"'Giulia' war ganz hervorragend auf den Karlsruher Baugrund konfiguriert", sagt Uwe Konrath, Geschäftsführer der Karlsruher Schieneninfrastrukur-Gesellschaft (Kasig) am Donnerstag im Festzelt. Der Vortrieb sei ohne größere Vorkommnisse vonstatten gegangen, lautete der lobende O-Ton der Verantwortlichen.
"Giulia" war in Spitzenzeiten bis zu 32 Meter pro Tag unterwegs, im Schnitt waren es zehn Meter. Sie konnte trotz mehrerer Pausen aufgrund von Werkzeugwechsel oder nachgesacktem Erdreich, die beim Start im November 2014 abgegebene Prognose bis August oder September die Röhre gebaut zu haben, tatsächlich einhalten. Am Montag, 7. September, erreichte sie ihr Ziel am Mühlburger Tor. Besonders bemerkenswert am Bau des Karlsruher Tunnels war die geringe Überdeckung, sprich der Abstand zwischen oberer Schneidrandkante zur Oberfläche.
Der Karlsruher Tunnelbau ist weltweit einmalig
Diese betrug mit 4,50 bis 9,50 Meter teilweise nur die Hälfte des Schneidrad-Durchmessers von 9,32 Meter. In der Regel entsprechen Überdeckungen mindestens dem Schneidrad-Durchmesser. "Es wurden auf der gesamten beidseitig eng bebauten Kaiserstraße beim Tunnelvortrieb keine nennenswerten Schäden hinterlassen", bestätigt die Kasig. "Wie Sie sehen, ist das Horrorszenario einstürzender Häuser nicht eingetreten", so Konrath.

"Der Vortrieb mit einer so geringen Deckung wurde weltweit erstmals so erprobt", sagt Oberbürgermeister und Kasig-Aufsichtsratsvorsitzender Frank Mentrup nicht ohne Stolz, "die gute Vorbereitung hat diese Maßnahme ausgezeichnet. Es war aber auch ein Stück Glück und Schicksal. Ich bin sehr dankbar gewesen, so manches erst später erfahren zu haben." Das habe ihn so manche Nacht ruhiger schlafen lassen.
Die Fertigstellung des Tunnels bezeichnet Mentrup als "großen Wendepunkt" im Bauprojekt Kombilösung. Selten sei die Akzeptanz für das Projekt so hoch gewesen wie aktuell, ist sich der Oberbürgermeister sicher und verweist auf eine aktuelle Untersuchung im Rahmen einer KIT-Abschlussarbeit.
"Einfach nur wow!"
Tunnelpatin und ehemalige Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle fand wohl die treffendsten Worte für die Fertigstellung des Tunnels, als sie einen Bildschirmausfall im Festzelt unterhaltsam mit einer spontanen Rede überbrückte: "Einfach nur wow! Wir [Karlsruhe] eilen von Baustelle zu Baustelle und werden immer besser, toller, kulturelle und toleranter." Sichtlich geehrt nahm sie die Heilige Barbara - Schutzpatronin der Bergleute - in Empfang, welche während des Tunnelbaus unter Tag in der Maschine über das Wohl der Mineure gewacht hatte.
Für diese gab es beim Einzug in das Festzelt stehenden Applaus - das große Feier-Finale wurde durch die Tunnelpatin eingeleitet: Sie durfte den überdimensionalen roten Knopf drücken. "We are the champions" von Queen hallte über die Baustelle, während draußen die badischen Farben in Form von Konfetti und Luftschlangen in die Luft geschossen wurden.
"Mission accomplished" verkündete das überdimensionale Bemo Tunnelling-Banner in der Baugrube und "Giulia" erstrahlte zum Abschied dank Konfetti auf dem Schild nochmals in den badisch-karlsruherischen Farben bevor sie nun demontiert wird und zurück zum Hersteller Herrenknecht nach Schwanau geht.
Zahlen und Fakten zu "Giulia":
"S 869" lautet die offizielle Bezeichnung des Herstellers - "Giulia" wurde die Tunnelvortriebsmaschine am 25. Oktober 2014 zum Anschlagsfest, damals am Durlacher Tor, getauft. Sie hat mit Schneidrad, Schild, Brücke und Nachläufer eine Gesamtlänge von 80 Metern und ein Gewicht von 1.300 Tonnen. Das Schneidrad ist mit seinem Durchmesser von 9,32 Meter speziell auf den Tunnel unter der Kaiserstraße abgestimmt.27 Schneidrollen - sogenannte "Doppeldisken" -, 16 Räumer und 172 Schälmesser sorgten dafür, dass Meter um Meter Kies und Sand abgetragen wurden. Mit insgesamt 1.210 Kilowatt Leistung aus 11 Elektromotoren hat sich die Tunnelvortriebsmaschine über 18 Vortriebszylinder unter der Fußgängerzone bei laufendem Betrieb der Stadt- und Straßenbahnen 2.048 Meter vom Durlacher zum Mühlburger Tor vorgeschoben.
Dabei ging es unter Leitungen und Kanälen durch und mitten durch die bis dahin hergestellten Rohbauhaltestellen und dem Gleisdreieck am Marktplatz mit insgesamt acht Baugrubenwänden. 135.000 Kubikmeter Kies und Sand wurden mit Bentonit "verflüssigt" und über eine 40 Zentimeter dicke Rohrleitung zu Separieranlage am Durlacher Tor gepumpt, die die Flüssigkeit zurückgewonnen hat und wieder der Tunnelbohrmaschine zuführte.
Die Tunnelvortriebsmaschine bewegte sich auf ihrer Strecke mit ihrem Scheitel mindestens 4,50 Meter und höchstens 9,50 Meter unter dem Karlsruher Pflaster - und damit auch immer unter dem Grundwasserspiegel, der in einer Tiefe von etwa vier bis fünf Metern ansteht.
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