Für und Wider abzuwägen gilt es bei jeder Technologie, die zur Infrastruktur hinzugefügt wird. Die Tiefengeothermie, die im Oberrheingraben in ein Millionen Jahre altes tektonisches Zusammenspiel eingreifen könnte, bedarf dabei eines besonders ausführlichen Diskurses. An diesem beteiligt sich in Region Karlsruhe verstärkt die Bürgerinitiative gegen Geothermie. Die Bohrungsverfahren seien zu gefährlich, zu unberechenbar und zu unprofitabel, wie der Leiter der Initiative, Thomas Hans, bereits erklärte.
"Die Argumente der Initiative sind Behauptungen und Suggestionen"
Allerdings halten die Argumente der Bürgerinitiative nicht immer einer Überprüfung stand, wie der Pressesprecher des Unternehmens Deutsche Erdwärme (DEW), Ron Zippelius kritisiert. "Die Standpunkte, die die Bürgerinitiativen um Thomas Hans vertreten, basieren leider häufig auf bloßen Behauptungen, Suggestionen und unterschlagenem Kontext", sagt er. "Besonders deutlich zeigt sich das bei einigen Aspekten, die wir auch bei einem Artikel auf ka-news.de beobachten konnten."

Diese Aspekte belaufen sich laut Zippelius auf folgende Punkte:
- Den Vergleich der Geothermie-Projekte in Baden-Württemberg mit der Anlage im elsässischen Vendenheim.
- Die laut Bürgerinitiative mangelnde Versorgung nach einem Erdbeben generell.
- Das laut Initiative mangelnde Kosten-Nutzen-Verhältnis von Geothermie
"Der Oberrheingraben ist nicht mit Vendenheim vergleichbar"
Zunächst geht Zippelius auf Vendenheim ein. Dort traten nach der Stilllegung eines Geothermiekraftwerkes im Jahr 2019 Nachbeben auf, die sowohl auf französischer als auch auf deutscher Seite Gebäudeschäden hinterließen. "Allerdings herrschen in der elsässischen Region auch völlig andere Vorgaben als hier in Baden-Württemberg", sagt er.

Die Bohrung in Vendenheim habe bis ins Grundgebirge gereicht, wo deutlich höhere und empfindlichere Spannungen herrschen. "Bohrungen der Deutschen Erdwärme reichen maximal bis in die oberhalb des Grundgebirges liegenden Sedimente. Wie etwa Buntsandstein und Muschelkalk. Das ist ein wichtiger Unterschied", sagt Zippelius.
Kompressionszone gegen Dehnungszone
Die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Zurückführung von Thermalwasser Erdbeben ausgelöst werden, ist in Sedimentgesteinen gering. "Und das ist nicht das Einzige, was uns vom Fall Vendenheim abhebt", so Zippelius. Zum Beispiel liege das Elsass in diesem Gebiet in einer geologischen Kompressionszone.

"Das heißt, die unterirdischen Brüche werden zusammengedrückt. Die natürlichen Fließwege für das Thermalwasser verengen sich mit der Zeit und erschweren dessen Zirkulation. Man benötigt mehr Druck während des Betriebs. Unsere Projekte nördlich von Karlsruhe befinden sich in einer Dehnungszone", erklärt er weiter. "Sprich, die Fließwege dehnen sich tendenziell aus. Das erleichtert die Wasserzirkulation und verringert somit die Erdbebengefahr."
"Wir haben ein zuverlässiges Ampelsystem"
Doch selbst wenn die unterirdischen Bohrungen zu viel Druck aufbauen sollten, so bliebe immer noch genügend Zeit, Schlimmeres zu verhindern.
"Die Bürgerinitiative gegen Geothermie stellt es gerne so dar, als würde sich induzierte Seismizität (Anmerkung der Redaktion: Durch menschliche Aktivitäten verursachte Erdbeben) plötzlich aufbauen und unkontrolliert in vernichtende Erdbeben entladen. Das stimmt nicht. Seismizität baut sich langsam auf und gibt uns Zeit zu handeln. Das Seismizitätsrisiko ist technisch beherrschbar", erklärt Zippelius.

Dabei verfolgte die DEW ein sogenanntes Ampelsystem, das sich über ein sogenanntes seismisches Monitoring speise, das das Bohrgebiet dreidimensional analysiere. "Mit einem rund um die Uhr laufenden seismischen Monitoring können wir sich aufbauende induzierte Seismizität überwachen. Ein Ampelsystem gibt klare Handlungsanweisungen, die sich in drei Stufen einteilen lassen."
"In Vendenheim wurde gegen Auflagen verstoßen"
"Bei Grün gibt es keine Anzeichen induzierter Seismizität. Die Anlage läuft im Normalbetrieb. Baut sich induzierte Seismizität auf, sind wir in der gelben Phase. Das Bergamt wird informiert und der Anlagenbetrieb wird angepasst, damit sich die Seismizität abbaut. Erreicht die Seismizität eine bestimmte Grenze, wird der Anlagenbetrieb heruntergefahren. Das wäre die Stufe rot, so Zippelius für die DEW.

"Die Abschaltgrenze für Projekte in Baden-Württemberg liegt bei Magnitude 1,3 und damit unterhalb des Bereichs, in dem Erdbeben spürbar sind. Dadurch sind selbst unter Berücksichtigung eines Nachlaufeffekts keine schadensrelevanten Erdbeben zu erwarten. In Vendenheim gab es keine Vorgabe, so früh abzuschalten. Zudem wurde gegen Auflagen verstoßen."
"Keine Technologie ist ohne Risiko"
Gänzlich überzeugt zeige sich Thomas Hans von der Karlsruher Bürgerinitiative gegen Geothermie von diesen Argumenten aber nicht. "Auch die in Baden-Württemberg geplante hydrothermale Tiefengeothermie kann große Erdbeben auslösen", schreibt er auf Anfrage von ka-news.de. Dazu berufe er sich auf verschiedene Artikel und Expertengespräche, die über das Thema geführt wurden.

"Vor allem die genaue Vorhersagbarkeit der Erdbeben ist nicht nachgewiesen, genauso die Funktionalität der Ampelsysteme", so Hans. Zippelius hält dagegen: "Natürlich birgt jede Technologie ein Restrisiko. Dieses ist bei unserem Erschließungsansatz gering und wird durch unser zuverlässig funktionierendes Ampelsystem zusätzlich minimiert."
"Eine 40 Millionen Euro starke Versicherung"
Laut Zippelius Aussage zeichne eine Bürgerinitiative gegen Geothermie oft ein Bild von ruinösen Ortschaften und Gebäuden in Trümmern.
"Das entspricht nicht der Realität. Auch nicht im Fall von Vendenheim. Um Schäden wie diese zu decken, falls sie denn entstehen sollten, schließt die Deutsche Erdwärme für jedes Projekt Haftpflichtversicherungen mit einer Deckungssumme von jeweils 40 Millionen Euro ab. Das begleicht auch die Schäden um Vendenheim", so der DEW-Pressesprecher.
Allerdings sei auch dieses Argument laut Thomas Hans nicht ausreichend fundiert. "Unsere Erfahrungen aus Kontakten zu vielen Tiefengeothermie-Geschädigten zeigen, dass sie ihre Schäden in der Realität nicht oder nur zum kleinen Teil erstattet werden. Dabei müssen sie oft jahrelange Rechtsstreitigkeiten erleiden", so seine Worte.
"Eine Versicherung zahlt nicht, wenn sie einen Weg findet, es nicht zu müssen"
Um diese Aussage zu überprüfen, wendet sich ka-news.de an eine der Betroffenen der Beben von Vendenheim. Diplomingenieurin Claudia Wuttke aus Kehl am Rhein ist Spezialistin für Erdbebennachweise und konnte selbst Schäden durch Vendenheimer Nachbeben an ihrem Eigentum nachweisen.

"Es ist richtig, dass durch die Nachbeben von Vendenheim keine existenzbedrohenden Schäden entstanden sind - zumindest nicht hier auf deutscher Seite. Allerdings gibt es viele Schäden an Gebäuden von kleinen Rissen im Putz bis hin zu deutlichen Rissen im Mauerwerk oder in Bodenplatten. Und die Leute fühlen sich mit ihren Schäden von den Versicherungen im Stich gelassen", sagt sie.

"Viele der betroffenen Versicherungen unterbreiteten nur unzureichende Vergleichsangebote, deren Annahme eine Verzichtsklausel bezüglich weiterer Schäden und eine Verschwiegenheit vorsieht. Außerdem wurden die Entschädigung entsprechend dem Alter von Anstrich, Putz oder ganzem Haus unangemessen verringert. Rechtliche Schritte sind für die meisten Betroffenen nur auf eigene Kosten möglich, da derartige Fälle in der Rechtsschutzversicherung in der Regel ausgeschlossen sind", sagt Wuttke weiter.

"So stehen die meisten Geschädigten mit unzureichenden Vergleichsangeboten da und wagen nicht, einen teuren und langwierigen Prozess anzustoßen. Wenn uns die Beben aus Vendenheim eines gelehrt haben, dann dass die öffentliche Hand, die im Falle von Schäden im Stich lassen und nicht zuständig sind. Dass Versicherungen nicht zahlen, wenn sie einen Weg finden, nicht zahlen zu müssen, ist ja nichts Neues."
"Die Geothermie kostet den Bürger nichts"
Um solche Szenarien zu vermeiden "setzen wir für den unwahrscheinlichen Fall eines Schadenseintritts auf Ombudsmänner. Das sind unabhängige Bausachverständige, die in Abstimmung mit den Gemeinden ausgewählt werden. Sie stehen Geschädigten als Ansprechpartner zur Verfügung und können Schäden unbürokratisch und schnell regulieren", sagt Zippelius. Es sei zu betonen, dass die DEW den Bürgern keine Kosten aufbürdet.

Das sei nämlich der nächste Kritikpunkt der Bürgerinitiativen, auf den Zippelius eingehen wolle. "Die Bürgerinitiative spielt regelmäßig auf die hohen Kosten für Bohrungen an und suggeriert, dies ginge zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Dabei ist unser Projekt in Graben-Neudorf vollständig aus privater Hand finanziert", sagt er. "Höchstens beim Aufbau eines Wärmenetzes können, wie bei anderen Infrastrukturen auch, steuerfinanzierte Fördermittel genutzt werden."
Zu teuer und zu leistungsarm?
Exakt diese Wärmenetze seien dabei auch das Problem der Bürgerinitiative. "Die für eine Wärmelieferung notwendigen Fernwärmenetze sind extrem teuer. Stromerzeugung mit Tiefengeothermie ist dreimal teurer als Stromerzeugung mit den anderen alternative Energien, wie auch einem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums zu entnehmen ist." Für die Kosten sei laut Hans also kein entsprechender Nutzen festzustellen.
Zippelius teilt diese Ansicht nicht: "Derselbe Bericht, auf den sich die Initiative beruft, gibt auch an, dass man bei Geothermie-Projekten zwischen reinen Stromerzeugern und Kombinationsanlagen unterscheiden muss, Kombinationsanlagen verkaufen Strom und Wärme. Diese rechnen sich durch den Wärmeverkauf sehr wohl und werden durch den steigenden Strompreis auch in ihrer Erzeugung von Elektrizität lukrativer."
"Projekte in nächster Nachbarschaft sollen verhindert werden"
Diese Hervorhebung bestimmter Informationen sei genau das, was Zippelius bereits zu Anfang kritisiert habe: "Die Initiative klammert bewusst die durchaus gewinnbringende Wärmeerzeugung aus und verschweigt, dass auch die Stromerzeugung laut Bericht langfristig aufgrund von steigenden Preisen für Elektrizität rentabel sein wird. Durch derartige Methoden wird nicht informiert, sondern desinformiert", erklärt er.

"Unserer Wahrnehmung nach ist die zentrale Motivation dahinter nicht die Sorge um potenzielle Risiken, sondern der Versuch, Projekte in nächster Nachbarschaft zu verhindern", fährt Zippelius fort. "Bereits eine Bevölkerungsumfrage der 'Plattform Erneuerbare Energien BW', legt nahe, dass sich etwa 30 Prozent der Befragten, dann an erneuerbaren Energien stören, wenn sie in ihrer unmittelbaren Umgebung installiert werden sollen."

Besagte Studie von 2022 deckt sich mit Zippelius Aussagen, als ka-news.de sie überprüft. Allerdings agiert Zippelius als Vorstandsmitglied dieser Plattform. Auf die Durchführung der Umfrage und ihre Ergebnisse habe er keinen Einfluss.
Hans' beeindrucken Vorwürfe der DEW wenig: "Eine Firma, die sich selbst auf ihrer Webseite seit Jahren 'Deutschlands größter Betreiber von Erdwärmeanlagen' nennt, obwohl sie bisher nie ein Werk gebaut hat, nie eines betrieben hat und auch aktuell noch keines betreibt, sollte keinen anderen der Desinformation bezichtigen", schreibt der Leiter der Bürgerinitiative abschließend.