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Karlsruhe: Wie macht das Stadtarchiv Karlsruhe Dokumente aus dem 15. Jahrhundert haltbar?

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Wie macht das Stadtarchiv Karlsruhe Dokumente aus dem 15. Jahrhundert haltbar?

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    Buchbinderei Planrestaurierung
    Buchbinderei Planrestaurierung Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

    In der Regel, wie der Archivar erklärt, werden Bauakten nur in Archive übernommen, wenn Gebäude abgerissen oder zerstört werden. Bei seinem Projekt war das nicht der Fall, jedoch hatten die seit 2015 rund 8.600 Akten noch bestehender Gebäude einen immensen historischen Wert für die Stadt. Sie wurden damals suboptimal gelagert und waren in ihrem Erhalt stark bedroht.

    Dokumente werden fünf Tage bei -20 Grad aufbewahrt

    Wo nötig, ließ das Archiv die Akten restaurieren. Die wertvollen Unterlagen wurden außerdem komplett digitalisiert. "Aus den Akten haben wir insgesamt mehr als 15.000 wunderschöne, aber beschädigte Pläne entnommen, teilweise sind diese handkoloriert", erklärt Wychlacz. Das Projekt soll noch bis 2024 laufen.

    Tiefkühlgeräte, in denen neue Bestände erst mal gelagert werden
    Tiefkühlgeräte, in denen neue Bestände erst mal gelagert werden Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Neu angelieferte Dokumente treffen in ihrer ersten Station im Archiv im Anlieferungsraum ein. Hier werden sie in großen Tiefkühlschränken fünf Tage lang bei minus 20 Grad aufbewahrt, um einen möglichen Schädlingsbefall zu verhindern. Danach werden sie einen Tag lang im Magazin aufbewahrt, bis sie von Kollegen weiterbearbeitet werden können. Doppelseitiges Klebeband liegt auf dem Boden im Anlieferungsraum, um mögliche Schädlinge abzufangen, die eventuell im Bestand vorhanden sind. "Im Prinzip gibt es in der Bestandserhaltung zwei Kategorien", erklärt der Archivar.

    “Zuerst die Präventivmaßnahmen, die einen Schadensfall verhindern oder abmildern sollen. Dann gibt es die restauratorischen Maßnahmen, die entweder im Archiv oder durch externe Dienstleister durchgeführt werden." Die Präventivmaßnahmen fangen mit der Sensibilisierung der Mitarbeiter und der Archivnutzer an. Der Fokus liegt darauf, mit den Archivalien – sofern sie im Original vorgelegt werden und nicht digitalisiert sind – schonend umzugehen.

    "Wir legen sehr großen Wert auf vorbeugende Maßnahmen", sagt Wychlacz. "Sie kosten wenig und haben einen großen Effekt". Als nächstes sollte ein Bestanderhaltungskonzept erstellt werden, das formuliert, welche Ziele mit Blick auf die Zukunft erreicht werden sollen. Drittens ist eine sachgerechte Lagerung unentbehrlich. Am Wichtigsten ist es, die Unterlagen bei einer konstanten Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu lagern, was je nach Materialgruppe wie Urkunden, Fotografien, Pläne, Datenträger unterschiedlich ist.

    Wie wird im Archiv restauriert?

    “Der Anlieferungsraum und die Magazinräume hier im Gebäude sind klimatisiert, es kommt auch kein Sonnenlicht herein, weil die Fenster abgedunkelt sind“, sagt der Archivar. Denn gerade Sonneneinstrahlung oder schwankende Temperaturen können das Papier schädigen. “Durch kurzfristige hohe Schwankungen der Luftfeuchte kann Schimmel entstehen, das ist einer unserer größten Feinde“. Reinigung und Verpackung gehören ebenfalls zu den Präventivmaßnahmen.

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    Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

    Kleinere Reinigungsarbeiten können im Archiv vorgenommen werden – Verschmutzungen auf dem Aktendeckel beispielsweise werden mit einem Latexschwamm oder einem kleinen Besen entfernt. Ansonsten muss der Restaurator übernehmen. Die Verpackungen bestehen aus säurefreien Archivkartons, die gewissen Standards entsprechen müssen. Im Karton gibt es manchmal einen zusätzlichen Schutz – loses Material wird in extra Mappen verpackt.

    Sollte es zu einem Katastrophenfall kommen, dann ist alles verpackt und geschützt – auch bei Wasserschäden sind die Kartons normalerweise robust genug, um die Archivalien bis zu einem gewissen Grad zu schützen. “Wir hatten gemerkt, dass sehr viele von unseren Archivalien in säurehaltigen Kartons verpackt waren und mit der Zeit bilden sich auch Säuren im Papier der Akten selbst“, erklärt Wychlacz. "Dann wird das Papier brüchig und porös."

    Buchbinderei Planrestaurierung
    Buchbinderei Planrestaurierung Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

    Das Stadtarchiv hat spezielle Verpackungen anfertigen lassen, unter anderem für Zeitungsbände, die liegend gelagert werden müssen. Die Verpackungen sind mit Aushebehilfen ausgestattet, so dass man die Bände nicht mehr am Buchrücken anfassen muss. Bei einem alten Bestand aus Durlach mit ungefähr 100 Urkunden werden die Urkunden in einer speziellen Verpackung eingespannt, damit man sie einfach zur Präsentation öffnen kann und gar nicht mehr in die Hand nehmen muss.

    Urkunden aus dem 15. Jahrhundert

    Einige dieser alten Urkunden stammen aus dem frühen 15. Jahrhundert – die älteste Urkunde im Archiv datiert auf das Jahr 1410. "Ab 1850 gab es Änderungen in den Produktionsbedingungen für Papier", sagt Wychlacz. "Früher wurde Hadernpapier aus Textilien hergestellt und das hat heute immer noch eine sehr gute Qualität. Aber ab 1850 hat man dem Papier auch tierische Leime beigemischt und anstatt alter Lumpen wurde dem Papier Holzschliff zugesetzt – deshalb ist das Papier ligninhaltig, und es kommt zur Säurebildung."

    Inhouse Digitalisierung Buchscanner
    Inhouse Digitalisierung Buchscanner Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

    Das Stadtarchiv führt seit 2008 Entsäuerungsverfahren durch – ein chemisches Verfahren, das dem Papier die Säuren entzieht und eine alkalische Pufferung in das Papier einbringt, um den Zerfall des Papiers zu verlangsamen. Nach 50 bis 150 Jahren muss der Prozess jedoch wiederholt werden. Andernfalls kann es sein, dass das Papier überhaupt nicht mehr nutzbar ist. Auch die Bibliotheken kämpfen mit diesem Problem. Um einen größtmöglichen Schutz der Originale zu gewährleisten wird wo möglich digitalisiert.

    "Wir haben für die Digitalisierung sehr viele finanzielle Mittel eingeworben", erklärt der Archivar. So gibt es inzwischen mehr als 6 Millionen Digitalisate. Anfangs waren das in erster Linie Fotografien Pläne oder Plakate, mittlerweile liegen bereits ganze Aktenbestände wie die Unterlagen des Tiefbauamtes, die historischen Zeitungen oder die Amtsbücher digital vor.

    Kampf gegen Schädlinge

    Im Rahmen des IPM – Integrated Pest Management – also der Schädlingsbekämpfung werden sowohl in den Magazinen und Fluren, als auch teilweise in den Büros Fallen aufgestellt, um zu überwachen, wo es Probleme gibt. In der Bibliothek wurden vor einiger Zeit Kellerasseln und andere Schädlinge gefunden. Daraufhin sind Fliegengitter an den Fenstern angebracht worden und das Problem war beseitigt. Das Stadtarchiv ist auch Mitglied in einem Notfallverbund.

    Schimmelschaden Bauakte
    Schimmelschaden Bauakte Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

    Seit 2011 haben sich mittlerweile 14 Karlsruher Kulturinstitutionen in diesem Notfallverbund zusammengeschlossen, die sich im Großschadensfall, z.B. einem Hochwasser oder Brand, gegenseitig aushelfen. Für den Notfall stehen Boxen bereit, mit Taschenlampen und Stretchfolien, mit denen feucht gewordene Akten eingewickelt werden können. Hier sind auch Handschuhe, Schutzmaterial und -ausrüstung für die Helfer enthalten. Die Restaurierung der beschädigten Archivalien bildet die zweite Säule der Bestandserhaltung.

    "Der Grundgedanke von Restaurierung ist, dass wir versuchen, die Unterlagen in ihrer Originalsubstanz möglichst zu erhalten", erklärt Eric Wychlacz. Viele der beschädigten Unterlagen, die inhouse nicht restauriert werden können, werden zur Restaurierung außer Haus gegeben. Wychlacz zeigt ein Beispiel anhand von Plänen in den historischen Bauakten. "Diese Pläne kamen teilweise völlig zerfleddert zu uns", sagt der Archivar.

    Förderung vom Bund

    "Sie waren mit Klebestreifen notdürftig versorgt, was für das Papier nicht gut ist. Die Mitarbeiter in der Verwaltung wollten die Teile schützen und sie haben teilweise meterlange Klebestreifen draufgeklebt. Unsere Restauratoren müssen aber diesen Kleber wieder entfernen, weil die Weichmacher darin in das Papier eindringen und es noch weiter schädigen.

    Verpackung
    Verpackung Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

    Dann puzzeln sie Teile wieder zusammen und alles wird "kaschiert" – das heißt, auf der Rückseite wird ein hauchdünnes Japanpapier angebracht, um das Ganze zu stabilisieren. In extremen Fällen liegen Dutzende von Einzelteilen vor“. Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) stellt für die Neuverpackung von Archivalien, für Mengenbehandlungen in der Restaurierung, zum Beispiel für die Entsäuerung Bundesmittel zur Verfügung.

    Im laufenden Jahr wurden sehr hohe Bundesmittel für eine Entsäuerungsmaßnahme der Einwohnermeldekartei Karlsruhes eingeworben. Von der KEK hat das Stadtarchiv auch eine Förderung für die Beseitigung mechanischer Schäden und inaktivem Schimmel an den Durlacher Amtsbüchern eingeworben sowie eine Anschubfinanzierung für das Projekt zur Rettung der historischen Bauakten.

    Für die Digitalisierung erhielt das Archiv für Projekte Fördermittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in den vergangenen Jahren von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg.

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