Jetzt wird der Gürtel enger geschnallt: In den kommenden Jahren will Karlsruhe an vielen Stellen einsparen, konkret geht es um ein Einsparungspotential von über 180 Millionen Euro im laufenden Betrieb der Stadtverwaltung sowie im Kultur- und Sozialbereich. Um einem zunehmend wachsenden Defizit zu begegnen, hat die Stadtverwaltung bereits zwei Maßnahmenpakete geschnürt. Erst Ende Juni gab der Gemeinderat gab seine Zustimmung zum zweiten Maßnahmenkatalog.
Wohlfahrtsverband fürchtet um seine Angebote
Während die Stadtkämmerei und ein Großteil der Karlsruher Stadträte (SPD, CDU, FPD, Grüne, GfK und die Kultfraktion) für vertretbar halten, zeigen sich manche von den Sparmaßnahmen Betroffene besorgt. So trafen sich am Dienstag die Mitglieder des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zu einer Sitzung, um über die Konsequenzen des Sparkurses zu sprechen.
Von den geplanten Sparmaßnahmen der Stadt Karlsruhe ist der Paritätische Wohlfahrtsverband mit seinen Mitgliedsorganisationen nach eigener Aussage "ganz erheblich betroffen". Bereits im kommenden Jahr sollen die Zuschüsse jährlich um 287.958 Euro sinken. Die Befürchtung des Verbands: Viele Einrichtungen könnten in ihrem Bestand gefährdet werden.
Betroffen wären dann die Beratungsstelle der Aids-Hilfe, die Mediensuchtberatung, spezielle Angebote für Frauen wie der Tagestreff für wohnungslose Frauen, das Frauenhaus und die Beratungsstelle bei sexueller Gewalt, die Bildungsangebote des Vereins für Jugendhilfe, die Hilfen für Suizidgefährdete des Arbeitskreis Leben, integrationsfördernde Angebote der Lebenshilfe sowie der Reha-Südwest und des Gehörlosenverbands.
"Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist sich bewusst, dass bei der Finanzsituation der Kommune nicht alles bleiben kann wie es ist", so das Fazit in einer Pressemitteilung. Da im Sozialbereich viele Zuschüsse in den letzten Jahren nur unwesentlich erhöht wurden, hält der Verband nach eigener Aussage den Kürzungsvorschlag von neun Prozent für gravierend.
Diakonie stellt Angebote bereits zum Jahresende ein
Kritische Töne kommen aber auch von der Diakonie. Nach Bekanntwerden des ersten Sparpakets teilte die Diakonie mit, dass mit "spürbaren Einschnitten" gerechnet werden müsste. Das Problem: Ab dem Haushaltsjahr 2017 werden die freiwilligen Leistungen der Stadt um rund 180.000 Euro jährlich reduziert. "Eine Kürzung in dieser Höhe trifft uns äußerst schmerzhaft", so der Direktor des Diakonischen Werks, Pfarrer Wolfgang Stoll.
Vor allem auf die Arbeitsbereiche Hausaufgabenbetreuung und Krebsberatung werde der Sparkurs große Auswirkungen haben. Zwei Einrichtungen der Schülerhilfe werden bis Jahresende geschlossen: Die Schülerhilfe-Angebote in Rintheim und im Nußbaumweg schließen im kommenden Juli bzw. zum 31. Dezember 2016. Die Angebote der Krebsberatung sollen in den kommenden Monaten neu strukturiert und künftig gemeinsam mit der AWO durchgeführt werden.
Sparmaßnahmen treffen Karlsruher Pendler
Doch nicht im Sozialbereich, sondern im Nahverkehr müssen sich die Karlsruher bereits in absehbarer Zeit auf Veränderungen einstellen. Der Sparkurs, den die Stadt in den kommenden Jahren einschlagen will, geht auch an den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) nicht spurlos vorbei. Ab dem Jahr 2019 wollen die VBK ihr jährliches Defizit um zehn Millionen Euro reduzieren.
Für die Pendler bedeutet das: Sie müssen sich auf Ausdünnungen im Fahrplan einstellen - und zwar schon in den kommenden Monaten. Betroffen sind die Nightliner, die Linie 5 und 8. Ab Montag, 12. September, werden von Sonntag bis Donnerstag die Nightliner-Verbindungen reduziert. Nur noch in den Nächten von Freitag auf Samstag sowie von Samstag auf Sonntag wird der reguläre Nightliner-Verkehr von 1.30 Uhr bis 3.30 Uhr angeboten. An allen anderen Tagen entfällt dieses Angebot. Die Nightlinerknoten um 4.30 Uhr sollen weiterhin erhalten bleiben.
Im kommenden Jahr soll dann ein spezieller Sommerferienfahrplan für die Tram-Linie 5 eingeführt werden. Vorgesehen ist dann, dass die Linie 5 im Sommer des kommenden Jahres nur noch alle 20 Minuten verkehrt. Für die Durlacher Pendler haben Sparpläne besondere Auswirkungen: Die Tram-Linie 8 von Durlach nach Wolfartsweier wird mit Ausnahme von zwei Schülerfahrten ab dem Montag, 12. September, eingestellt. Wie das bei den Durlachern ankommt, bleibt abzuwarten. Am Mittwoch landete das Thema zunächst auf dem Tisch des Durlacher Ortschaftsrats.
ka-news Hintergrund:
Um dem jährlich ansteigenden Defizit entgegenzuwirken, startete die Stadtverwaltung 2015 einen Haushaltsstabilisierungsprozess. Die Vorschläge wurden in den einzelnen Dezernaten erarbeitet: Dabei erhielt jedes Dezernat eine individuelle Zielvorgabe für die Haushaltsjahre 2017 bis 2022. Die Stadt will hierzu zwei Maßnahmenpakete auf den Weg bringen.
Ende April stimmte der Gemeinderat über das erste Paket ab: Über 304 Maßnahmen waren enthalten - mehrheitlich wurden sie von den Stadträten zur Kenntnis genommen. Wirksam werden die verabschiedeten Maßnahmen zum neuen Doppelhaushalt 2017/2018. Im Juli sollen die ersten Entwürfe zum kommenden Haushalt stehen - im November/Dezember finden die Haushaltsberatungen statt. Zwischen beiden Terminen soll ein Bürgerforum geben - "da können all diese Dinge noch einmal diskutiert auch ausdiskutiert werden", so Mentrup im April. Das zweite Maßnahmenpaket, mit Einsparungen oder Mehreinnahmen von 30 Millionen Euro, soll ab 2019 schrittweise folgen.
Laut Oberbürgermeister Mentrup reduziert sich die Ursache im Wesentlichen auf einen Ausgabenanstieg von zwei bis drei Prozent pro Jahr bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen. "Diese geringe Steigerung hat ein paar Jahre lang durch gewisse Sonderkonditionen keine Rolle gespielt", so Mentrup im Januar und meint damit die positive überdurchschnittliche Einwohnerentwicklung in Karlsruhe sowie Einmal-Effekte gerade in den Gewerbesteuererträgen (2012/2013), die so in den Folgejahren nicht mehr erwartet werden können.