Du bist in Karlsruhe geboren und aufgewachsen: Wieso bist du weggezogen?
Die ersten 20 Jahre meines Lebens habe ich Karlsruhe – sofern ich mich richtig erinnere – nie länger als zwei bis drei Wochen verlassen. 2014 brach ich jedoch meine Zelte hier ab und ging für ein medienwissenschaftliches Studium nach Tübingen. Fun Fact: Als Bachelorarbeit habe ich mein letztes Album “Zäsur” abgegeben . Mittlerweile lebe ich aber gar nicht mehr in Baden-Württemberg, sondern in Frankfurt.
Was bedeutet die Stadt für dich und wie hat sie dich inspiriert?
Auch wenn ich nicht mehr so oft hier bin, wird Karlsruhe immer meine Heimatstadt bleiben. Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich so viele prägende Dinge erlebt. Hier habe ich gelernt, kreativ zu wirken.
Mit sechs Jahren bin ich nach Oberreut gezogen. Die Zeit dort beschäftigt mich und meine Musik immer noch – im Positiven und im Negativen, denn es war nicht immer leicht. Nichts desto trotz, wie mein Vater immer zu sagen pflegt: "Wer sich des Lebens freut, zieht nach Oberreut." Ich finde, es ist an der Zeit, dass das schlechte Image dieses Stadtteils vollständig abgelegt wird.

Ich denke zum Beispiel gerne an meinen ersten Solo-Auftritt 2016 auf dem Summertime 189 zurück. Was viele nicht wissen: Der Stadtteil galt einmal als Treffpunkt für Hip-Hop-Fans aus dem ganzen Land. Heutzutage ist hier eher tote Hose, es wäre schön, wenn es gerade für die Jugend mehr Freizeitangebote gäbe.
Als ich damals weggezogen bin, war ich jedenfalls erst einmal froh, weg zu sein und ich dachte, dass das so bleiben wird. Es hat sich aber herausgestellt, dass ich einfach nur mal eine gesunde Distanz aufbauen musste.
Während ich als frisch gebackener Student so gut wie gar nicht in der Heimat vorbeischauen wollte (man will erstmal frei fliegen), suche ich mittlerweile immer wieder nach Gelegenheiten, die alten Straßen und Gesichter aufzusuchen.

Mit Karlsruhe und mir war es also auch schon kompliziert, aber es wird immer meine erste Liebe bleiben: meine Familie lebt hier und mein Bruder – der leider letztes Jahr verstorben ist – hat seine ewige Ruhestätte ebenfalls hier. Ich werde also nie ganz weg sein."
Wann und wie bist du zum Rappen gekommen?
Ich habe früh entdeckt, dass ich mich am allerbesten durch Kreativität ausdrücken kann. Meine gesamte späte Kindheit und Jugend habe ich deshalb mit Schauspiel am Badischen Staatstheater zugetragen.
Später war ich auch als Filmschauspieler tätig, merkte jedoch schnell, dass ich was Eigenes brauche. Ich liebe Schauspiel, aber als Darsteller ist man immer auch fremdgesteuert. In meiner Musik ist das nicht so.
Seit ich 13 oder 14 bin, habe ich die Lyrik für mich entdeckt. Parallel war ich großer Fan von Rap-Musik und der damit verbundenen Hip-Hop-Kultur.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich diese beiden Interessen trafen und so kam es dazu, dass ich meine Gedichte irgendwann auf Beats schrieb. Das muss so um 2011 herum gewesen sein.

Damals war das alles noch auf absolutem Laien-Level, also habe ich nach meinen ersten Gehversuchen erst fünf Jahre später angefangen, richtige Songs zu veröffentlichen. Das wurde über die Jahre immer intensiver und professioneller.
Fast Forward ins Jahr 2023: Mittlerweile vertreibe ich meine Musik als unabhängiger Artist über mein Einzelunternehmen "Goldie approves", (benannt nach meiner Katze) und baue seit einigen Jahren auch viele meiner Beats selbst. Ansonsten arbeite ich mit einem begabten, kleinen Team zusammen.
Machst du das hauptberuflich?
Nein, ich bin parallel dazu ebenfalls in einem Kreativberuf.
Kannst du bisher ein Highlight deiner Karriere nennen?
Das gab es nicht. Es sind eher immer wieder kleine und große Leuchtturm-Momente, die ich als Highlights bezeichnen würde. Wenn man alles selbst macht, stößt man auch auf Widerstände. Man muss sich auch damit abfinden, dass man – zumindest finanziell – nicht mit Künstlern konkurrieren kann, die das Geld und die Werbemittel großer Labels zur Verfügung haben. Ich und so viele andere da draußen tragen den gesamten Produktionsaufwand selbst.

Deshalb erfüllt es mich jedes Mal mit Freude, wenn Leute etwas für sich aus meinen Liedern ziehen können und sich in Texten wiedererkennen. Wenn ich schlicht und ergreifend sehe, dass ich auch ohne Werbung und hohe Streamingzahlen Leute erreiche. Am allermeisten freue ich mich jedoch über Konzerte. Es gibt nichts Tolleres, als live zu spielen. Die Bühne ist der Ort, an dem wir Rapper unter Beweis stellen können, ob wir Live-MCs sind oder nicht. Auch in Karlsruhe würde ich gerne öfters spielen, am liebsten einmal auf der Feldbühne beim FEST!
Was möchtest du mit deiner Musik bewirken?
In erster Linie mache ich das für mich. Sich mit Musik auszudrücken ist meine Art, mit dem Leben klarzukommen. Das ist auch eines der Leitmotive vom “Album der Woche”.

Auf dem Titel “Hodor” betrachte ich beispielsweise meine Sorgen und Herausforderungen des Lebens im metaphorischen Sinne als Geisterwesen, die eine Tür in mir aufgebrochen haben, um mich heimzusuchen. Durch die Musik bleibe ich im wahrsten Sinne des Wortes "sane", also bei klarem Verstand. Sane ist eine Kunstfigur, die ich kreiert habe, um die Problemgeister wieder einzusperren.

Ein kurzer Auszug aus meinen Lyrics:
“Doch ich mache immer weiter, meister’ auch jede Hürde, denn ich hieß’ nicht Sane, wenn ich aufgeben würde. Last wird nicht leichter, doch ich immer stärker, so schließe ich die Tür zu dem gottverdammten Kerker.”
Und dann noch zu sehen, dass es nicht nur mir, sondern auch anderen hilft: Das ist der absolute Jackpot. Das würde ich für keinen Reichtum oder Ruhm der Welt eintauschen wollen.
Welche Pläne hast du für die Zukunft und was wünschst du dir?
Ich bin künstlerisch und musikalisch gerade genau dort, wo ich sein will. Ich weiß jedoch, dass sich dieses Gefühl schnell ändert und der Wunsch nach Neuerfindung wach werden wird. Dann bin ich wieder auf der Suche.

Vom romantischen Gedanken eines Ankommens habe ich mich verabschiedet. Ich bin und bleibe auf dem Weg. Die Etappenziele sind das, was mich erfüllt. Und mein neues ist ein solcher Meilenstein für mich.
Mit deinem "Album der Woche" hast du innerhalb von sieben Tagen ein ganzes Mixtape geschaffen. Wie bist du dazu gekommen?
Wie bereits erwähnt, ging letzten Oktober mein großer Bruder von uns. Wenn einer Familie so etwas passiert, dann ist das Unbeschreibliche eingetreten. Dem entgegen steht der kreative Drang, die Dinge eben doch beschreiben zu wollen, so schmerzhaft sie auch sein mögen.
Kurzum: Um das Loch im Herzen nur ansatzweise zu versorgen, musste ich mich abermals in Form von Musik ausdrücken. Ich konnte nicht nur rumsitzen mit all diesen Gedanken, den Sinnfragen und dem Verlust. Es musste raus.
Neben all den anderen alltäglichen und zeitgenössischen Dingen, die noch zusätzlich im Kopf herumschwirren. Am Ende konnte ich daraus unerwarteterweise sogar einen dicken Batzen Hoffnung schöpfen.
Was ist die Herausforderung hieran, welche Dinge muss man beachten?
Ich habe einen unfassbar hohen Selbstanspruch, wenn es um den kreativen Schaffensprozess geht. Ein Projekt ohne roten Faden ist deshalb undenkbar.
Die Kehrseite dessen ist, dass ich Gefahr laufe, mich in komplexen Konzepten zu verrennen. Deshalb habe ich diesmal meine Routine konsequent gebrochen und mir gesagt: Der rote Faden ist diesmal die Zeit. Was in einer Woche entsteht, ist die Geschichte. Das ist dann das Album.
Außerdem wollte ich mir selbst beweisen, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann und entschloss deshalb, alles alleine zu machen. Texte schreibe ich sowieso immer schon selbst, aber für die musikalischen Kompositionen arbeite ich immer mal wieder mit befreundeten Artists zusammen. Die blieben diesmal außen vor, denn ich wollte, dass auch jeder Beat auf dem Album aus meiner Feder stammt.

Die Grundvoraussetzungen sind also an sich schon eine enorme Herausforderung: Zeitdruck und absolut auf sich alleine gestellt sein. Da man sich aber auch die Deadline selbst gesetzt hat, ist man deshalb einzig und alleine dafür verantwortlich. Es gibt also keine Ausreden. Wenn ich das alles so sage, klingt das ganz schön heftig und anstrengend: Das war es, aber es hat sich in jedem Fall gelohnt.
Wie lief die Produktion?
Das Album ist seit dem 30. Juni draußen und wenn ich es mir heute anhöre, frage ich mich, wie ich das eigentlich geschafft habe. Produziert wurde alles übrigens in Karlsruhe - da ich mein vollständiges Equipment zu diesem Zeitpunkt noch in Frankfurt hatte, musste ich technisch ein bisschen improvisiere. Da hat dann auch mal der Wäscheständer als Mikrofonhalter hergehalten.
Ich fing mit den Beats an, hörte Samples, die mich inspirierten und begann Melodien zu entwickeln. Darauf haben sich dann Stück für Stück die Texte aufgebaut. Was fertig wurde, nahm ich auf. Bis der letzte Song stand und ich merkte: “Ohje. Du hast noch zwei Tage!” An diesen habe ich auch so gut wie gar nicht geschlafen, da ich so sehr mit dem Mixing bzw. Mastering der Spuren beschäftigt war. Und dann war es fertig, das “Album der Woche".
Wie lange braucht es eigentlich, ein Album zu produzieren?
Mein Debütalbum hat Jahre in Anspruch genommen. Ich glaube, es kann Ewigkeiten dauern. Nun habe ich jedoch gelernt, dass manchmal auch schon sieben Tage reichen ...