Der Einsatz von verbotenen Feuerwerkskörpern im Stadion beschäftigt seit zwei Jahren die Karlsruher Justiz. 11 Personen wurden damals im Rahmen der Pyro-Choreo verletzt.
Insgesamt wurden 28 Strafbefehle von der Staatsanwaltschaft gestellt, 25 davon gegen Fans und drei gegen Mitarbeiter des Fan-Projektes. Gegen alle wurde von den Beschuldigten Einspruch eingelegt. Sechs Fans wurden bereits verurteilt. Am 12. September, um 9 Uhr, geht der Prozess im Karlsruher Amtsgericht weiter. Den Vorsitz hat Richter Dr. Holdefer.

Angeklagt sind der 36-jährige Jonas S. und der 33-jährige Richard S., die beiden müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Verteidigt werden sie von den Rechtsanwälten Stefan Motzenbäcker und Silke Hagenmeier.
Die Angeklagten werden sich vor Gericht nicht äußern
Sowohl Jonas S., als auch Richard S. verweigern vor Gericht die Aussage. Die Staatsanwaltschaft legte beiden Angeklagten nahe, den Einspruch doch noch zurückzuziehen. Bei den bisher sechs abgeschlossenen Verfahren, hätten die Angeklagten deutlich schwerere Strafen aufgebrummt bekommen, als im eigentlichen Strafbefehl vorgesehen waren.

Den Hinweis nahmen die Angeklagten und ihre Anwälte zur Kenntnis, zogen ihren Einspruch jedoch nicht zurück. Das Verfahren geht deshalb in die Beweisaufnahme.
Chats von "Rheinfire" werden verlesen
Die Angeklagten sollen sich vor dem Spiel gegen St. Pauli in Chatgruppen mit Anderen Fans ausgetauscht und die Choreo geplant haben. Hier soll auch der Einsatz von Pyrotechnik geplant worden sein.
Richard S. verschickte am 11. November eine Sprachnachricht, in der er zugab, Pyrotechnik in den Räumen des Fan-Projektes vorbereitet zu haben. Die Auswertung des Handys von Richard S. ergab, dass der 33-Jährige nach der Choreo weitere Feuerwerkskörper bestellt hat.

Jonas S. trat in den Gruppenchats nicht in Erscheinung, taucht aber auf einer Anwesenheitsliste einer Mitgliederversammlung der Ultragruppe auf. In dieser Versammlung soll auch der Einsatz von Pyrotechnik geplant worden ein. Des Weiteren soll der 36-jährige Angeklagte im Vorfeld des Spiels gegen St. Pauli eine Ansprache gehalten haben. Das wurde auf Stadionkameras festgehalten. Was Inhalt dieser Ansprache war, ist nicht bekannt.
"Choreo ist ungewollt aus dem Ruder gelaufen"
Am 15.November, wurden in dem Gruppenchat die Konsequenzen der Choreo diskutiert. Der KSC hätte um ein Treffen mit allen Ultragruppierungen gebeten, um den Vorfall aufzuarbeiten. Im Chat einigte man sich auf die Formulierung, die Choreo sei ungewollt aus dem Ruder gelaufen. Das neue Stadion und die Wetterverhältnisse an dem fraglichen Tag hätten die Abschätzung der Rauchentwicklung erschwert.

Man wolle dem KSC aber entgegenkommen und einige Monate freiwillig auf größere Aktionen verzichten, liest man in den Chatverläufen. Michael Becker habe sich mit Verantwortlichen der Ultragruppen in Verbindung gesetzt und ihnen mitgeteilt, dass der Verein den geplanten Täter Opferausgleich nicht abwarten könne. Der Druck aus Politik und den Medien sei zu groß gewesen. Die geplante Pressemitteilung des KSC habe Becker vorgelesen und sie sei für die Ultras verkraftbar.

Die Stimmung im Gruppenchat spiegelt das auch wider: "Haben ja gewusst, worauf wir uns einlassen", liest man als Reaktion auf die Gespräche der Ultras mit dem Verein.
"So einen Pyrotechnikeinsatz, habe ich noch nie erlebt": Die Aussagen der ermittelnden Polizisten
Johannes B. und Nicola B. sind Karlsruher Polizisten und haben bei den Ermittlungen nach dem Einsatz von Pyrotechnik mitgearbeitet. Beide sagen aus, dass die Angeklagten der Ultragruppierung "Rheinfire" angehören. Jonas S. soll dem harten Kern der Ultras angehören. Richard S. sei jedoch nur im Umfeld der Gruppe aktiv.

Zur Identifizierung der beiden Angeklagten in den Chats rund um das Pyrospiel gegen St. Pauli, nutzte die Polizei eine Anfrage bei den Telefonanbietern. Beide Angeklagten konnten einem Pseudonym zugeordnet werden. Beim Abbrennen der Pyrotechnik im Stadion konnten weder Jonas S., noch Richard S. beobachtet werden.
Wie kam die Pyrotechnik ins Stadion?
Nach den Polizeibeamten wurden die beiden Zeugen Ulrich W. und Ralf H. gehört. Beide waren während der Choreo im Stadion und erlebten den Einsatz von Pyrotechnik hautnah mit. Der 59-jährige Beamte Ulrich W. habe nach eigenen Angaben keine Panik verspürt, empfand die Situation aber als äußerst unangenehm.

Er lenkt mit seiner Aussage die Aufmerksamkeit des Gerichts aber auf die Rolle der Stadionsicherheit bei der Choreo: "Drei bis vier Minuten vor dem Anpfiff kamen vermummte Männer in den Block. Sie trugen lange Stangen bei sich, an denen pyrotechnische Gegenstände befestigt waren", erinnert sich der 59-Jährige. Die Stadionordner hätten diese Männer komplett unbehelligt in den Block gelassen und ihnen sogar Begleitschutz an ihre Plätze gegeben.

Ähnliches berichtet auch der Zeuge Ralf H. "Ich habe einen Ordner angesprochen und gefragt, ob das an den Stangen Pyrotechnik ist", erklärt der 53-jährige Baustoffprüfer. Der Ordner habe das verneint und ihm gesagt es handle sich hier um eine genehmigte Aktion der Stadt Karlsruhe.

Einer Auffassung der ein weiterer geladener Zeuge vehement mit seiner Aussage widerspricht. Holger B. war 2022 Sicherheitsbeauftragter des KSC und für die Einlasskontrollen mitverantwortlich. "Beim Aufbauen der Choreos werden die Fans und ihr Material kontrolliert", schildert der 47-Jährige. Hierbei sei keine Pyrotechnik gefunden worden. "Wenn wir wüssten wie die Sachen ins Stadion kommen würden, gäbe es keine solchen Aktionen mehr", versichert der ehemalige Sicherheitsbeauftragte des KSC.
Am 19. September geht der Prozess weiter. ka-news.de ist dann wieder vor Ort. Alle Neuerungen werden an in einem neuen Artikel ergänzt.
Welche Konsequenzen der Pyroeinsatz bisher hatte
Am 23. Mai wurden zwei Mitglieder der Ultragruppierung "Rheinfire" in Karlsruhe angeklagt und schuldig gesprochen. Die beiden KSC-Fans erhielten Bewährungsstrafen und ein einjähriges Stadionverbot. Vier weiter Fans wurden in zwei anderen Verfahren ebenfalls verurteilt.
Auch für die Sozialarbeiter des Fanprojektes hatte die Pyroaktion der Fans juristische Konsequenzen. Sie sollen die Täter gekannt haben und hätten trotz Ladung nicht als Zeugen ausgesagt, sagt die Staatsanwaltschaft.

Aber auch der KSC wurde für die eskalierte Choreo zur Kasse gebeten. Das DFB-Sportgericht verhängte am 6. März 2023 eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro gegen den Verein.