Nicht nur der Karlsruher Untergrund hat mit der Kombilösung gerade einen Wandel hinter sich gebracht, auch oberirdisch verändert sich einiges. Die Verlegung der Bahnen unter die Erde, verwandelt die Kaiserstraße in eine reine Fußgängerzone.
Leere Schaufenster erzeugen Tristesse
Nach erfolgreicher Umgestaltung soll sie zu einer florierenden Einkaufsmeile werden - doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Aktuell erzeugen die vielen leeren Schaufenster durch Geschäftsaufgaben mehr Tristesse als Einkaufslaune beim Flanieren. Doch nicht alle werden lange leer bleiben.
Marktplatz: Wer folgt auf die Confiserie Böckeler?
Direkt am Marktplatz, dem Herzen der Innenstadt, klafft die erste große Lücke. "Fast 20 Jahre durften wir ihr Gastgeber am Marktplatz sein", ist an einem der Schaufenster des Kaffeehaus Böckeler zu lesen. Seit Ende Oktober 2022 gehen hier jedoch keine Tortenstücke, Brötchen oder Heißgetränke mehr über die Theke.

Hintergrund der Café-Schließung ist die anstehende Sanierung der Immobilie, welche sich im Besitz der Karlsruher Fächer GmbH befindet. Seit November hat Böckeler am Ettlinger Marktplatz eine neue Bleibe. Ein weiterer Standort ist das Ring-Café in der Karlstraße.
Taschengeschäft "Gepäckraum" wird zu Unikat
Nur wenige Meter weiter, herrscht ebenfalls Umzugslaune: Petra Lorenz führte 19 Jahre lang ein Fachgeschäft für hochwertige Reisekoffer und Handtaschen auf der Südseite der Kaiserstraße. Der Name: Gepäckraum. Da ihr Mietvertrag im Jahr 2022 auslief, stand für Lorenz fest, dass sie nicht länger in der Kaiserstraße bleiben wollte, obwohl der Vermieter verlängert hätte. "Hier gibt es keine Perspektive mehr für mich", sagt die Geschäftsfrau im Gespräch mit ka-news.de.

Zehn Jahre lang habe sie es trotz Dauerbaustelle im Zuge der Kombilösung in der Innenstadt ausgehalten und die vergangenen zwei Jahre mit teils immensen Corona-Einschränkungen überstanden. In naher Zukunft sei ein Ende der Baumaßnahmen aber nicht absehbar gewesen.

"Ganz im Gegenteil: Jetzt müssen ja noch die Straßenbahnschienen aus der Kaiserstraße entfernt und die Fußgängerzone neu gepflastert werden", so Lorenz. Der Weg hin zur Flaniermeile sei dementsprechend noch ein weiter. "Ständig Baustellen, Lärm und Schmutz machen eine Einkaufsstraße einfach nicht attraktiv", so Lorenz.
Statt den Lederaccessoires wird dieses noch leer stehende Schaufenster bald Produkte des Klamottenlabels "Unikat" präsentieren. Der Shop vergrößert sich mit dem Umzug - zuvor war er nur wenige Meter weiter platziert.
Was passiert auf der anderen Straßenseite?
Anders schaut es auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus. Wo einst der Experte für XL-Männermode Hirmer ansässig war, stehen die Verkaufsflächen seit Juni letzten Jahres leer. Ein Nachmieter scheint noch immer nicht gefunden zu sein.

Sanierung von Peek & Cloppenburg
Ein paar Schritte weiter steht das nächste Eckhaus vor großen Veränderungen. "Was ist denn hier los?", fragt eine Passantin, die sich eigentlich ein paar neue Handschuhe kaufen wollte. Die Antwort findet sie auf Hinweisschildern im Schaufenster- Das Modehaus Peek und Cloppenburg wird saniert.
Bereits Mitte Oktober des vergangenen Jahres öffnete das Bekleidungsgeschäft vorerst ein letztes Mal seine Pforten an der Ecke Lamm- und Kaiserstraße. Im März soll P&C, laut einem Bericht der BNN einen Interimsstandort in der Postgalerie beziehen. Nach den Sanierungsarbeiten soll das Modehaus wieder an selber Stelle eröffnen.
Tschüss H&M, Jack& Jones und Vero Moda Kaiserstraße
Ein Modehaus, das seine Türen auf der Kaiserstraße hingegen für immer schließt, ist der H&M an der Ecke Ritterstraße. Denn an den Schaufenstern steht ein Schild mit der Aufschrift: "Wir gehen neue Wege. Kommt mit!" Seit dem 9. Januar ist das Bekleidungsgeschäft in Karlsruhe nur noch im Ettlinger Tor zu finden. Auch im ehemaligen H&M Men sind die Schaufenster noch immer leer.

Doch H&M ist nicht die einzige Modekette, die ihre Türen auf der Kaiserstraße schließt: Tally Weijl auf Höhe Hausnummer 191 ist ebenfalls ausgezogen. Die Scheiben sind abgeklebt, nur noch der verwaiste Schriftzug oberhalb der Geschäftszeile lässt erkennen, dass sich dort einst das Schweizer Fast-Fashion-Brand befunden hat.

Ebenfalls verschwunden sind die Modemarken Jack&Jones sowie Vero Moda. Einzig die großen weißen Lettern oberhalb des ehemaligen Geschäfts sind von den Filialen mit der Hausnummer 120 noch übrig geblieben.

Lediglich die dort ausgehängten Schaufenster-Bilder zeigen Geschäfte aus früheren Zeiten. Welche Shops auf Jack & Jones und Vero Moda folgen werden, ist noch unklar.
Wird das Danger-Schuhhaus zu Sostrene Grene?
Doch nicht nur große Modeketten verschwinden von der Karlsruher Einkaufsmeile. Auch alteingesessene Schuhhäuser schlossen ihre Pforten. So schaut etwa das Schuhfachgeschäft Danger auf über 100 Jahre Firmengeschichte. In der Corona-Pandemie war es allerdings eines der ersten inhabergeführten Geschäfte, das seine Türen auf der Kaiserstraße schließen musste.

Schon seit längerer Zeit ist das Gebäude des ehemaligen Schuhgeschäfts eingezäunt. Aus Berichten der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) lässt sich entnehmen, dass die dänische Einzelhandelskette Sostrene Grene nachfolgen soll. ka-news.de-Anfragen an das zuständige Architekturbüro bleiben inhaltslos: Man möchte sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zur Sanierung oder Nachmietern äußern.
Snipes zieht in das Dielmann-Schuhhaus
Was in das Gebäude des ehemaligen Schuhhaus Dielmann kommt, ist hingegen bereits jetzt schon zu erkennen: "Snipes coming soon", ist auf den abgeklebten Schaufenstern zu lesen.

Es handelt sich um den Umzug des Snipes-Stores aus der Kaiserstraße 122 in das ehemalige Schuhgeschäft. Das bestätigt das Unternehmen gegenüber ka-news.de. Schon in den kommenden Wochen soll eröffnet werden. Welches Geschäft in die alte Snipes-Filiale einziehen wird, ist noch unklar.
Warum stehen so viele Läden leer?
Geschätzt stehen ein Drittel der Geschäfte leer: Die Gründe sind unterschiedlich. Vor allem die Corona-Pandemie, Lieferengpässe sowie die Inflation stellt die Einzelhändler vor große Herausforderungen. Gerade die wachsende Bedeutung des Onlinehandels belaste die stationären Einzelhandelsgeschäfte zusätzlich, so eine aktuelle Pressemitteilung des Statistischen Bundesamt (Destatis).
Dies bestätigt sich auch im Gespräch mit Karlsruher Händlern. Petra Lorenz, welche mit ihrem Taschengeschäft lange Jahre Erfahrung gesammelt hat, sieht mehrere Gründe für den hohen Leerstand:
- Den demografischen Wandel. So würden die Verkaufsflächen immer größer, aber die Bevölkerung immer älter und die Nachfrage nach bestimmten Produkten geringer.
- Mehr Internetbestellungen. "Nicht erst im Zuge der Corona-Pandemie ist ein deutlicher Zuwachs an Bestellungen im Internet zu beobachten", so Lorenz.
- Die hohen Ladenmieten. "Viele Vermieter gehen mit ihrer Miete deshalb nicht runter, weil der Wert des Gebäudes oder der Räumlichkeiten unter anderem daran gemessen wird", sagt Lorenz.
- Ein fehlendes Verkehrskonzept und hohe Parkplatzgebühren sowie
- den fehlenden Wochenmarkt: "Warum heißt der Marktplatz den Marktplatz, wenn dort gar kein richtiger Markt stattfindet", fragt Lorenz. Könne ein Wochenmarkt doch auch als Magnet für umliegende Geschäfte fungieren oder Synergien gebildet werden.
Als Präsidentin des Handelsverbandes Nordbaden vertritt sie die politischen Interessen von über 40.000 Handelsunternehmen in Baden-Württemberg gegenüber Politik und Gesellschaft und kennt sich mit der Thematik aus. Sie ist überzeugt: Die Talzone ist nicht erreicht. "Das dauert schätze ich noch etwa zehn Jahre", sagt Lorenz. Fest steht: Baustelle bleibt die Kaiserstraße bis 2025, dann soll die Umgestaltung abgeschlossen sein.
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!