Was würde wohl Friedrich Weinbrenner sagen, wenn der das bald fertig gestellte "Kaiser-Karree" auf der Nordseite der Kaiserstraße gegenüber des Marktplatzes zu Gesicht bekommen würde? Für die vor rund einem Jahr gegründete Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft steht fest: Er würde sich im Grab umdrehen. "Das Gebäude ist eher eine oberflächliche Adaption von Weinbrenners Architektur", urteilt Ulrich Maximilian Schumann, Präsident der Gesellschaft.
"Der Marktplatz besitzt keine Nordseite"
Der Bau, den das Stuttgarter Architekturbüro Lederer, Ragnarsdóttir und Oei entworfen hat, kopiere oberflächlich charakteristische Motive Weinbrenners - so beispielsweise die Rundbögen über die unteren anderthalb Stockwerke. "Das hätte Weinbrenner an dieser Stelle so nicht gemacht", ist sich Schumann sicher.
Gleichzeitig ließen die Architekten gerade das, wovon eine Weinbrenner-Fassade lebe - nämlich die Fensterrahmen mit dem Gesimse, den Konsolen und den Regendächern darüber - und was auch in der heutigen Zeit als konstruktiver Bauschutz diene, weg. So werde der Bau Weinbrenner dem "großen Mentor der Karlsruher Stadtgeschichte" in keiner Weise gerecht, ist Schumann überzeugt und geht noch weiter: "Der Marktplatz mit dem Weinbrenner-Ensemble wird durch den Bau in seinem Charakter verfälscht."
Doch nicht nur die Architekten missachten des Baumeisters grundlegende Vorstellung vom Bauen, so die Meinung der Weinbrenner-Gesellschaft. Auch die Stadt deute ihren berühmten Sohn um, indem sie die Häuserzeile auf der Nordseite der Kaiserstraße in Bebauungsplänen als "Nordseite des Markplatzes" bezeichne. "Weinbrenner strebte nie den Marktplatz als einen geschlossenen Platz an", erklärt Schumann. "Der Karlsruher Marktplatz besitzt keine Nordseite."
Neues Gebäude drängt sich in den Vordergrund
Nun fordert die Weinbrenner-Gesellschaft, die es sich auf die Fahne geschrieben hat, das Erbe Weinbrenners in der Fächerstadt zu bewahren, keineswegs den Neubau wieder abzureißen. Sie bedauere lediglich nicht in den Entscheidungs- und Planungsprozess eingebunden worden zu sein. Dieser sei quasi "durchgewunken" worden. Auch verurteile sie keineswegs, wenn moderne Baumeister Anleihen an Weinbrenner nähmen. "Die Frage ist, was von dem neuen Gebäude übrig bleibt, wenn man den Weinbrenner rausnehmen würde? Eine Schachtel."
Die Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft begrüße es sehr, wenn Investoren in der Karlsruher Innenstadt bauen. "Wir haben nichts dagegen, die Bausubstanz zu erneuern", betont Ulrich Maximilian Schumann. Allerdings hätte er sich einen "zeitgenössischen Bau, der sich in die Logik des Ortes einfügt", gewünscht. Diese Logik bestünde im harmonischen Nebeneinander des Weinbrenner-Ensembles, unter anderem bestehend aus dem Rathaus und der Stadtkirche, und einem zurückhaltenden Neubau an der Kaiserstraße, der nicht mit den historischen Gebäuden konkurriere, wie dies das strahlend weiße "Kaiser Karree" mache.
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Marktplatz: Neubau im Geiste Weinbrenners