Erstmalig äußerten sich zwei angeklagte KSC-Fans vor der Anklageverlesung vor Gericht - sie verlasen jeweils eine persönliche Stellungnahme.
Es bleibt ein Mammut-Prozess: Am Donnerstag standen zwei weitere KSC-Ultras vor dem Amtsgericht Karlsruhe. Die beiden Beschuldigten Stefan H. und Sascha V. müssen sich für Ihre vermeintliche Rolle bei der Organisation der Pyro-Choreografie vor zwei Jahren verantworten.
Erste Stellungnahme im Pyro-Prozess
V. bedauerte, dass es zu Verletzten kam: "Es tut mir sehr leid für alle Verletzen", so V. und weiter: "Meine Familie war selbst im Block. Hätte ich von der Pyro gewusst, hätte ich sie niemals mitkommen lassen."

Er betont, nicht gewusst zu haben, dass zusätzlich zur Choreografie Pyrotechnik gezündet werden sollte. V. räumt ein, dass er geholfen habe, die Fahnen zu nähen, aber an der Pyro-Show sei er nicht beteiligt gewesen: "Hätte ich davon gewusst, hätte ich sogar versucht, das zu verhindern", erklärt er.
Am 11. November 2022 trafen im BBBank Wildpark der KSC und der 1. FC St. Pauli aufeinander. Die Ultragruppierung "Rhein-Fire" nutzte das Zweitligaspiel, um ihr 20-jähriges Jubiläum mit einer großen Choreografie zu feiern. Dabei wurden bis zu 200 pyrotechnische Gegenstände gezündet. Durch den freigesetzten Rauch wurden elf Besucher verletzt. Bereits 19 Verfahren wurden im Rahmen des "Pyro-Prozesses" erstinstanzlich abgeschlossen.
"Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist nachhaltig erschüttert"
Auch der Angeklagte H. bestreitet in seiner Stellungnahme, von der Pyro-Show gewusst zu haben: "Im Vorfeld des Jubiläums gab es einen tragischen Trauerfall in meiner engsten Familie. Deshalb habe ich mich zurückgezogen." Er habe weder an den Vorbereitungen teilgenommen noch selbst Pyrotechnik im Stadion gezündet.

Laut H. leide er und seine Familie unter den Auswirkungen des Prozesses sehr. Besonders seine Kinder seien durch das Auftreten der Polizei bei der Hausdurchsuchung nachhaltig geprägt worden. "Ich habe das Vertrauen in die Karlsruher Justiz verloren", schließt er seine Erklärung.
Beweismittel: Video, Zeugenaussagen und Chatverläufe
Als Beweismittel dienten auch in diesem Prozess Filmaufnahmen und Chatverläufe.
Beide Angeklagte werden von einem szenekundigen Polizeibeamten als "Rhein Fire"-Mitglieder identifiziert. Dies bestätigten auch Chatverläufe, die von der Ermittlungsgruppe "Nebel" ausgewertet wurden.

Er tritt an diesem Prozesstag als Zeuge auf. Seit über fünf Jahren ist er mit der Fanszene vertraut und hat bereits in mehreren Verfahren des "Pyro-Prozesses" ausgesagt.
Ein weitere Zeuge - ebenfalls Polizist - äußert sich zur vermeintlichen Beteiligung von H. an Pyro und Choreografie: Der Angeklagte habe an keinem Vorbereitungstreffen teilgenommen, sei aber "ab und an" in den Chatgruppen der Ultragruppierung aktiv gewesen.
Video identifiziert erstmals KSC-Ultra
Die Choreografie wurde von mehreren Kameras gefilmt. Polizei und Fans dokumentierten im November 2022 das Geschehen. Auf allen Aufnahmen sind die Personen, die die Pyrotechnik zünden, vermummt und konnten nicht identifiziert werden.

Anders sieht es bei diesem Prozess aus: Ein Angeklagter ist auf einem Video eindeutig zu erkennen. Ohne Schal vor dem Gesicht. Die Aufnahme wird im Gerichtssaal abgespielt.
Was ist auf dem Video zu sehen?
Darin ist zu sehen, wie V. die Träger der Blockfahne anweist, diese zu schütteln, weil sich ein blaues Fähnchen aus Plastik verfangen hatte. Außerdem gibt er die Anweisung: "Langsam hoch, die muss man jetzt sehen."
Seien Aufforderung gilt den Fans, welche im Stehblock die blauen Tafeln über die Köpfe halten sollen. Während der Pyrotechnik , sang V. die Fangesänge der Ultras mit - hat selbst aber keine Pyro in der Hand. Auf dem Video sieht sein Blick auch teils besorgt aus, als die blau-weißen Rauchschwaden aufsteigen. Dann endet das Video.
Alibi oder Belastung?
Das Video sorgt für Emotionen im Gerichtssaal - und wird unterschiedlich intepretiert. "Wir haben gerade eindeutig gesehen, dass mein Mandant definitiv keine Pyrotechnik gezündet hat", so Anwalt Christian Süß.

Staatsanwalt Graulich sieht das anders: "Ihr Mandant feiert doch die Pyrotechnik. Das sieht man eindeutig."
Welche Rolle spielt das neue Stadiondach bei den Folgen der Choreografie?
V.'s Verteidiger Christian Süß erkundigt sich im Rahmen des Prozesses zum neuen Stadiondach: Welche Rolle könnte dies bei der Verbreitung des Rauchs gespielt haben?

Der Zeuge antwortet darauf: "Der Rauch hielt sich sehr lange im Stadion. Dafür ist meiner Meinung nach aber nicht das neue Dach, sondern lediglich die Menge der gezündeten Pyrotechnik verantwortlich."
Eine Entscheidung fällt am Donnerstag nicht: Richter Nyarko unterbrach die Verhandlung gegen 13 Uhr. Mit einem Urteil wird am Fortsetzungstermin, dem 19. Dezember, gerechnet.

Der Karlsruher "Pyro-Prozess"
Am 12. November 2022 trafen der Karlsruher Sportclub (KSC) und der FC St. Pauli aufeinander.
Vor Anpfiff der Partie kam es zu einer nicht angemeldeten Pyro-Aktion der Ultra-Gruppierung "Rheinfire". Sie feierten mit der Aktion ihr 20-jähriges Jubiläum, zündeten pyrotechnische Gegenstände und Feuerwerksbatterien.
Die Partie musste mit 15 Minuten Verzögerung angepfiffen werden - der Rauch behinderte die Sicht im gesamten Stadion. Nach dem Spiel meldeten sich Stadionbesucher: Der Rauch verletzte elf Fans, einen davon schwer und nachhaltig.
Das Thema beschäftigt seitdem die Karlsruher Justiz: Im Mai 2024 starteten die Verhandlungen am Amtsgericht Karlsruhe. In insgesamt 28 Verfahren stehen 25 Ultra-Fans und drei Sozialarbeiter des Fanprojekts vor Gericht. Für 16 "Rheinfire"-Mitglieder wurde bereits ein Urteil gesprochen (Stand: 10. Dezember).