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Karlsruhe: Nach Pyro-Prozess: Wie geht es mit dem KSC-Fanprojekt weiter?

Karlsruhe

Nach Pyro-Prozess: Wie geht es mit dem KSC-Fanprojekt weiter?

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    KSC Fanprojekte 27.08.2024
    KSC Fanprojekte 27.08.2024

    Mit einer großangelegten Pyro-Aktion und einer Blockfahne mit der Aufschrift: "Raufen, Saufen, Händel suchen" machten die KSC-Ultras am 12. November 2022 nicht nur die Fußballwelt auf sich aufmerksam, sondern auch die Justiz. Mehrere Besucher des Spiels in Karlsruhe mussten sich wegen des Rauches im Block übergeben und klagten über Atembeschwerden.

    Pyro-Prozess: Sozialarbeiter von Staatsanwaltschaft angeklagt

    Selbst gezündelt sollen sie nicht haben. Die Mitarbeiter des Projektes haben in jahrelanger Arbeit enge Verbindungen zur Fan- und Ultraszene aufgebaut. Darum sollten die drei Sozialarbeiter des Projekts als Zeugen aussagen. Diese verweigerten aber die Aussage, um das aufgebaute Vertrauen und die mühsam geknüpften Beziehungen zu den Fans nicht zu gefährden.

    Eine Entscheidung, die moralisch unterschiedlich bewertet werden kann, juristisch jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich der Sozialarbeiter fiel – so zumindest die Einschätzung der Karlsruher Staatsanwaltschaft, die daraufhin die Mitarbeiter des Fanprojekts anklagte. Darunter auch Volker Körenzig. 

    Volker Körenzig fordert seit Langem ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter.
    Volker Körenzig fordert seit Langem ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter. Foto: Thomas Riedel

    Im Interview mit ka-news.de erklärt der Einrichtungsleiter nun, welche Auswirkungen das Verfahren auf seine Arbeit hat. 

    ka-news.de: Wie reagierten Sie auf die Vorwürfe gegen Sie und die anderen Mitarbeiter des Projektes?

    Wir waren sehr überrascht, als die Ladungen der Staatsanwaltschaft im Mai 2023 bei uns eingetroffen sind. Wie wir dann auch feststellen mussten, zählte die Verschwiegenheitserklärung in unseren Arbeitsverträgen nicht für die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Das wurde uns bei Vernehmungen deutlich gemacht.

    Die Staatsanwaltschaft ging sogar noch weiter und wollte eine sogenannte Beugehaft gegen uns erwirken. Das wurde zum Glück aber von einem Richter am Amtsgericht vehement abgelehnt. Ich kann was das angeht nur für mich sprechen und nicht für meine Kollegen. Aber mich hat diese Situation enorm belastet.

    KSC Fanprojekte 27.08.2024
    KSC Fanprojekte 27.08.2024

    Davor war ich in meiner Laufbahn noch nicht einmal krankgeschrieben. Danach musste ich mir eine sechswöchige Auszeit nehmen, weil ich mich psychisch erst einmal erholen musste. 

    Welche Maßnahmen wurden seit Bekanntwerden der Vorwürfe innerhalb ihres Projektes ergriffen?

    Primär haben wir uns mit den Fans zusammen entschlossen, bei Auswärtsspielen nicht mehr in den Fanbussen mit zu fahren. Viele der Ultras wollten uns auch schützen. Also kamen auch Fangruppierungen auf uns zu und meinten "wir wollen euch nicht erneut in eine solche Situation bringen".

    Das finde ich eine sehr reflektierte und bedachte Entscheidung von den Jungs. Gerade wenn man die Klischees bedenkt, mit denen sich Ultras konfrontiert sehen. 

    KSC-Fanbeauftragter im Gespräch Marius Fritz.
    KSC-Fanbeauftragter im Gespräch Marius Fritz.

    Weitere Konsequenzen bestanden darin, dass wir uns nicht mehr als Ansprechpartner für die Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt haben. Das heißt, wir haben nicht mehr an der Sicherheitseinstufung vor Heimspielen oder den Vorbereitungen zu den Fanmärschen teilgenommen.

    Da haben wir auch schon mitbekommen, dass gerade das Ordnungsamt und der Verein unser Fehlen bemerkt haben und doch auch darunter gelitten haben.

    Wie genau hat der KSC als Verein unter eurer Abwesenheit gelitten?

    Gerade bei der Sicherheitsbesprechung vor Heimspielen, saß außer uns keiner in diesen Konferenzen, der tatsächlich wirklich im Block steht. Wir konnten die Stimmung im Vorfeld eines Spiels immer gut antizipieren und die Entscheidung dadurch mit beeinflussen.

    Diese Expertise fehlt jetzt und das macht die Entscheidungen, wie bestimmte Spiele einzuschätzen sind, deutlich komplizierter für den Verein.

    Wie beeinflusst der Laufende Prozess die Beziehung zu den Fans?

    Der Zugang zu den aktiven Fans hat sich erschwert und damit auch die Kommunikation. Früher haben sich die Fans in den Räumlichkeiten des Fanprojektes getroffen und konnten sich da untereinander oder mit uns austauschen.

    Hier soll das Fan-Projekt bald einziehen. Doch derzeit meiden die Ultras das Projekt.
    Hier soll das Fan-Projekt bald einziehen. Doch derzeit meiden die Ultras das Projekt.

    Dieser Kommunikationsweg ist durch den Prozess teilweise abgerissen. Die einzelnen Fangruppen treffen sich jetzt in Kneipen und anderen Treffpunkten. Das erschwert unsere Arbeit ungemein.

    Und die Arbeit des Fanprojekts?

    Anfangs haben wir uns im Team auch dazu entschlossen, bei Spielen nicht mehr im Block zu stehen. Da wir dann unweigerlich erneut in dieselbe Situation gekommen wären. Im Stadion ist ja alles videoüberwacht. Da hätten sich nur zwei Leute neben uns prügeln müssen und wir wären schon wieder Zeugen in einem Strafverfahren und der ganze Spaß würde von vorne losgehen.

    Das habe ich nur ein Jahr durchgehalten. Danach bin ich in den Block zurück. Weil ich der Meinung bin, nur im direkten Kontakt mit den Leuten meinen Job richtig machen zu können. Dafür werde ich ja auch bezahlt.  Die Arbeit des Fanprojektes beginnt und endet mit der Auseinandersetzung mit den aktiven Fans.

    Wenn wir verurteilt würden beim Gerichtsverfahren im Oktober, dann wären wir vorbestraft. Dann findet man im sozialen Bereich keinen Job mehr.

    Besteht die Gefahr, dass der Prozess das Vertrauen der Fans langfristig schädigt?

    Nein, die Fans haben weiterhin Vertrauen in uns und unsere Arbeit. Das ist mir sehr wichtig, diesen Punkt so festzuhalten. 

    KSC Fanprojekte 27.08.2024
    KSC Fanprojekte 27.08.2024

    Ich sehe es auch kritisch, wie es überhaupt zu dem Verfahren gegen uns gekommen ist. Der KSC wollte nach dem Pyroeinsatz, eine Aussprache zwischen den Opfern und den Fans durchführen. Um diesen Dialog zu begleiten, hat uns der Verein mit ins Boot geholt.

    Die Staatsanwaltschaft dachte sich dann, wenn ihr mit den Ultras kommuniziert, wisst ihr auch wer die Täter sind und hat uns vorgeladen. Also musste eine pädagogische Maßnahme hinhalten, um die Strafverfolgung durchzusetzen. Das verstehe ich nicht und kann das nicht nachvollziehen.

    Befürchten Sie, dass der Prozess das Image der Fanarbeit negativ beeinflussen könnte?

    Das kann ich so nicht sagen. Wichtig ist aber, dass das Urteil eine Grundsatz-Entscheidung sein wird. Nämlich ob sich Sozialarbeiter, nicht nur im Fußball, strafbar machen. Denn überall haben Sozialarbeiter Kontakt zu Straftaten und auch zu Straftätern.

    Volker Körenzig im Gespräch mit ka-news.de
    Volker Körenzig im Gespräch mit ka-news.de

    Wenn man uns jetzt verurteilt, müssen alle Sozialarbeiter damit rechnen ebenfalls kriminalisiert zu werden. Deshalb habe ich eine Initiative mit gegründet, die fordert, das Zeugnisverweigerungsrecht auch auf den Berufsstand der Sozialarbeiter auszuweiten. 

    Was sagen Sie zu dem Prozess und der Klageerhebung gegen die Organisation?

    Ich glaube, die Justiz schießt sich hier ins eigene Knie. Einerseits fordert man geordnete Zustände in den Stadien, andererseits verfolgt man eine Organisation wie die unsrige.

    Ich möchte aber betonen, dass man im Block sicher ist. Ich möchte nicht klein reden was da 2022 schiefgelaufen ist. Aber die Kriminalstatistik belegt, dass es im Vergleich auf jedem Fest mehr Straftaten gibt als im KSC-Block.

    Wie sehen Sie die Zukunft des Fanprojektes?

    Ich hoffe, dass bald wieder normale Zustände hier einkehren werden. Wenn die Bauarbeiten an unseren neuen Räumlichkeiten abgeschlossen sind, haben die Fans auch Platz um sich hier zu organisieren. Ich hoffe, dass sie dann auch wieder zu uns zurückkehren werden.

    KSC Fanprojekte 27.08.2024
    KSC Fanprojekte 27.08.2024

    Auch die Jugendarbeit sollte wieder leichter werden. Derzeit haben wir keinen guten Zugang zu den jungen Fans. Das ändert sich sicher wieder, wenn dieser Prozess hinter uns liegt.

    Das Fanprojekt ist bundesweitvernetzt, wie fielen die Reaktionen der anderen aus? Blickt man besorgt nach Karlsruhe?

    Ja klar, die beobachten diesen Prozess genau. Das hat man auch bei den Plakataktionen nach Bekanntwerden des Verfahrens gegen uns gesehen. Da haben sich beinahe alle Ultragruppierungen mit Plakaten in den Stadien solidarisch mit uns gezeigt.

    Es hat mich besonders berührt, dass diese Aktion nicht von den Fanprojekten, sondern von den Fans selbst ins Leben gerufen wurde.

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