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Karlsruhe: "Gefährlich, teuer, ineffizient!" - Warum sich Karlsruher Bürger gegen Geothermie wehren

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"Gefährlich, teuer, ineffizient!" - Warum sich Karlsruher Bürger gegen Geothermie wehren

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    Thomas Hans von der Bürgerinitiative gegen Geothermie Karlsruhe ist überzeugt, Tiefenbohrungen bringen keinen Wert, der ihre Risiken rechtfertigt.
    Thomas Hans von der Bürgerinitiative gegen Geothermie Karlsruhe ist überzeugt, Tiefenbohrungen bringen keinen Wert, der ihre Risiken rechtfertigt. Foto: Montage Karlsruher Fächer GmbH/Thomas Hans

    Begonnen habe der Protest gegen Geothermie in Karlsruhe, als das Unternehmen Deutsche Erdwärme (DEW) Ende 2020 bis Mitte 2021 erste Pläne für entsprechende Anlagen im Karlsruher Umland vorgestellt hat. In diesem Zeitraum habe sich auch eine Bürgerinitiative zusammengefunden, um argumentativ gegen dieses Vorhaben zu protestieren. Unter ihnen: Der Gründer und Leiter der Initiative, Thomas Hans.

    Thomas Hans, Gründer und Leiter der Bürgerinitiative gegen Geothermie Karlsruhe.
    Thomas Hans, Gründer und Leiter der Bürgerinitiative gegen Geothermie Karlsruhe. Foto: Hans

    "Wir haben allem voran die Tiefengeothermie, also Bohrungen, die über 400 Meter hinausgehen, immer sehr kritisch angesehen. Daher haben sich vor drei Jahren zirka 30 Anwohner in Neureut zusammengefunden, um gegen diese Form von Energiegewinnung vorzugehen. Dabei engagieren wir uns auch überregional und kooperieren mit Bürgerinitiativen aus Landau oder Waghäusel", sagt Hans im Gespräch mit ka-news.de.

    "Wir haben viele Expertenmeinungen"

    Die Initiativen bestehen in aller Regel aus interessierten Laien, beziehungsweise Anwohnern, die sich um die geothermischen Auswirkungen sorgen. "Natürlich stehen wir dabei in engem Austausch mit Experten, etwa von Karlsruher Institut für Technologie (KIT) oder dem Landesamt für Bergbau und Geologie", so Hans. Die Nähe zum wissenschaftlichen Konsens zu halten, sei der Initiative sehr wichtig.

    Und aus diesem wissenschaftlichen Konsens lassen sich laut Hans signifikante Risiken bei der Nutzung der Tiefengeothermie abschätzen. "Vor allem die Erdbebengefahr, die Verunreinigung des Grundwassers und des Bodens sind unsere Hauptsorgen, weshalb wir uns gegen ihre Durchführung positionieren." 

    Erdbebengefahr - ein zu unberechenbarer Risikofaktor?

    Das Erdreich sei eine hochkomplexe und teils fragile Komposition aus dreidimensionalen Gesteinsschichten, die - besonders im Oberrheingraben - ständig unter Spannung stehe. "Wird beim Testen des Reservoirs ein zu hoher Wasserdruck verwendet, kann diese Spannung kippen und es können Erdbeben entstehen", so Hans. Ebenso bestehe die Gefahr bei der Reinjektion des Tiefenwassers. 

    Und weiter: "Kein Experte für Geothermie schließt diese Gefahr aus, auch wenn das Risiko zum Teil als gering eingeschätzt wird. Dabei sind die Beben zu unberechenbar."

    Wie unberechenbar zeige das Beispiel im elsässischen Vendenheim. Hier sei es 2022 noch ein halbes Jahr nach Abschaltung eines geothermischen Kraftwerks zu Erdbeben gekommen. Ein direkter Zusammenhang mit den Bohrungen sei dabei bewiesen worden, wie auch das "Informationsportal Tiefe Geothermie" bestätigt.

    Sicherheitsbohrungen als Lösung?

    Ein Lösungsansatz, bei dem zusätzliche Sicherheitsbohrungen in der näheren Umgebung durchgeführt werden, sodass sich der Druck auf  besser verteilen kann, was die Erdbebengefahr theoretisch minimieren würde, überzeugt Hans nur wenig.

    Die erste der zwei in Graben-Neudorf geplanten Bohrungen ist fertiggestellt. Nun soll getestet werden, ob das Erdreich an dieser Stelle genügend Energie bietet.
    Die erste der zwei in Graben-Neudorf geplanten Bohrungen ist fertiggestellt. Nun soll getestet werden, ob das Erdreich an dieser Stelle genügend Energie bietet. Foto: Lutz Stahl

    "Bei unseren Gesprächsrunden mit verschiedenen Experten, ergab sich immer wieder die Möglichkeit, dass sich die Bohrungen gegenseitig beeinflussen könnten. In Graben-Neudorf gab es 2022 zum Beispiel eine Bohrung, die eine massive Gewichtsverteilung im Untergrund zur Folge hatten", sagt er.

    Grundwasserverunreinigung durch Erdbeben

    Jene Problematik der Erdbeben wirke sich auch direkt auf das zweite von Hans genannte Hauptrisiko der Tiefengeothermie aus: Die Verunreinigung von Boden und Grundwasser.

    "Es ist natürlich richtig, dass die radioaktiv belasteten sowie salz- oder giftstoffhaltigen Wasseradern tief unter den trinkbaren Reservoirs vorkommen. Dabei sollen die Röhren, die die Wärme nach oben transportieren, so stark abgedichtet sein, dass kein Giftstoff austreten und in oberflächennahe Schichten gelangen kann." Leider sei das - gerade aufgrund der Erdbebengefahr - nicht garantiert.

    Vier vom KIT genannte Möglichkeiten gibt es, die Geothermie zu nutzen.
    Vier vom KIT genannte Möglichkeiten gibt es, die Geothermie zu nutzen. Foto: Thomas Kohl | Karlsruher Institut für Technologie

    "Uns als Bürgerinitiative wurde schon mehrfach erklärt, dass die Röhren und Bohrvorrichtungen nicht starr, sondern biegsam wie Spaghetti sind. Trotzdem könnten sie wie Strohhalme brechen, wenn sich durch ein Erdbeben oder eine ungünstige Sicherheitsbohrung das Gewicht im Untergrund verlagert. So können die Schadstoffe problemlos austreten."

    In Landau etwa sei laut "Rheinpfalz" schon Grundwasser durch ein Geothermiekraftwerk mit Arsen verunreinigt worden. "Und da lag es nur an einem Leck, das lange nicht bemerkt wurde. Menschliches Versagen kann in der Geothermie zu einer gefährlichen Kettenreaktion führen."

    Unzuverlässigkeit und Unkosten

    Zuletzt bemängele Hans die mangelnde Effizienz und die mangelnde Zuverlässigkeit bei der Umsetzung der Geothermie. "In Graben-Neudorf wurde, die erste Bohrung genehmigt. Nach 13 Monaten, im vergangenen Juni, wurden sie für beendet erklärt und das Landesamt für Bergbau meldete, dass die Funde von geothermischen Reservoiren nicht gesichert sind", so Hans.

    Ein weiteres Beispiel: "In Bellheim bohrte die private Firma 'Hotrock', wurde aber nicht  fündig und brach die Arbeiten ab. Die Aushöhlungen durch das Bohren wurden von ihr nicht aufgefüllt, weshalb der DEW den Schaden bereinigen musste. All das kostet Geld und bringt nur wenig sichere Resultate", meint der Vorsitzende der Initiative,

    "Richtig teuer für die Anwohner wird es natürlich dann, wenn es zu größeren Erdbebenschäden kommt. Dann muss man sich wahrscheinlich durch einen monate- oder jahrelangen bürokratischen Prozess kämpfen und wird zum Schluss mit einem Taschengeld abgespeist", sagt er weiter.

    Was sind die Alternativen zu Geothermie?

    Doch wenn die Tiefengeothermie aus Sicht der Bürgerinitiative keine sinnvolle Energiequelle ist, welche Alternativen würde sie benennen? ka-news.de fragt nach. "Auch wir sind dafür, möglichst schnell zu erneuerbaren Energien in Deutschland zu wechseln. Im Licht der Ukraine-Krise schneller als je zuvor. Allerdings nehmen wir Tiefengeothermie nicht als sinnvolle Alternative wahr."

    Die Wärmepumpe ist in den vergangenen Jahren vom Nischenprodukt zum Trendprodukt unter den Heizungen im Privatbau geworden. Sie findet sich vor allem an Neubauten, aber auch immer mehr im Bestand.
    Die Wärmepumpe ist in den vergangenen Jahren vom Nischenprodukt zum Trendprodukt unter den Heizungen im Privatbau geworden. Sie findet sich vor allem an Neubauten, aber auch immer mehr im Bestand. Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn

    Oberflächennahe Geothermie sei wiederum ein anderes Thema, wie Hans fortfährt: "Neben Photovoltaik, Solarthermie und Windkraft halten wir Wärmepumpen, die nicht tief genug ins Erdreich eindringen, um Erschütterungen zu riskieren, für sehr sinnvoll", erklärt er. "Außerdem sind Wärmepumpen nicht nur unter der Erde nutzbar. Man denke an eine Flusswärmepumpe in Mannheim oder eine Luftwärmepumpe in Heidelberg."

    Diese seien keineswegs mit einer Erdbebengefahr verbunden. Insgesamt, so Hans, gebe es genügend Alternativen, die die Tiefengeothermie in Kosten-, Nutzen- und Risikofaktor überragen.

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