Es ist wohl der Horror für jeden Mieter. Die Kündigung flattert ins Haus, obwohl immer die Miete gezahlt und sonstigen Vereinbarungen eingehalten wurden. So ergeht es aktuell auch dem Ehepaar Keinarth aus dem Karlsruher Stadtteil Grötzingen. Seit über 20 Jahren bewohnen sie das erste Geschoss im katholischen Pfarrhaus der "Heilig-Kreuz" Kirche in Grötzingen. Nie soll es Probleme gegeben haben, bis das Paar im März 2022 die Kündigung erhielt.

Katholische Kirche "Heilig Kreuz"
Links das Pfarrhaus, rechts die Kirche. | Bild: Thomas Riedel

Der Grund: Das Pfarrhaus solle künftig wieder komplett dem Kirchengebrauch zugeführt werden und den Aufenthalt der Priester, die in der Gemeinde arbeiten, gewährleisten. Bis dahin seien "kircheninterne Um- und Erweiterungsbauarbeiten“ nötig. Doch der Grund der Kündigung reicht wohl noch deutlich tiefer, wie die Keinarths befürchten. Doch um die Situation zu erläutern, ist ein Rückblick in die Vergangenheit nötig.

Neuer Pfarrer will das gesamt Pfarrhaus

Vor zirka drei Jahren wurde bei der Kirchengemeinde Karlsruhe Durlach Bergdörfer ein neuer Pfarrer tätig. Sein Name: Johannes G.  Nach Angaben der Keinarths sollte er ursprünglich das Pfarrhaus in Grünwettersbach beziehen, stattdessen wurde ihm die Erdgeschosswohnung im Grötzinger Pfarrhaus zugewiesen. Das Ehepaar Keinarth bewohnt die Wohnung im ersten Stock.

Katholische Kirche "Heilig Kreuz"
Herbert Keinarth wohnt mit seiner Frau Bärbel seit über 20 Jahren im Grötzinger Pfarrhaus. | Bild: Thomas Riedel

Dem Pfarrer soll die Wohnung und die Lage in Grötzingen dann "so gut" gefallen haben, dass er nicht mehr nach Grünwettersbach wechseln wollte. Doch damit nicht genug: Nach Angaben von Herbert Keinarth soll Johannes G. darauf gedrängt haben, das gesamte Pfarrhaus zu übernehmen - inklusive dem ersten Stock. 

"Auf dem freien Wohnungsmarkt haben wir keine Chance"

"Die Wohnung in Grünwettersbach gefällt ihm nicht, weil die auf einem Hügel liegt. Wir haben ihm dann gesagt, dass wir nicht aus der Wohnung raus wollen", erzählt Keinarth im Gespräch mit ka-news.de. Der Disput zwischen beiden Seiten führte schließlich zu einer Zusammenkunft, bei dem die Familie Keinarth, der leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit Karlsruhe-Durlach-Bergdörfer, Thomas M., eine Verwaltungsvertreterin und ein Vertreter des Kirchengemeinderats anwesend waren.

Katholische Kirche "Heilig Kreuz"
Der Blick vom Pfarrhaus auf die Kirche | Bild: Thomas Riedel

Auch hier verneinen die Keinarths einen Auszug aus dem Pfarrhaus: "Wir haben in der Runde dann gesagt, dass ein Umzug bei unserer finanziellen Lage und bei dem Wohnungsmarkt nicht infrage kommt. Neue Küche, Umzugskosten et cetera. Auf dem freien Wohnungsmarkt haben wir mit unserer Rente eh keine Chance", erzählt Herbert Keinarth im Gespräch mit ka-news.de.

"Sie haben uns dann eine andere Wohnung angeboten. Aber wir haben uns schlau gemacht, da lebt ein Mann, der seine behinderte Frau pflegt. Hätten wir zugestimmt, hätte er raus gemusst", 

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Nach Angaben der Keinarths zeigt Thomas M. Verständnis für die Situation des Paares und bietet an, dass sie in der Wohnung bleiben können.

Schikane vom Pfarrer?

Kurz darauf soll sich das Verhältnis zum neuen Pfarrer, Johannes G., immer mehr verschlechtert haben. So erzählen die Keinarths, dass der Geistliche bis in die Morgenstunden mit Absicht laut gewesen sei, um das Paar zu provozieren. An einem anderen Tag soll der Krach bereits um 6 Uhr in der Früh die Frau von Herbert Keinarth, Bärbel Keinarth, mit einem zu laut eingestellten Radio aus dem Schlaf gerissen haben.

Baumaßnahmen an der Decke im Erdgeschoss, die dieser Hellhörigkeit entgegenwirken sollten, soll der Pfarrer jedoch abgelehnt haben. Schlussendlich willigten die Keinarths ein, ihren Parkettboden gegen einen Teppichboden auszutauschen. Wirklich freiwillig soll diese Einwilligung jedoch nicht erfolgt sein.

Katholische Kirche "Heilig Kreuz"
Das Pfarrhaus von außen. | Bild: Thomas Riedel

"Das ist uns aufgezwungen worden, weil der Pfarrer G. meinte, er fühlt sich wie in einer Höhle, wenn die Decke verdickt werden würde. Er wolle das nicht. Auch unsere Beschwerden wegen des Lärms haben nicht bei ihm gefruchtet ", sagt Herbert Keinarth. "Wir glauben, dass das alles zur Kündigung geführt hat".

Das sagen die Pfarrer zum Vorwurf

Als ka-news.de das katholische Pfarramt "Heilig Kreuz" in Grötzingen mit den Vorwürfen konfrontiert, erhält die Redaktion von Pfarrer Thomas M. folgende Stellungnahme per E-Mail:

"Hintergrund der Kündigung der Familie Keinarth waren Umbau- und Erweiterungsarbeiten zu der Kirchengemeinde gehörenden Einrichtungen, aufgrund dessen der Bedarf entstand, auf die Wohnung der Familie Keinarth zurückgreifen zu müssen. Zum Einen soll der Kindergarten Luisenhof erweitert werden auf das anliegende Gemeindezentrum der Kirche. Das Gemeindezentrum selbst benötigt dann aber ebenfalls neue Räumlichkeiten, die dann zum Teil in die Räumlichkeiten der Familie Keinarth verlegt werden. Zudem ist auch geplant, das Pfarrhaus Durlach zu sanieren. Aufgrund dessen mussten neue Räumlichkeiten für dieses gefunden werden, mitunter muss das Pfarrbüro beispielsweise umziehen."

Pfarrer Daniel Eichhorn feiert den Gottesdienst  nach dem so genannten tridentischen oder altem Ritus.
Ein Pfarrer im Gebet (Symbolbild) | Bild: Wolfgang Radtke (KNA)

Ferner heißt es in der Stellungnahme weiter: "Wir bedauern, aus diesen Gründen die Beendigung des Mietverhältnisses mit Familie Keinarth herbeiführen zu müssen, da aber keine anderen geeigneten Räumlichkeiten gefunden werden konnten, sahen wir uns zu diesem Schritt veranlasst."

Zwei verschiedene Perspektiven

Des Weitern führt der Pfarrer aus, dass der ehemals angebotene Wohnraum, unter anderem in Grünwettersbach und Wolfartsweiher, inzwischen an ukrainischen Flüchtlingsfamilien vergeben worden sei. Eine Situation, die laut Thomas M. so nicht abzusehen war. Der Vorwurf, dass Johannes G. eigentlich nach Grünwettersbach sollte und die Wohnung der Familie Keinarth übernehmen wolle, könne er nicht nachvollziehen. 

"Es ging immer nur um die Dienstwohnung im Erdgeschoss. Die Räumlichkeiten sollen nun einer stringenten Nutzung aufgrund der geänderten Verhältnisse zugeführt und als Gemeinderäume genutzt werden", heißt es seitens des Pfarrers. Ebenso unnachvollziehbar sei für ihn der Hintergrund, dass die angebotene Wohnung von einem Mann und seiner behinderten Frau bewohnt gewesen sei.

Die katholische Kirche in Karlsruhe Grötzingen
Die katholische Kirche in Karlsruhe Grötzingen | Bild: Thomas Riedel

Hinsichtlich der Umbauarbeiten im Pfarrhaus, die den Lärmschutz verbessern sollten, sieht der Leiter der Kirchengemeinde jedoch die Familie Keinarth in der Kritik:

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"Es gab in den Räumlichkeiten der Familie Keinarth Umbauarbeiten, damit diesen geholfen werden sollte. Dass diese Unterstützung nun als Angriff gegen Johannes G. verwendet wird, ist doch sehr befremdlich. Man hat hierbei verschiedene Möglichkeiten gesucht, damit das Zusammenleben der in einem Haus befindlichen Parteien verbessert wird. Unsererseits vorgesehene umfangreichere Maßnahmen zum Lärmschutz, welche Johannes G. befürwortete, wurden von Familie Keinarth abgelehnt."

Von Johannes G. erhielt ka-news.de bis zum Redaktionsschluss keine persönliche Stellungnahme. 

Fazit: Ausziehen oder Kämpfen? Die Keinarths sind unsicher

Doch trotz der zwei komplett unterschiedlichen Perspektiven bleibt eine Sache gleich: Die Keinarths werden zum November ausziehen müssen. Die Ausnahme: Ein akzeptierter Härtefallantrag. Wie aus dem Kündigungsschreiben hervorgeht, haben die Keinarths nämlich noch bis zum September Zeit, so einen in Auftrag zu geben.

Wie das Paar gegenüber der Redaktion mitteilt sollen die beiden bereits Kontakt zu einem auf Mietrecht spezialisierten Anwalt aufgenommen haben. Allerdings seien die enormen Anwaltskosten für das Paar eher abschreckend, wie die Keinarths im Gespräch mit ka-news.de berichten. 

Ein Staatsanwalt steht vor einem Stapel Gerichtsakten.
Die Keinarths haben sich an einen Anwalt gewandt. Der rät ihnen, trotzdem weiter nach Wohnungen zu suchen. | Bild: Christian Charisius/dpa/Symbolbild

"Wir kümmern uns aktuell darum, eine Wohnung zu finden. Das hat uns auch der Rechtsanwalt empfohlen. Aber wir haben uns schon beim Mieter und Bauverein und bei der Volkswohnung angemeldet. Es hieß, vor sechs Jahren passiert da gar nichts und die anderen Wohnungen kosten alle um die 1.000 Euro. Das können wir uns nicht leisten mit 2.000 Euro Rentengehalt", erzählt der 78-Jährige.

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Eine andere Möglichkeit wäre, dass das Paar nach Niedersachsen zieht. Denn dort wohne eine Enkelin, die ihnen beim Umzug helfen könnte. Das Problem bei dieser Variante seien aber die Umzugskosten, wie die Keinarths betonen: "Die Küche müssten wir erstattet kriegen und wir bräuchten Geld, um uns neue Möbel anzuschaffen."

Kurzum: Ob die Keinarths also nach Niedersachsen ziehen oder in Karlsruhe bleiben werden, wo auch der Sohn und die Enkelkinder leben, ist noch nicht entschieden. Es sei momentan alles "etwas Wischiwaschi".

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