(ka-news)

Herr Schneller, Deutschland hat sich bereit erklärt, 10.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Was erzählen die Flüchtlinge, die in Karlsruhe ankommen?

Da spielen sich traurige Szenen ab. Einige versuchen, mit dem Boot an die maltesische Küste zu gelangen. Viele berichten uns, dass sie dabei großes Glück hatten, die Fahrt überlebt zu haben. Einige versuchen auch eine Einreise über die Türkei, wenn sie können per Flugzeug. Die Flüchtlinge, die sich kein Ticket leisten können, schlagen sich über Ungarn und Bulgarien bis nach Deutschland durch.

Sind 10.000 Flüchtlinge für ein reiches Land wie Deutschland nicht ein Armutszeugnis?

Grundsätzlich ist das Kontingent natürlich viel zu klein. Angesichts Hunderttausender Flüchtlinge, die in den Nachbarstaaten Syriens Zuflucht suchen, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Herz sagt, ja, man muss mehr aufnehmen. Von verwaltungstechnischer Seite ist das aber kaum möglich. Es gibt zu wenig Unterkünfte und die Behörden sind mit dem Ansturm und den Anträgen schon jetzt, verständlicherweise, überfordert

Auch in der Landesaufnahmestelle Baden-Württemberg in Karlsruhe sind Syrer untergebracht. Wie ergeht es ihnen dort?

Dort herrscht großes Elend. Die Aufnahmestelle ist heillos überfüllt. Die Menschen schlafen auf den Gängen oder in der Cafeteria, weil es zu wenig Schlafplätze gibt. Mittlerweile gibt es zehn Außenstellen, doch auch diese sind voll. Besonders schlimm ist die Situation für Schwangere oder Mütter mit kleinen Kindern. Die Behörden versuchen zwar, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Doch vor ein paar Jahren, als der Zustrom an Flüchtlingen gering war, hat man im ganzen Land Unterkünfte geschlossen. Die fehlen nun.

Ihr Verein, der Freundeskreis Asyl Karlsruhe, bietet Flüchtlingen in Zusammenarbeit mit der Caritas und dem Diakonischen Werk eine Verfahrens- und Sozialberatung an. Wie kommen Sie mit dem Ansturm klar?

Uns ergeht es nicht besser als den staatlichen Behörden. Auch wir haben zu wenig Personal, sind überlastet. Das führt zu einer Ökonomisierung bei der Beratung. In die Tiefe gehen ist nicht möglich. Wir können mit den Flüchtlingen nur auf die wichtigsten Fragen eingehen. Zusätzlich verteilen wir seit Jahren Flyer mit Basisinformationen über Rechte, Pflichten und Beratungsmöglichkeiten auf dem jeweils neuesten Stand in den wichtigsten Sprachen an die Flüchtlinge. Mehr ist nicht möglich.

Haben die syrischen Flüchtlinge Probleme, Asyl zu bekommen?

Dank des festgeschriebenen Kontingents geht es bei den Syrern recht schnell. Anträge von Asylbewerbern aus Afrika brauchen da viel länger und Roma haben gar keine Chance.

Aber ewig dürfen die Syrer wahrscheinlich auch nicht bleiben.

Ein lebenslanges Bleiberecht bekommt heute kaum noch ein Flüchtling. Meist bekommen die Syrer eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Dann muss überprüft werden, wie sich die Sicherheitslage in ihrem Heimatland entwickelt hat. Aber es sieht momentan nicht danach aus, als würde sich die Lage in Syrien bald ändern.

Viele Syrer haben in ihrer Heimat Schreckliches erlebt. Bekommen sie in der Landesaufnahmestelle eine psychiatrische Behandlung?

Nicht in der Landesaufnahmestelle. Aber der "Verein für traumatisierte Migranten Karlsruhe" bietet Sprechstunden für die Flüchtlinge an. Dort kann zumindest ein Gespräch und ein erster Schritt stattfinden. Aber eine kontinuierliche Therapie ist nicht möglich.

Wäre eine umfangreiche Therapie aber nicht zwingend notwendig?

Sie wäre wünschenswert, aber dafür fehlt, sowohl in der Landesaufnahmestelle als auch beim Verein, schlicht das Personal.

Fragen: Kevin Schrein. Dem Autor auf Twitter folgen: @KeSchreiberling und hier geht's zum ka-news-Twitteraccount!

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