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Karlsruhe: Kommt unser Strom bald aus 5.000 Metern Tiefe? KIT-Experte erklärt die Vorteile von Geothermie

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Kommt unser Strom bald aus 5.000 Metern Tiefe? KIT-Experte erklärt die Vorteile von Geothermie

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    Die erste der zwei in Graben-Neudorf geplanten Bohrungen ist fertiggestellt. Nun soll getestet werden, ob das Erdreich an dieser Stelle genügend Energie bietet.
    Die erste der zwei in Graben-Neudorf geplanten Bohrungen ist fertiggestellt. Nun soll getestet werden, ob das Erdreich an dieser Stelle genügend Energie bietet. Foto: Lutz Stahl

    Am 13. Juni wurde die erste Bohrung des Unternehmens Deutsche Erdwärme (DEW) fertiggestellt, erklärt es in einer Pressemeldung. Nun soll getestet werden, ob sich der aufgebohrte Untergrund in Graben-Neudorf für geothermische Energiegewinnung eignet. Doch ist ein solches Projekt überhaupt sinnvoll? "Ja, durchaus", sagt ein Experte.

    Wie sinnvoll ist Geothermie in Karlsruhe?

    "Wir stehen energie- und umwelttechnisch vor einer ganz großen Herausforderung", erklärt Thomas Kohl, vom Institut für angewandte Geowissenschaften des KIT. Er selbst bekleidet den Lehrstuhl für Geothermie und Reservoir Technologie. "Deutschland ist einer der größten CO2-Emittenten Europas, da wir in der Energiegewinnung noch immer stark auf Kohle zurückgreifen."

    (Symbolbild: Eine Geothermie-Anlage in Rastatt)
    (Symbolbild: Eine Geothermie-Anlage in Rastatt) Foto: Emil Rothweiler

    Tatsächlich liegt Deutschland laut Bundesumweltamt mit 8,8 Tonnen ausgestoßenem CO2 pro Einwohner seit 2020 EU-weit auf Platz 8 der Länder mit der höchsten Emission. "Es ist seit Jahren ein Thema, möglichst schnell auf eine erneuerbare, CO2-neutrale Energiegewinnung umzusatteln. In dieser Diskussion werden meist Photovoltaikanlagen und Windkraft priorisiert", sagt Kohl.

    "Solar- und Windkraft reichen nicht"

    Allerdings haben beiden Formen der Stromerzeugung eine große Achillesferse, so der Experte: "Windkraft ist an der Küste sehr leistungsstark, im Binnenland dafür weniger und enorm von der Witterung abhängig. Solarenergie ist tagsüber im Sommer eine stabile Quelle, im Winter dagegen, wird sie dem Verbrauch kaum gerecht - besonders deshalb, da im Winter die meiste Energie benötigt wird."

    Thomas Kohl, Experte für Geothermie & Reservoir-Technologie am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT.
    Thomas Kohl, Experte für Geothermie & Reservoir-Technologie am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT. Foto: U.Weiss, KIT

    Solar und Windkraft alleine genügen laut Kohl nicht, um den künftigen Energiebedarf zu decken. "Natürlich sollten Windkraft und Photovoltaikanlagen weiter gefördert werden, aber mit ihnen alleine werden wir die CO2-Ziele wohl kaum erreichen. Deshalb spreche ich mich für eine zusätzliche, grundlastfähige Alternative aus - und das ist die Geothermie", so Kohl.

    Erdwärme - eine unerschlossene Goldgrube?

    Die Erdwärme biete ein gewaltiges, zum Großteil unerschlossenes Potenzial, mit vielen Vorteilen, so die Meinung des Professors. "Das Funktionsprinzip ist, vereinfacht gesagt, das Wasser im Erdreich - zum Beispiel tiefe Grundwasser – mit ihrer enthaltenen Wärme durch installierte Bohrsysteme nach oben zu leiten und an der Oberfläche zu nutzen", so Kohl.

    Vier vom KIT genannte Möglichkeiten gibt es, die Geothermie zu nutzen.
    Vier vom KIT genannte Möglichkeiten gibt es, die Geothermie zu nutzen. Foto: Thomas Kohl | Karlsruher Institut für Technologie

    "Dabei gibt es verschiedene Technologien, die sich dadurch unterscheiden, wie tief man bohrt und wie man die Wärme nach oben leitet. Diese Unterschiede sind vor allem bei der Frage wichtig, in welchem Untergrund man bohren möchte und ob die Geothermie für die Stromerzeugung genutzt werden soll"

    Die Vorteile daran: Dieses Prinzip sei gänzlich unabhängig von Jahreszeit oder Wetterverhältnissen. "Außerdem benötigt es sowohl im privaten als auch im industriellen Einsatz vergleichsweise wenig Platz. Da es unter der Erde ist und man sie weder hört noch sieht", sagt der Dozent.

    (Symbolbild).
    (Symbolbild). Foto: Pixabay/harmvdB

    "Ein Großteil der Häuser in Deutschland ließe sich problemlos durch Geothermie mit Wärme versorgen. Ich selbst beheize seit 2007 ein 500 Jahre altes Bauernhaus mit einer Wärmepumpe. Diese ist sehr langlebig und leistungsfähig. Außerdem belaufen sich die Heizkosten dadurch auf nur 400-500 Euro im Jahr. Solch günstige Beheizung ist gerade in Zeiten der gestiegenen Energiekosten von großer Wichtigkeit", sagt er.

    "Die Region Karlsruhe hat eine besondere Verantwortung"

    Vorteile wie diese entfalten sich ganz besonders im Großraum Karlsruhe, beziehungsweise dem Oberrheingraben. "Die klüftige Struktur des tiefen Untergrunds, mit seinen hohen Durchlässigkeiten ermöglicht es, optimal Geothermieprojekte zu realisieren. Durch die aktive Tektonik des Oberrheingrabens entstehen konvektive Zonen, wodurch im Untergrund sehr viel Wärme im Kristallin gespeichert werden kann, die man zutage befördern kann", so Kohl.

    "Unter diesen günstigen Bedingungen haben wir in Karlsruhe eigentlich eine besondere Verantwortung, die geothermischen Reservoire auch zu erschließen - ähnlich, wie man den Küstenwind an der Nordsee für Windkraft nutzen sollte", meint Kohl. "Es gibt seit den 2000er Jahren auch verschiedene Pilotprojekte in Karlsruhes Umgebung, etwa in Landau, Bruchsal oder im elsässischen Rittershoffen."

    Nachteile der Geothermie?

    Trotz beschriebenen Vorteile wurden viele Geothermie-Projekte der Umgebung nicht fortgeführt. Die Stadt Landau vertrat bis 2022 laut ihrer Website sogar eine "ablehnende Haltung zum Betrieb des Geothermiekraftwerks." Hier kommen die Nachteile der Geothermie zum Tragen: Erdbebengefahr und eine mögliche Verunreinigung des Grundwassers durch die Bohrungen.

    "Ja, diese Bedenken sind durchaus berechtigt. Sie müssen sich vorstellen, dass der Untergrund unter der Region unter enormer tektonischer Spannung steht. Bei hohem Verpressdruck in einer Tiefenbohrung, kann sich diese Spannung entladen, was zu Erdbeben führen kann. Dieses Phänomen wird auch im Kontext von Ölbohrungen erforscht", sagt er.

    Mehr Bohrungen für weniger Beben?

    Durch vielfache Studien seien aber auch Lösungsansätze erarbeitet worden. "Einer davon besteht darin, den Druck zu verringern, indem man ihn gleichmäßiger verteilt. Sprich: Man führt zusätzliche Bohrungen in der näheren Umgebung durch, sodass der Druck nicht auf einen Punkt zentriert wird, sondern sich in mehrere Richtungen verteilen kann. So kann die Erdbebengefahr auf ihr Minimum reduziert werden", erklärt Kohl.

    Auch die Verunreinigung des Grundwassers spotte nicht jedem Versuch, ihm beizukommen. "Ja, Geothermie nutzt das tiefe Grundwasser, aber nicht das Trinkwasser. Diese Trinkwasservorkommen sind normalerweise in einer Tiefe von zirka 50 Metern zu finden, während man bei der Geothermie ja bis zu 5.000 Metern bohrt", so der Experte.

    "Die Risiken sind vermeidbar"

    "Die tiefen Grundwässer, die aktiv im Oberrhein genutzt werden, sind hoch mineralisiert, äußert salzig und gelegentlich mit anderen Schadstoffen durchsetzt. Sie werden nie eine trinkbare Ressource sein. Natürlich besteht die Gefahr, dass Schadstoffe durch eine undichte Stelle der Bohrverrohrung ins Trinkwasser gelangt", räumt er ein

    "Da liegt es in der Verantwortung der Projektbetreiber, jede Undichtigkeit zu vermeiden und eine Trinkwassergefährdung auszuschließen. Das wird auch sehr akribisch von der Landesbehörde überprüft."

    Insgesamt seien "die Risiken also durchaus vermeidbar, auch die Forschung schreitet weiter voran", erklärt Kohl. "Und wenn man bedenkt, dass Geothermie gasunabhängig, inflations- und emissionsbefreit Energieleistung erbringen kann, bin ich sicher, dass weitere geothermische Projekte in Zukunft nicht auf sich warten lassen werden - immerhin werden schon jetzt viele Projekte am KIT weiterentwickelt."

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