualifizierte. Maßgeblich am Erfolg beteiligt war KSC-Spieler Budu Zivzivadze, der mit seinem Doppelpack das Halbfinale der Qualifikation gegen Luxemburg entschied. Doch konnte der Stürmer seine guten Leistungen aus der Quali mit in die Endrunde nehmen?
Späte Einwechslung ohne Erfolg
Beim Karlsruher SC machte Zivzivadze in der letzten Saison einen Namen durch späte Jokertreffer. Während er in den Qualifikations-Playoffs - unter Mithilfe einer Sperre des Starspielers Khvicha Kvaratskhelia - in der Startelf stand, musste er sich bei der EM mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen. So sah er auf der Bank mit an, wie seine Mannschaft ein gutes Spiel gegen die Türkei ablieferte, aber kurz vor Schluss mit 1:2 hinten lag.

Perfekte Voraussetzungen für Budu nach seiner Einwechslung in der 85. Minute zum Held zu werden. Doch es kam anders. In der Nachspielzeit stolperte er eine Flanke zum frei stehenden Mitspieler, doch der verschießt. Kurz darauf rutschte er in einen Ball - Abstoß. Als in der letzten Minute der Nachspielzeit ein türkischer Spieler ins leere Tor zum 1:3 trifft, sind alle Hoffnungen der Georgier, die zwar als krasse Außenseiter in ihr erstes Turnier gingen, aber nach einer starken ersten Hälfte einen Punkt verdient hätten, verflogen.
Sind Budus Nicht-Einsätze von politischer Natur?
In den folgenden Gruppenspielen gelang Georgien das Unglaubliche: Nach einem 1:1 Unentschieden gegen Tschechien und einem Überraschungs-2:0-Sieg gegen das Star-Ensemble aus Portugal zogen sie als zweitbester Gruppendritter ins Achtelfinale der Europameisterschaft ein. Budu Zivzivadze bekam jedoch in beiden Spielen keine Einsatzminute. Aufgrund eines Facebookposts kamen Vermutungen auf, dass die geringe Einsatzzeit Zivzivadzes politisch motiviert sein könnte. Vor kurzem wurde in Georgien ein Gesetz verabschiedet, in dem Kritiker einen Versuch sehen, die georgische Zivilgesellschaft zu kontrollieren und sich Russland hinzuwenden. Tausende gingen gegen das Gesetz auf die Straße, es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, wie die Tagesschau berichtet. In seinem Facebookpost schrieb Budu, dass Georgien nicht nach Russland drängen sollte, sondern der Weg nach Europa führe. Zudem schrieb er, Angriffe auf friedliche Demonstranten seien nicht gerechtfertigt.

Willy Sagnol, Trainer von Georgien, wies diese Vorwürfe jedoch vehement von sich. Er basiere seine Entscheidungen "ausschließlich auf fußballerische Fakten", so der Franzose in einer Pressekonferenz vor dem dritten Gruppenspiel gegen Portugal. Vor wenigen Monaten sei er noch "von vielen Leuten beleidigt worden, als ich Mikautadze auf die Bank setzte und Budu spielen ließ", so der frühere Bayern-Spieler weiter. Jetzt werde er "jeden Tag von irgendwelchen Trotteln beleidigt", allerdings sei es allein seine Entscheidung, wer spielt und wer nicht. Auch Zivzivadze selbst äußerte sich kritisch gegenüber der Vorwürfe. "Das ist Bullshit", sagte er gegenüber den Badischen Neusten Nachrichten (BNN). "Es ist seine Entscheidung und das ist einfach alles". Gegen Toptorjäger Mikautadze und Starstürmer Kvaratskhelia schien für ihn einfach kein Vorbeikommen.
Gegen Spanien ist Schluss: Fans feiern ihre Mannschaft nach Heimkehr
Im Achtelfinale wartete auf die Georgier dann die Mammutaufgabe. Vor der EM hatte kaum jemand überhaupt mit einem Weiterkommen der Mannschaft aus dem Kaukasus gerechnet. Jetzt hieß der Gegner ausgerechnet Spanien, die sich in der Gruppenphase als Topfavorit auf den Titel herausstellten. Als einziges Team gewannen sie alle drei Spiele, zudem kassierten sie keinen Gegentreffer. Die Georgier - ohne Budu in der Startelf - starteten mutig in die Partie und durften nach 18 Minuten träumen. Nach einem Konter kam ein Flügelspieler zur Flanke. Ein spanischer Verteidiger war in der Mitte als Erstes am Ball, wollte klären, doch versenkte den Ball unhaltbar für den Keeper ins eigene Netz. Somit hieß es also 1:0 für den krassen Außenseiter, die den Spaniern ihr erstes Gegentor des Turniers einschenkten. Die Hoffnungen waren groß, das Spiel allerdings noch lange nicht vorbei.

20 Minuten später fanden alle Hoffnungen jedoch ein jähes Ende. Kurz vor der Halbzeit glich der spanische Favorit aus. In der zweiten Halbzeit spielten sie weiter dominant und gewannen am Ende auch in der Höhe verdient mit 1:4. Als Budu in der 79. Minute eingewechselt wird, ist es beim Stand von 1:3 im Grunde schon entschieden. Am Ende der EM kommt Zivzivadze so auf weniger als 20 Spielminuten. Seiner Freude dürfte das allerdings keinen Abbruch getan haben. Er war maßgeblich beteiligt, dass er mit seiner Mannschaft überhaupt in einer EM-Endrunde stand.

Auch die Fans sind begeistert von der Leistung. Bei der Heimkehr in die georgische Hauptstadt Tiflis wird der Mannschaft ein rauschendes Fest geschmissen. Bis in die Nacht hinein werden die Spieler von einer Menschenmasse abgefeiert, inklusive Feuerwerk.
Nach den turbulenten und kräftezehrenden Wochen rund um die EM bekam Budu ein paar Tage zusätzlichen Sommerurlaub, bis er beim KSC-Training einsteigt.
KSC profitiert von EM-Teilnahme Budus
Laut Kicker-Informationen schüttet die UEFA insgesamt 140 Millionen Euro an die Vereine aus, deren Spieler bei der EM sind. Der Karlsruher SC erhalte davon 168.000 Euro.
Wie läuft es für die Ex-Spieler des KSC?
Nach dem Viertelfinale sind auch alle Ex-Karlsruher aus dem Turnier ausgeschieden. Hier gibt es eine Übersicht über die einzelnen Spieler.
Marco Pašalić:
Marco Pašalić, der frühere Karlsruher Jugendspieler, kam bei der EM nicht zum Einsatz und flog mit Kroatien nach einer enttäuschenden Gruppenphase als schlechtester Gruppendritter raus.
Pascal Groß:
Der gebürtige Mannheimer wurde gegen Schottland in der Halbzeitpause eingewechselt und hatte beim Stand von 3:0 keine allzu schwere Aufgabe. Groß bekam danach keine Spielzeit mehr und konnte nur dabei zusehen, wie die deutsche Mannschaft im Viertelfinale nach bitterem Spielverlauf gegen Spanien ausschied.

Nico Schlotterbeck:
Nico Schlotterbeck wurde im Spiel gegen die Schweiz in der 61. Minute eingewechselt. Nachdem er bei einem Schweizer Angriff den Ball vertändelte, hatte er Glück, dass es keinen Gegentreffer gab. Gegen Dänemark ersetzte er die vollen 90 Minuten den gelbgesperrten Jonathan Tah und zeigte ein gutes Spiel.

In der dritten Minute wurde ihm ein Kopfballtor aberkannt, das 2:0 von Jamal Musiala bereitete er mit einem langen Pass vor. Einzig ein Ballverlust im eigenen Strafraum trübte seine Leistung ein wenig. Bei der 1:2 Niederlage gegen Spanien saß er 120 Minuten nur auf der Bank.
Hakan Çalhanoğlu:
Der wie Pascal Groß ebenfalls in Mannheim geborene Hakan Çalhanoğlu führte die türkische Nationalmannschaft als Kapitän ins Feld. Beim 3:1 gegen Georgien und 2:1 gegen Tschechien zeigte er eine solide Leistung, in letzterem schoss er das 1:0. Bei der 0:3-Niederlage gegen Portugal blieb er ähnlich blass wie seine Teamkollegen. In der Gruppenphase sammelte er zwei gelbe Karten, in der hitzigen Partie gegen Tschechien (16 gelbe Karten, 1 gelb-rote, 2 rote) bekam er diese ausgerechnet wegen Meckern gezeigt. Somit fehlte er im Achtelfinale gegen die als "Geheimfavorit" gehypten Österreicher. Er sah jedoch eine überragende Leistung seiner Mannschaft, die mit 2:1 unter großem Jubel der türkischen Fans ins Viertelfinale einzogen.

Die vielen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland unterstützten ihre Mannschaft in den Spielen enorm. Çalhanoğlu selbst sagte, es pushe ihn nochmal extra, "dass wir zu Hause spielen". Auch sein Vater sagte im Vorfeld des Spiels, "es fühlt sich an wie eine Heim-EM". Die türkische Mannschaft ging mit großem Momentum, aber dennoch als Underdog, in die Partie gegen die Niederlande und ging vor der Halbzeit tatsächlich in Führung. Lange Zeit sah es so aus, als ob der Traum weitergehe, doch die Niederländer drehten innerhalb von sechs Minuten das Spiel und gewannen am Ende mit 2:1.

Das Spiel wurde allerdings ein wenig von Nebengeräuschen überschattet. Zum einen sorgte der Stadionbesuch des umstrittenen Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, für Diskussionen. Zum anderen war da natürlich die Sperre des Doppeltorschützen Merih Demiral, der nach dem Sieg über Österreich den "Wolfsgruß", das Symbol der rechtsextremistischen "Graue Wölfe"-Bewegung, zeigte. Während der Hymne taten es ihm zahlreiche türkische Fans nach, zudem löste die Polizei im Voraus der Partie einen Fanmarsch auf.