KIT-Experte Matthias Zimmermann leitet die Abteilung Straßenentwurf und -Betrieb der Universität und kennt den Oststadtkreisel wie kein Zweiter. Er trifft sich mit ka-news.de-Volontär Marius Nann am 27. März zu einem Termin direkt an seinem "Lebenswerk".
"Ich bin vor 27 Jahren nach Karlsruhe gezogen, und vor 26 Jahren wurde der 'Kreisel' gebaut. Seitdem beschäftige ich mich mit ihm", so Zimmermann.

Wieso ist der Oststadtkreisel so kompliziert?
Viele Leute haben Respekt vor dem Oststadtkreisel. Die Verkehrsführung in der berüchtigten runden Kreuzung führt häufig zu Unfällen und Konflikten. So auch am 27. März.

Immer wieder sind hupende und abbremsende Autos zu hören. Der "Kreisel" scheint auch weiterhin die Verkehrsteilnehmer zu verwirren. "Primär liegt das wohl an der verwirrenden Namensgebung", erklärt Zimmermann. Zwar sei der Oststadtkreisel als solcher bekannt, in Wirklichkeit handle es sich aber um eine kreisförmige Kreuzung, in der die typischen Verkehrsregeln gelten.

"Hier hilft auch nicht, dass Google die Kreuzung bis vor Kurzem als klassischen Kreisverkehr geführt hat", berichtet Zimmermann. Die Ansage des Navis: "Den 'Kreisverkehr' an der dritten Ausfahrt verlassen" habe wohl schon so manchen Autofahrer in die Irre geführt.
Anfangs gab es Ampeln auf dem "Kreisel"
Warum man sich 1995 für die runde Form der Kreuzung entschied, kann Zimmermann nicht sagen. Aber die Entscheidung für diese besondere Form führte von Beginn an zu Problemen: "Anfangs wurde der Verkehr durch Ampeln gesteuert", erklärt Zimmermann.

Diese wurden aber schnell wieder abgeschaltet. "Die Ampelschaltung auf der Kreuzung führte zu enormen Rückstaus", berichtet der Experte. Daher habe sich die Stadt entschieden, die Ampeln erst abzuschalten und später komplett abzubauen.
Erstes Experiment sollte Sicherheit der Radfahrer erhöhen
Schnell wurde jedoch klar, dass die Verkehrssicherheit auf der Kreuzung alles andere als ideal war. Gerade die Zufahrt der Stuttgarter Straße sorgte immer wieder für Unfälle. Besonders Radfahrern wurde die Zufahrt häufig zum Verhängnis: "Die zweispurige Zufahrt war einfach enorm gefährlich", erklärt der Verkehrsexperte, "und so eigentlich nicht zulassungsfähig." Ein Experiment sollte die Sicherheit verbessern.

Hier wurde der rechte der Autofahrstreifen der Zufahrt weggenommen und zu einem Fahrstreifen für Radfahrer umgestaltet, der baulich von der Fahrbahn getrennt wurde. "Das hatte einen positiven Einfluss auf die Sicherheit in diesem Bereich", erklärt Zimmermann.
Wie wurde das Experiment ausgewertet?
Das erste Experiment auf dem Oststadtkreisel war auf ein Jahr angelegt. Dann sollte es ausgewertet werden. Dies geschah im Rahmen einer Bachelorarbeit, die von Matthias Zimmermann betreut wurde. Hierfür nutzte man Verkehrszählungen, Videobilder, Unfallstatistiken und Beobachtungen.

"Für eine belastbare Bewertung der Auswirkungen des Experiments auf die Unfallhäufigkeit ist es zwar noch zu früh", erklärt Zimmermann. Man habe aber deutlich gesehen, dass sich die Sicherheit von Radfahrern durch die veränderte Verkehrsführung verbessert habe. Wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Unfallstatistik in diesem Bereich ließen sich erst nach drei Jahren treffen, so der KIT-Experte.
Bleibt die Einfahrt zur Stuttgarter Straße jetzt so?
Wenn alles auf einen Erfolg hindeutet, warum sieht die Ausfahrt der Stuttgarter Straße zum Oststadtkreisel immer noch wie ein Provisorium aus? "Derzeit ist die Verkehrsführung so angelegt, dass man den Versuchsaufbau über Nacht rückgängig machen könnte", beschreibt Zimmermann.

Eine Verstetigung des Experiments sei seiner Einschätzung nach zwar sinnvoll, die letzte Entscheidung darüber müsse jedoch woanders getroffen werden: "Das liegt allein bei der Stadt, aber wieso sollte man eine funktionierende Lösung umwerfen?".
Auf Anfrage von ka-news.de bestätigt die Stadtverwaltung, dass sie frühestens Ende Juni das erste Experiment auswerten werde. Dann könne man überlegen, ob der Versuch verlängert wird oder, ob man die dortige Verkehrsführung verstetigen wolle, erklärt ein Sprecher der Stadt.
Experiment Nummer zwei kürzlich angelaufen
Anfang März 2025 begann dann ein weiteres Experiment auf dem Oststadtkreisel. Dieses Mal nahmen die Verkehrsplaner jedoch die östliche Ausfahrt zur Wolfartsweierer Straße ins Visier.

"Untersuchungen haben gezeigt, dass die doppelte Fahrzeugaufstellung im Inneren des 'Kreisels' zu vielen Konflikten führte." Daher habe man sich entschlossen, dies ebenfalls auf einen Fahrstreifen zu beschränken. "Viele Fahrzeuge fuhren hier zu schnell in den Kreuzungsbereich ein und übersahen, dass sie Vorfahrt zu gewähren hatten", erklärt Zimmermann.
Dieses Problem wurde nun beseitigt. Die Stadt erklärt, man wolle den neuen Versuch mindestens für ein Jahr laufen lassen. Danach solle geprüft werden, ob sich das Experiment positiv auf die Verkehrssicherheit ausgewirkt habe.
Sind weitere Experimente auf dem Kreisel geplant?
Die zwei großen Unfallschwerpunkte seien durch die beiden Experimente in Angriff genommen und verbessert worden. Geplant seien zunächst keine weiteren Experimente: "Der Oststadtkreisel ist noch bei Weitem nicht optimal, aber mit den beiden Eingriffen haben wir ihn deutlich sicherer gemacht."

Die letzte Entscheidung liege weiterhin bei der Stadt. Falls sie noch weiteren Verbesserungsbedarf sehe, könnten auch zukünftig weitere Experimente folgen. Das bestätigt auch die Verwaltung, man wolle zunächst die Ergebnisse der laufenden Experimente abwarten und erst dann etwaige weitere Versuche starten.
Wo besteht denn noch Verbesserungsbedarf am Oststadtkreisel?
"Aus verkehrstechnischer Sicht sind die Radwege und die Radquerungen noch ein Problem", erklärt Zimmermann. Diese führen in einem konzentrischen Kreis um die runde Kreuzung und queren die vier Ein- und Ausfahrten auf ihrer gesamten Breite. "Die Querungen sind zu weit von den Abbiegepunkten der Autofahrer entfernt", so der Experte.

Dies könne dazu führen, dass parallel zum Verkehr fahrende Radfahrer nicht als gleichberechtigte Teilnehmer erkannt würden und es zwischen abbiegenden Autos und querenden Radfahrern zu Konflikten kommen könnte. "Es ist erstaunlich, dass in diesen Situationen nicht mehr Unfälle passieren", wundert sich der Verkehrsexperte. Aber da dem nicht so sei, bestehe hier auch kein akuter Handlungsbedarf.
Wie könnte die Zukunft des Oststadtkreisels aussehen?
Mit einem Blick in die verkehrstechnische Glaskugel tut sich Matthias Zimmermann sichtlich schwer: "Ich berate die Stadt schon sehr lange in dieser Sache und muss sagen, dass die Arbeit mit allen beteiligten Stellen äußerst positiv und professionell abläuft." Daher wolle er nicht den Eindruck erwecken, hier jetzt mit einer Forderung voranzupreschen.

"Wenn man alle typischen Verkehrskonflikte im 'Kreisel' beheben möchte, bliebe einem nichts anderes übrig, als von der runden Kreuzung abzurücken und eine klassische Kreuzung mit einer Ampelschaltung zu implementieren", erklärt Zimmermann. Diese Lösung brächte sicherlich neue Probleme und Schwierigkeiten mit sich, mutmaßt der KIT-Experte. "Mit modernen Simulationen und Erkenntnissen ließen sie sich aber sicherlich beheben."
Stadt hat keine Pläne den "Kreisel" umzubauen
Auf Anfrage von ka-news.de sagt ein Sprecher der Stadt: "Es gibt derzeit keine Überlegungen zum vollständigen Umbau des Oststadtkreisels". Ein solcher Umbau sei des Weiteren mit enormen Kostenverbunden, die in der aktuellen Haushaltslage nicht zu realisieren seien, so der Sprecher weiter.

Was raten Sie als Experte den Autofahrern?
"Ich höre oft von Menschen, die lieber größere Umwege in Kauf nehmen, um diese Kreuzung zu meiden", berichtet Zimmermann. Er würde den Leuten gerne die Angst vor dem Oststadtkreisel in Karlsruhe nehmen, ist sich aber bewusst, dass es sich um eine komplexe Kreuzung handelt.

"Daher mein Tipp: Wenn Sie sich unwohl auf dieser Kreuzung fühlen, meiden Sie sie auch weiterhin", so der Experte. Es wäre nicht sinnvoll, wenn sich gestresste Verkehrsteilnehmer in den Kreuzungsbereich begeben und dort überfordert reagieren.