Wie könnte das Gesicht der Karlsruher Innenstadt zukünftig aussehen? Dazu hat sich die Stadtverwaltung Karlsruhe bereits im August 2020 Gedanken gemacht und das IQ Leitprojekt Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt (ÖRMI) in Auftrag gegeben.
Hans-Thoma-Straße in Karlsruhe unter der Lupe
Ziel des Projekts sei es, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu stärken. "Geeignete Mittel zum Erreichen dieses Ziels sind vielfältigere Nutzungen, mehr Grün und eine Neuverteilung des öffentlichen Raums zugunsten des klimaschonenden Fuß- und Radverkehrs", heißt es im Vorwort des ÖRMI-Abschlussberichts.

Der Bericht soll der Stadtverwaltung sowohl kurz- als auch langfristig als Leitfaden für Planungen in der Innenstadt dienen. Entschieden ist noch nichts. Es handelt sich um Vorschläge und Konzepte.
Eine von fünf Straßen, die dabei besonders unter die Lupe genommen wurde, ist die Hans-Thoma-Straße im Herzen der Stadt. Diese führt vor den Türen der Staatlichen Kunsthalle entlang und soll zukünftig eine wichtigere Rolle für den Fuß- und Radverkehr spielen - "um die Kunsthalle sichtbarer zu machen", wie es dazu im ÖRMI-Abschlussbericht heißt.
Bericht sieht zwei Möglichkeiten für die Hans-Thoma-Straße
Derzeit besteht die Hans-Thoma-Straße aus drei Autofahrspuren. Zwei davon führen in die Innenstadt und eine vorbei an der Kunsthalle in Richtung Willy-Brandt-Allee. Jeweils eine Radfahrspur führt stadtein- beziehungsweise stadtauswärts.

Durch die viel befahrene Straße würde der öffentliche Raum in der Hans-Thoma-Straße nicht gerade zum Verweilen einladen, heißt es im Bericht. Damit das nicht so bleibt, sind im Abschlussbericht Überlegungen zu zwei möglichen Konzepten vorgesehen
Was ist geplant
Option 2 sieht dabei vor, dass neben der Autospur auf jeder Straßenseite je ein Einbahn-Radweg entsteht. Autoverkehr und Radverkehr würden somit parallel verlaufen. Viel ändern würde sich bei dieser Variante also nicht.

Option 1 geht noch einen Schritt weiter. Um das Konzept zu ermöglichen, sieht diese Variante vor, die Hans-Thoma-Straße in eine Straße mit nur zwei Autofahrspuren (eine pro Richtung) zu verwandeln. Zusätzlich sollen Rad- und Autoverkehr durch die vorhandene Verkehrsinsel getrennt werden.
Der motorisierte Verkehr würde damit auf der anderen Seite der bestehenden Mittelinsel verbleiben. Der Radverkehr führe nicht mehr auf beiden Seiten der Mittelinsel entlang, sondern nur noch aufseiten der Kunsthalle. Ziel sei es, den Autoverkehr signifikant zu reduzieren.
"Mehrwert für den Raum neben der Kunsthalle"
Diese Option brächte aber eine Schwierigkeit mit sich: Da der Radweg auf nur einer Straßenseite verlaufen, aber beide Fahrtrichtungen abdecke, würde ein Wechsel auf die andere Straßenseite erschwert. "Aus dieser Führung des Radwegs ergibt sich die große Herausforderung der Auflösung des Zweirichtungsradwegs und einer sicheren Führung über den angrenzenden Knotenpunkt Hans-Thoma-Straße/ Stephanienstraße", lautet es dazu im Abschlussbericht.

Durch die Maßnahme könnte ein "substanzieller Mehrwert für den öffentlichen Raum neben der Kunsthalle geschaffen werden." Beide Varianten vereint dabei eine gemeinsame Überlegung: Die Zufahrt zum Zirkel soll für den Autoverkehr gesperrt werden.
Zukunft der Hans-Thoma-Straße
Im Rahmen dieser Überlegungen haben im Abschlussbericht folgende Maßnahmen oberste Priorität:
- Eine Verbesserung der Gehwegbreite und -qualität.
- Die Schaffung von Aufenthaltsqualität und einem Treffpunkt durch Grünflächen vor dem Museum.
- Radweg und Autoverkehr sollen voneinander separiert werden.
- Unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit von Fuß-und Radverkehr vor der Kunsthalle.
Bild: Elena Sausen - Reduzierung der Stellplätze für Autos.
- Sperrung der direkten Kfz- Ausfahrt aus dem Zirkel.
- Verbesserung der Ampel-Grünzeiten für Fußgänger und Radfahrer soll eine neue Querungsart im Kreuzungsbereich Zirkel Waldstraße/Hans-Thoma-Straße ergeben.
Inspiration aus dem Ausland
Beim letzten Punkt hat man sich dabei an Ampelphasen und Kreuzungen aus Lettland und Japan orientiert. Sowohl die Shibuya-Kreuzung in Tokio als auch Kreuzungen in Riga verfügen über eine Ampelphase. Bei diesen Kreuzungen haben alle Fußgängerampeln gleichzeitig grün.
Das Besondere ist, dass Fußgänger bei Grün nicht nur von einer Straßenseite auf die gegenüberliegende wechseln, sondern die Kreuzung auch diagonal überqueren können. Bei den gängigen Ampeln müsste man dagegen für den gleichen Weg zwei Straßen überqueren und häufig noch an mindestens einer Fußgängerampel warten. Während Fußgänger-und Radfahrer grün haben, sind alle Autoampeln auf Rot- und umgekehrt.
Ansicht der Kunsthalle
Doch was sagt eigentlich der Vorstand der Kunsthalle Karlsruhe zu den geplanten Umbauvorhaben, verläuft die Hans-Thoma-Straße doch direkt vor den Türen des Museums. ka-news.de hatte im Anschluss an die Jahresmedienkonferenz der Kunsthalle Gelegenheit, mit Direktorin Pia Müller-Tamm und dem Geschäftsführer Florian Trott zu sprechen.

"Ich darf sagen, dass es der Kunsthalle ein großes Anliegen ist, dass Vorfeld des Museums wirklich neu in Erscheinung treten zu lassen", stellt Müller-Tamm fest. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Sicherheit und die Reduktion des Straßenverkehrs gelegt werden.
Im Zuge einer Verkehrszählung habe das Museum binnen einer Stunde 1.200 Autos gezählt. "Das ist das Ergebnis der autogerechten Stadt von 1961- seitdem ist das Verkehrsaufkommen sicher immer, immer höher geworden und die Ecke ist extrem gefährlich, eng mit den Fußgängerwegen, der Ampelsituation und den Autos- das sollte unbedingt geändert werden", so Müller-Tamm.
Die Frage, welche Option die geeignete sei, sei aus Sicht von Müller-Tamm verfrüht. "Eigentlich geht es doch vielmehr darum, wirklich das Bewusstsein dafür herzustellen, dass es definitiv anders aussehen sollte", sagt Müller-Tamm. So sei die Hans-Thoma-Straße im ÖRMI-Plan noch immer die Haupteinfallsstraße für die nördliche Innenstadt.

Der Museumsbesuch beginne aber eben nicht erst im Foyer oder vor dem Gemälde, "Nein Museumsbesuch beginnt bereits, wenn ich mich diesem Gebäude annähere". So sei bereits das Gebäude an sich Teil des "Gesamtkunstwerks Kunsthalle" und müsse auch als solches angesehen werden. Im städtischen Raum sei es derzeit allerdings nicht angemessen wahrnehmbar. Genau diese Überlegungen äußere die Kunsthalle auch gegenüber der Stadt.
"Ziel, dass sich die Vorplatzsituation deutlich verbessert"
"Jeder, der Karlsruhe kennt, würde sagen, das Karlsruhe ein bedeutender Standort ist, was Theater, was kulturhistorische Museen, Naturkundemuseen und Kunstmuseen anbelangt. Und genau das müsste eine weiträumig angelegte Stadtplanung wirklich zur Geltung bringen", sagt Müller-Tamm. Derzeit sei dies aber noch nicht wirklich der Fall, weshalb sie sich nicht darauf festlegen möchte, welche der beiden Optionen sie bevorzuge.

Der Geschäftsführer der Kunsthalle, Florian Trott, stimmt dieser Aussage zu und merkt an, dass es auch die Überlegung gab, die Hans-Thoma-Straße komplett für den Autoverkehr zu sperren. "Das wäre aus Sicht der Kunsthalle natürlich das Ideal-, wenn man wirklich wieder diesen Vorplatz vor der Kunsthalle gewinnen könnte", sagt Trott. Aus Gesprächen mit der Stadt wisse man allerdings, dass dies aufgrund anderer vorheriger Entscheidungen keine Option mehr sei.
"Unser Ziel ist es, dass sich die Vorplatzsituation deutlich verbessert. Da werden wir in den nächsten Jahren, glaube ich, noch sehr viele Gespräche führen müssen", resümiert Trott. "Je mehr Vorplatz die Kunsthalle hat umso besser", so Trott.
Dateiname | : | ÖRMI-Abschlussbericht |
Dateigröße | : | 206754064 |
Datum | : | 11.01.2023 |
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Das IQ Leitprojekt Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt (ÖRMI) wurde im August 2020 von der Stadtverwaltung Karlsruhe beauftragt. Die Ergebnisse des Projekts liegen seit Dezember 2022 in Form eines 110 Seiten langen Kataloges vor und können auf der Website der Stadt Karlsruhe eingesehen werden.
Das Ziel von ÖRMI ist es, die Chancen und Herausforderungen für den öffentlichen Raum und die Mobilität der Innenstadt Karlsruhe integriert zu betrachten und umsetzungsorientierte Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Dabei wird die Innenstadt immer in Verbindung mit und in Abhängigkeit vom Rest der Stadt beziehungsweise ihrer Umgebung betrachtet.
Die Innenstadt ist nicht nur für Menschen gedacht, die dort leben oder arbeiten, sondern auch für alle, die in der Region leben. Durch die Auswertung verschiedener Analysen, die in der Innenstadt durchgeführt wurden, sowie Online-Befragungen und die Resultate einer Zukunftswerkstatt wurden sowohl Karlsruher als auch Menschen aus umliegenden Städten am Projekt beteiligt.
Teil des Abschlussberichtes sind fünf sogenannte Lupen. Für diese Lupen wurden mögliche Konzepte für die Zukunft der Karlsruher Innenstadt entwickelt. Die Lupen sind:
- die Kunsthalle mit Hans-Thomas-Straße
- die Kaiserstraße-Ost zwischen Durlacher Tor und Berliner Platz
- die nördliche Karlstraße
- die Hirschstraße
- die Lammstraße
Einzig das Konzept für die Kaiserstraße-Ost zwischen Durlacher Tor und Berliner Platz wurde bereits im Dezember 2022 im Gemeinderat diskutiert. Die Stadtverwaltung wurde damit beauftragt, die entsprechenden Planungsschritte für diesen Bereich einzuleiten. Die Arbeiten sollen 2027 abgeschlossen sein.
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