Im August 2014 wurde bekannt, dass ein Häftling in der JVA Bruchsal an den Folgen eines Hungerstreiks verstorben war. Den Mitarbeitern wurde unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen, der JVA-Leiter suspendiert, ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet.
Justizminister lässt Haftbedingungen prüfen
Seit dem steht die Haftanstalt heftig in der Kritik. Unter anderem ist die Rede von Mängeln in der ärztlichen Versorgung von Insassen. Vorwürfe, die Justizminister Rainer Stickelberger aus der Welt räumen möchte. Parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gab er gemeinsam mit dem Justizministerium die Prüfung der Umstände in baden-württembergischen Gefängnissen durch eine Expertenkommission in Auftrag. Das Hauptaugenmerk hierbei liegt auf der Versorgung von psychisch kranken Insassen. Ziel ist es, einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Situation in den Haftanstalten zu erstellen und Vorfälle, wie den Hungersuizid in Bruchsal, künftig zu verhindern.
Nun macht die Expertenkommission, bestehend unter anderem aus psychiatrischen Medizinern, Wissenschaftlern und erfahrerenen Vollzugspraktikern, einen ersten Zwischenbericht öffentlich. "Unabhängig und mit großem Sachverstand" habe man in den letzten fünf Monaten den Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen auf den Prüfstand gestellt. In bislang fünf Sitzungen seien die bestehenden Strukturen intensiv analysiert und mögliche neue Ansätze und Maßnahmen geprüft worden. Besuche in JVA-Krankenhäusern, Psychiatriezentren und Gefängnissen selbst waren dabei inbegriffen.
Kommission fordert mehr Personal und Anstalt-Ärzte
23 Handlungsempfehlungen gibt die Kommission in ihrem ersten Bericht. Sie zielen im Kern auf eine Verbesserung der personellen und sachlichen Strukturen ab, um psychisch auffällige Gefangene schnell und zuverlässig zu erkennen und richtig zu behandeln. Unter anderem sollen die großen Anstalten des Landes mit über 400 Haftplätzen flächendeckend mit einer zweiten Arztstelle ausgestattet werden. Außerdem schlägt die Kommission vor, noch mehr externe Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie als Konsiliar- und Vertragsärzte in die psychiatrische Behandlung vor Ort einzubinden. Auch in Sachen Pflegepersonal soll aufgestockt werden.
Empfohlen wird auch eine erhebliche personelle Verstärkung des allgemeinen Justizvollzugsdienstes, um vor allem im Spätdienst die einzelnen Stockwerke der Gefangenenunterkünfte besser betreuen zu können und um den besonderen Belastungen der Beschäftigten gerade im Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen Rechnung zu tragen.
Werden Experten-Vorschläge umgesetzt?
"Wir stellen unsere Vorschläge bereits jetzt vor Abschluss der Arbeit der Kommission vor, um der Politik die Möglichkeit zu geben, frühzeitig die Weichen für eine Umsetzung der Maßnahmen in einem möglichen Nachtragshaushalt zu stellen", so der Kommissionsvorsitzende Rüdiger Wulf. Der Abschlussbericht im Spätsommer werde dann vertieft auf weitere Aspekte eingehen, etwa auf die Regelungen für ärztliche Zwangsmaßnahmen, die mögliche Einrichtung von Ethikkommissionen in den Anstalten und das Thema Suizidprävention im Vollzug. Erst im Frühjahr diesen Jahres war erneut ein toter Insasse in der JVA Bruchsal aufgefunden worden - derzeit wird geprüft, ob er an einer Überdosis verstarb.
Stickelberger gibt an, die Vorschläge so schnell wie möglich prüfen zu wollen: "Ich werde mich mit voller Kraft dafür einsetzen, dass notwendige strukturelle Verbesserungen im Justizvollzug möglichst rasch angegangen werden. Erste Umsetzungen notwendiger Maß-nahmen können bereits in einem möglichen weiteren Nachtragshaushalt erfolgen", so der Minister Anfang der Woche.
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